Der Mythos vom schnellen Krieg

Vorgestellt von Michael Groth |
Gordon und Trainor erzählen zwei Geschichten. Zunächst die des amerikanischen Bodenkriegs im Irak. Der New-York-Times-Journalist Gordon hat ihn zum Teil miterlebt, "embedded", als "angegliederter" Reporter. Er schildert den Kampf der Amerikaner detailliert, bis hin zu Blut, Schweiß und Tränen.
Dabei mögen die sich mitunter über dutzende von Seiten hinziehenden Beschreibungen einzelner Schlachten für Militärhistoriker anschaulich sein, militärkundlich nur durchschnittlich Interessierte können sie auch langweilen.

Gewichtiger wiegt die einseitige Perspektive. Hier wird die amerikanische Sicht der Dinge wiedergegeben. Das ist erklärlich angesichts der Nähe der Autoren zur U.S. Army. Das Quellenverzeichnis liest sich wie ein "Who is Who" des militärischen Establishments.

Nichts gegen diese Sicht der Dinge, nur sollte man zu ihr stehen. Das Versprechen, das Gordon und Trainor am Anfang des Buches geben, wird jedenfalls nicht eingehalten. Sie wollen, so die Autoren, auch die irakische Seite untersuchen und - erstmals- ein komplettes Bild der Lage bieten. Irakische Quellen werden aber selten genutzt. Wer sich für das Handeln Saddams, seines Umfeldes sowie der Fedajin interessiert, der wird enttäuscht.

Die zweite, eigentliche, Geschichte tröstet darüber hinweg. Es ist die Geschichte einer Selbsttäuschung der amerikanischen Administration, aus der eine bewusste Täuschung der Öffentlichkeit wurde. Der Krieg, so die Autoren, war unmittelbar nach dem 11. September 2001 beschlossen:

"Es war wichtig, mit den Taliban schnell abzurechnen, aber es reichte nicht aus. Wenn die Vereinigten Staaten zeigen wollten, dass jeder Angriff gegen sie ernste Folgen hat, und dass man Regierungen nicht dulden wird, die sich mit Terroristen einlassen, dann musste mehr geschehen. Mit Sonntagsreden über "Demokratie im Mittleren Osten" hatte das nichts zu tun. Rumsfeld wollte amerikanische Macht demonstrieren."

Cheney und Rumsfeld waren die entscheidenden Figuren. Der Vizepräsident zog die Fäden im Hintergrund, der Verteidigungsminister sah die Gelegenheit, eine Reform der Streitkräfte nicht nur auf dem Papier, sondern im Einsatz zu erproben. Vereinfacht ausgedrückt hieß dies: kleinere Einheiten, technisch bestens ausgerüstet, sowie Zusammenarbeit der Teilstreitkräfte. Schnell rein, schnell raus. Darüber, wie es nach einem gewonnen Krieg im Irak weitergehen sollte, machte man sich kaum Gedanken. Außenminister Powell galt als Bedenkenträger:

"Bis eine irakische Regierung etabliert ist, sind die Vereinigten Staaten verantwortlich. Das kann sich über Jahre hinziehen; es würde das wichtigste Thema für die US-Armee und die amerikanische Regierung. Powell erinnerte an die so genannte 'Porzellanladen-Regel': wenn Du es kaputt machst, gehört es Dir."

Bush, Cheney, Rumsfeld und der Oberkommandierende General Franks haben, das zeigt das verdienstvolle Buch, den Gegner unterschätzt. Sie betrachteten den Feldzug als vor allem militärisches Problem. Mit den Unterschieden zwischen Sunniten und Schiiten, mit Stammesrivalitäten hatte man sich kaum beschäftigt.

Sie vertrauten ihrer Technologie, aber sie vernachlässigten den kulturellen Hintergrund. Den Soldaten wurde der Eindruck vermittelt, die Iraker begrüßten sie als "Befreier", und der Marsch nach Bagdad werde von Freundschaftsgesten begleitet. Statt dessen Autobomben und Selbstmordattentäter. Die Autoren zitieren einen US-Soldaten:
"Als die Saddam-treuen Fedajin aus dem Hinterhalt auf die Marines schossen, da wurden sie für mich zu Kannibalen. Meine Einstellung änderte sich. Ich wollte den Widerstand brechen und ich wollte jeden irakischen Soldaten töten, der sich uns in den Weg stellte."

Nach dem erfolgreichen Feldzug vermittelte das Weiße Haus den Eindruck, der Irak sei hinreichend stabil, um alliierte Truppen einzusetzen; das Geschehen im Land verwies auf das Gegenteil. Schnell wurde klar, dass aus der Invasionsarmee eine Besatzungsarmee werden musste, die sich mehr oder weniger ausschließlich aus Amerikanern und ihren britischen Verbündeten rekrutierte. Dennoch gab Rumsfeld seinen Plan nicht auf.

"Das Pentagon wollte einen zeitlich unbegrenzten Einsatz wie in Bosnien oder im Kosovo vermeiden; der größte Teil der Soldaten sollte drei bis vier Monate nach Verkündigung des Kriegsendes zurückkehren. Das Außenministerium hatte den Nachkriegseinsatz auf dem Balkan verpatzt, in Afghanistan drohte Ähnliches. Damit dies nicht auch im Irak passiert, übernahm das Verteidigungsministerium die Planung für die Post-Saddam-Phase."

Der ehemalige General Garner sollte dem zivilen Aufbau vorstehen. Rasch zeigte sich, dass der Mann hoffnungslos überfordert war – nicht immer aus eigenem Verschulden:

"Militärische und zivile Planung befanden sich in einem Teufelskreis. Die Militärführung setzte auf den Erfolg Garners. Dies werde den Abzug der Truppen beschleunigen. Garner andererseits hoffte, dass die Militärführung ihm Soldaten zur Verfügung stellte; nur so könne eine neue Regierung gesichert, Hilfsmittel verteilt, und die Infrastruktur rekonstruiert werden."

Das Buch erzählt die Geschichte von Soldaten, die von Politikern falsch geführt wurden. Cheney, Rumsfeld, und natürlich auch Bush, konnten und wollten ihre festen Meinungen nicht ablegen, warum, wie, und wie lange dieser Krieg zu führen sei. Nicht die Fakten zählten, sondern der Mythos. In diesem Zusammenhang muss auf einen kurzen Absatz in dem 603-Seiten starken Werk verwiesen werden: Es war Michael Gordon, der vor wenigen Wochen einen angeblichen Verteidigungsplan Saddams vorlegte. Dieser Plan, so heißt es in "Cobra II", sei dem US-Hauptquartier in Katar von einem deutschen Geheimdienstmitarbeiter übergeben worden.

Angesichts des Versagens der US-Dienste im Irak war diese Hilfe hochwillkommen. Ob sie wirklich stattfand, kann auch das Buch nicht klären. Der geheime Militärbericht, den die Autoren zitieren, hat viele Väter. Fest steht indes, dass der an eine Kinderzeichnung erinnernde Plan folgenlos blieb. Die so genannte "rote Verteidigungslinie", bei deren Überschreitung die Amerikaner den Einsatz von Massenvernichtungswaffen fürchteten, wurde fast mühelos passiert.

Der Ausflug in die deutsche Politik macht das Buch nicht weniger lesenswert.


Michael Gordon/Bernard E. Trainor: Cobra II - The Inside Story of the Invasion and Occupation of Iraq
Pantheon,
New York 2006
603 Seiten.