Der Nahost-Konflikt als Bühnenstoff

Von Gerd Brendel · 05.04.2007
Die israelische Regisseurin Yael Ronen vermittelt auf der Bühne einen Eindruck vom alltäglichen Wahn in Israel: Stets kreisen ihre Stücke um den schwelenden Konflikt zwischen Israelis und Palästinensern. Die Anregungen zu ihren Texten nimmt sie aus eigenen Erlebnissen und Erzählungen von Bekannten. Dennoch wird viel gelacht in ihren Stücken.
Zum Schlussapplaus von "Reiseführer in das gute Leben" springt die Autorin Yael Ronen auf die Bühne. Wie ein kleines Mädchen, das General spielt, schreitet die 30-Jährige die Reihe ab und schüttelt jedem Schauspieler die Hand. Ihre wilde Haarmähne wippt auf und ab und sie strahlt über das ganze Gesicht. Ihr Stück erzählt israelische Alltagsgeschichten zwischen Terror, fragwürdigen Militäreinsätzen und kaputten Beziehungen: Es sind die Art von Geschichten, die die junge Theaterfrau in fast allen ihren Stücken erzählt:

"Bei mir dreht sich immer alles um drei Themen: Erstens die Frage, was es bedeutet als Frau in dieser Gesellschaft zu leben, zweitens, was es bedeutet Israeli zu sein und sich mit der Politik dieses Landes auseinandersetzen zu müssen, und drittens die Frage nach der Macht des Theaters."

Die Kraft des Theater verspürt Yael Ronen schon als Kind: Ihre Mutter ist Schauspielerin, ihr Vater Ilan Ronen ein bekannter Regisseur. Yael und ihr kleiner Bruder Michal - inzwischen selbst Theaterregisseur in London - wachsen quasi im Theater auf: Es sind die 70er Jahre und auch in Israel experimentieren viele Künstler mit neuen Formen.

"Als ich klein war, leitete mein Vater ein bekanntes Theater in Jerusalem, an dem auch meine Mutter engagiert war. Es war ein sehr junges Ensemble und alle lebten zusammen wie eine Hippie-Kommune. Alle brachten ihre Kinder mit zu den Proben und es ging zu wie im Zirkus. Das konnte man entweder furchtbar finden oder großartig."

Die kleine Yael findet es großartig.

"Yael war erst vier, aber sie wollte sich unbedingt unsere Inszenierung von "Rashomon" anschauen."

Erinnert sich Vater Ilan Ronen an seine theaterbegeisterte Tochter.

"Da geht es ja um Vergewaltigung und ich machte mir große Sorgen, dass es Yael zu Herzen nehmen könnte, aber sie meinte nur: Papa, Du brauchst keine Angst zu haben: Ich weiß doch, dass das alles Theater ist."

Yael Ronen sammelt ihre ersten Regieerfahrungen als Assistentin ihres Vaters. In der Familie wird viel diskutiert, nicht nur über die Arbeit der Eltern, sondern auch über das große Polittheater.

"Wir Israelis müssen uns ständig fragen: Auf welcher Seite stehen wir angesichts der Besetzung? Sehen wir eine Hoffnungschance? Fühlen wir uns im Recht oder schuldig angesichts der israelischen Politik in den besetzten Gebieten?"

Yael Ronen bringt die realen Konfliktsituationen auf die Bühne: In "Plonter" - zu deutsch "verworren", ihrem bekanntesten Stück, verweigert ein Wehrpflichtiger den Dienstantritt. Die Szene hat wie viele andere reale Vorbilder:

"Mein Bruder war während seiner Militärzeit bei einer kämpfenden Einheit. Nach ein paar Monaten Dienst war er emotional gebrochen und eines Morgens nach einem dienstfreien Wochenende hat er sich geweigert, aufzustehen. Meine Mutter versuchte ihn aus dem Bett zu holen und hatte Angst, dass die Militärpolizei kommen würde, aber er meinte nur: Sollen sie doch nur kommen. Ich geh da nicht mehr hin."

Der Konflikt zwischen Israelis und Palästinensern zieht sich als roter Faden durch alle Stücke von Yael Ronen. Bevor Ronen einen Bühnentext schreibt und inszeniert, lässt sie ihre Schauspieler und Schauspielerinnen deren eigene Geschichten spielen - es sind Geschichten von beiden Seiten der Sicherheitsmauer, die Israelis und Palästinenser trennt, denn Ronen ist eine der wenigen Regisseurinnen, die mit jüdischen und arabischen Schauspielern arbeitet. Die Soldaten, die ein palästinensisches Kind erschießen und den Mord vertuschen. Der Racheakt palästinensischer Terroristen: Das alles basiert auf realen Erlebnissen.

Und nicht selten überholt die Realität die Bühnenhandlung: Bei den Proben lernt Ronen ihren jetzigen Freund kennen, einen arabischen Israeli aus Haifa und mit einem Mal erlebt sie den unbeholfenen Rassismus wohlmeinender Links-Intellektueller am eigenen Leib: Szenen, wie im ersten Blid von "Plonter": Ein palästinensisches Ehepaar zu Besuch bei einer jüdischen Familie, aber was als private Friedensinitiative geplant ist, endet im Fiasko, weil die Gäste so gar nicht in das Opfer-Klischee der Gastgeberin passen.

"Wie, Sie arbeiten gar nicht den ganzen Tag in ihren Olivenhainen? Und sie essen mein Hummus nicht, weil ihr Pysiotherapeut ihnen eine Diät verordnet hat? Ich wusste gar nicht, dass sie Physiotherapeuten haben."

In Yael Ronens Stücken wird viel gelacht, auch wenn sie meistens ohne Happy End aufhören. Und wie schätzt die Autorin ihre ganz persönlichen Glückschancen in Israel ein? Denken sie und ihr palästinensischer Freund manchmal daran, das Land zu verlassen? Da lacht die Regisseurin und schüttelt ihre wilde Lockenmähne.

"Erstmal: Die Araber wandern nicht aus, die hängen an ihrem Stückchen Land. Die Juden wandern in der Welt rum, aber ich kann mir auch nicht vorstellen, mich wirklich mit einem anderen Ort verbunden zu fühlen."
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