Der Mythos vom hohen C

Moderation: Uwe Friedrich · 05.07.2009
Seit Gilbert Duprez im Jahr 1837 zum ersten Mal das hohe C mit Bruststimme gesungen hat, ist dieser Ton der Prüfstein für jeden Tenor: Hat er das C? Ist es sicher oder wackelt es? Klingt es schön? Alles eine Frage des Könnens, wie überhaupt Tenor weniger ein Stimmfach als vielmehr ein gesangstechnisches Problem ist. Entsprechend groß ist die psychische Anspannung, unter der Tenöre während der Aufführung stehen, und die auch zur Katastrophe führen kann.
Um 1830 betritt der italienische Operntenor modernen Typs die Bühne, und sofort liegen ihm Männer wie Frauen zu Füßen. In Gioacchino Rossinis Opern muss er noch Koloraturen singen können, doch schon bei Gaetano Donizetti ist er für die sentimentalen Gefühle zuständig. Schnell laufen die Tenöre den Operndiven den Rang ab, und plötzlich müssen sie auch mit schierer Kraft punkten - Giuseppe Verdi und Richard Wagner verlangen sie ihnen ab.

Die Geschichte der Ritter vom hohen C ist auch eine Geschichte der Tonaufzeichnung, an deren Beginn Enrico Caruso als Inbegriff und Vorbild aller italienischen Tenöre stand. Mit seinen theatralischen Effekten wirkte er über Jahrzehnte stilbildend für Kraftmeier wie Mario del Monaco oder José Cura. Anders machten es Jussi Björling und Carlo Bergonzi: Sie konzentrierten sich auf das subtile Gestalten ihrer Partien und konnten so ihre Stimmen weitaus länger erhalten.

Ins Plattenstudio sind alle wichtigen Tenöre gegangen - nicht erst "Die Drei Tenöre", deren revolutionäre Bedeutung im Bereich der Marketingstrategien liegt. Und auch das Modewort "Crossover" benennt im Grunde nur ein altes Phänomen: Schon der Wagnertenor Lauritz Melchior sang amerikanische Schlager, während der Hollywoodstar Mario Lanza umgekehrt außer Schlagern auch Opernarien zum Besten gab. Der letzte, der beide Sphären perfekt verbinden konnte, war wohl Fritz Wunderlich: Er wird diese "Interpretationen"-Sendung einrahmen.