Der Mut, nicht zu gefallen

Von Sonja Kloevekorn · 26.09.2013
Bis April dieses Jahres kannte Anna Drexler die Münchner Kammerspiele nur als Zuschauerin. Durch Glück, Mut und Können hat sich das geändert. Nachdem die Schauspielstudentin zwei Wochen vor Premiere für eine Schauspielerin einsprang, ist sie Ensemblemitglied des Hauses.
"Das kommt mir jetzt schon viel kleiner vor, das ist lustig."

Anna Drexler schließt die Tür zu ihrer alten Schulaula auf. Die eher kleine Schauspielerin mit den weichen Gesichtszügen und den leuchtenden grünblauen Augen, ist bereits andere Größenordnungen gewöhnt: Seit April dieses Jahres ist sie auf den Brettern der Münchner Kammerspiele zu Hause. Noch sehr gut erinnert sich Anna Drexler daran, wie sie als Abiturientin hier in der Schulaula vor zehn Freunden vorspielte, bevor sie sich an verschiedenen Schauspielschulen bewarb.

"Da hatte ich dann die Idee, dass ich das einmal zeige, um mich selbst einmal schon dieser Stresssituation auszusetzen und dann haben wir uns hier getroffen und dann war es auch sehr sehr schrecklich, ehrlich gesagt. Weil ich so aufgeregt war, dass ich überhaupt nicht mehr frei sein konnte. Das war furchtbar, danach war ich total frustriert. Aber ich war trotzdem total froh, dass ich das gemacht habe."

Schon das zweite Vorsprechen läuft so viel besser, dass die 19-Jährige an der renommierten Otto-Falckenberg Schauspielschule in München aufgenommen wird. Geholfen hat ihr dabei der Mut, nicht gefallen zu wollen.

"Das ist so eine reine Kopfsache, das man eher so eine tendenziell, aggressiv, hört sich jetzt zu aggressiv an, aber eher so etwas im Sinne von, okay, also Ihr könnt das jetzt hier anschauen und wenn Euch das nicht gefällt, dann geh ich nach Hause."

Erwachsener Ernst und kindliche Unbeschwertheit
In einem Café in der Nähe der Schule bestellt sich Anna Drexler einen doppelten Espresso. Sie trägt eine schwarze Hose, dazu eine verwaschene Jeansjacke und ein buntes Tuch. Oft fährt sie sich mit den Händen durch die langen blonden Haare und strahlt dabei eine Mischung aus erwachsenem Ernst und kindlicher Unbeschwertheit aus.

"Also ich hab zwei Schwestern und bin bei meiner Mutter aufgewachsen, also 2000, da war ich so neun, zehn, da sind wir nach Berlin gekommen und ich war in der Waldorfschule und hatte eine sehr, sehr schöne Kindheit, also vor allem natürlich mit meinen Schwestern. Wir waren so vier Mädels mit Mama, das war alles so ganz frisch und fruchtig."

Geboren ist Anna Drexler südlich von Stuttgart in Filderstadt. Ihre Eltern sind beide Schauspieler. Sie selbst wollte lange etwas ganz was anderes werden: Tierärztin, Therapeutin, Journalistin oder Konditorin.

"Ich hab durch meine Eltern einfach ein relativ realistisches Bild vermittelt bekommen, kein sehr romantisches."

Doch beim Abschlusstheaterprojekt in der Schule springt der Funke über und Anna Drexler beschließt, es mit der Schauspielerei zumindest zu versuchen. Schon im zweiten Studienjahr übernimmt sie eine Rolle am Burgtheater in Wien. Und im März 2013 kommt noch vor Studienabschluss die Anfrage der Münchner Kammerspiele. Ein Traumstart.

Ein großer Erfolg
"Ja, das ging alles ganz unverhofft. Ich wurde gefragt, ob ich für die Sonja einspringe, ungefähr zwei Wochen vor der Premiere von 'Onkel Wanja'. Das war natürlich ein Irrsinn."

Anna Drexler ergreift die Chance, lernt in nur zwei Tagen den Text. Knapp zwei Wochen dauern die Proben, bei denen fast alles neu erarbeitet wird. Wie hat sie dabei die Nerven behalten?

"Ich wusste so ok, so für mich, ich muss einfach mutig sein und springen, weil es sonst nicht zustande kommt. Man muss es machen, sonst ist man verloren."

Am Morgen der Premiere macht der Regisseur und Intendant Johann Simon ihr das Angebot, festes Ensemblemitglied zu werden. Der Abend ist ein großer Erfolg, Anna Drexler wird mit Komplimenten überschüttet.

"Wir sind dann in der Nacht noch ins Auto gestiegen, irgendwie um drei oder um vier, und sind Skifahren gegangen auf eine Hütte. Und dann bin ich da am Morgen aufgewacht und dann dachte ich wirklich, alles hat sich verschoben."

Mit ihrem Freund, einem Schauspielschüler der Falckenbergschule, lebt sie zusammen in einer Miniwohnung. Über die Zukunft macht sich die 23-Jährige keine Gedanken, sie genießt einfach, dass gerade alles so gut zusammenpasst.

Mit ihrer nächsten großen Rolle, der Julie aus "Dantons Tod", hat Anna Drexler am 26. September Premiere. Manchmal kann sie das alles selbst kaum fassen.

"So schnell geht das nicht, dass ich mich daran gewöhne, dass ich mit diesen Schauspielern auf einer Bühne spiele. Also ich habe so viel Respekt vor denen und dass man da jetzt selber so spielt, also der Kopf braucht ein bisschen länger."


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