Der Mensch als Wunder der Natur

Von Peter Kirsten · 26.07.2005
Gegen den Strom wissenschaftlicher Erkenntnis versuchen bibeltreue Christen die Schöpfungslehre von Adam und Eva zu bewahren. Die Bewegung heißt Kreationismus. Ihre Anhänger verweisen auch auf eine übernatürliche Instanz, die weniger Gott, als vielmehr einem Ingenieurbüro ähnelt.
Es dauerte lange bis im allgemeinen Bewusstsein die Überzeugung dominierte, dass wir Menschen nicht von Adam und Eva abstammen und dass unsere Herkunft von den Affen – oder exakter: affenähnlichen Wesen – keine Schande ist. Diese Überzeugung entstand aus der Akzeptanz unwiderlegbarer naturwissenschaftlicher Befunde, die die Evolutionstheorie hauptsächlich seit Charles Darwin vorlegte.

Gegen den Strom wissenschaftlicher Erkenntnis versuchen seit Jahrzehnten bibeltreue Christen – vor allen Dingen in den USA – die Schöpfungslehre zu bewahren und weiter zu begründen. Die Bewegung heißt Kreationismus. Es gibt verschiedene Spielarten – dominierend ist der Kampf um die Schulbücher, das heißt um das Wissen und die Überzeugung der Jugend.

Und immer mehr bedienen sich die Kreationisten wissenschaftlicher Argumente. Nicht mehr die einfache Ablehnung der Entwicklungslehre und die Wiedereinsetzung der biblischen Schöpfung steht im Mittelpunkt, sondern die verwirrende Diskussion um komplexe Mechanismen und Resultate der Evolution. Zufall und Notwendigkeit oder Selektion und Auslese – diese Grundpfeiler der Evolutionstheorie werden hinterfragt und dem Wunder der Natur gegenübergestellt.

Man denke an das Beispiel eines Bakteriums, in dem sich ein hochpräziser molekularer Motor befindet, der dem Bakterium die Fortbewegung ermöglicht. Ein Meisterstück der Nanotechnik – könnte man sagen. Ist so etwas durch die Mechanismen von Selektion und Auslese erreichbar? Dem "Nein" folgt der Hinweis auf eine übernatürliche Instanz, die allerdings weniger Gott, als vielmehr einem Ingenieurbüro ähnelt. Es gibt auch hierfür einen modernen Begriff: das so genannte "intelligent design", dessen Fragestellungen bis zur Entwicklung des Universums reichen.

"Intelligent design" und Kreationismus gehen derzeit eine innige Verbindung ein, um die Schöpfungslehre plausibel zu machen. Die moderne Biologie ist heute weit fortgeschritten und begreift die Evolution als einen komplexen Prozess, der über Selektion und Auslese hinausgeht. Niemand hätte auch unter seriösen Wissenschaftlern etwas dagegen, ihre Resultate als Wunder der Natur aufzufassen. Aber genau hier unterscheiden sich die Kreationisten von der Wissenschaft – für diese ist das – noch – nicht Erklärbare ein Hinweis auf Irrationales, für jene ein Hinweis auf das, was noch verstanden werden muss.

Das Gespräch zum Thema mit dem Philosophen, Physiker und Kulturwissenschaftler Klaus Meyer-Abich, eremitierter Professor für Naturphilosophie an der Universität Essen und früherer Senator für Wissenschaft und Forschung in Hamburg, können Sie in der rechten Spalte als Audio hören.