Der Mann zwischen den Stühlen

22.01.2010
Man hat ihn vieles genannt: Kabarett-Zertrümmerer, rabenschwarzer Philosoph und Nestbeschmutzer. Der Kabarettist Josef Hader passt in keine Schublade. Seine neue Doppel-CD mit dem Titel "Hader spielt Hader" ist eine Sammlung von 34 aberwitzigen, absurden und einfach nur saukomischen Stücken.
"I bin so entspannt da gelegen zwischen den Autos, um drei vor acht. I hab mir gedacht, Josef, sei gelassen, was is wichtig, was is dringend. Da warten jetzt hunderte von Menschen aufgrund einer anonymen finanziellen Vorleistung auf Dich, was hat das mit Dir zu tun? OHHH. Die sollen sich ein paar Witze erzählen und gegenseitig abkassieren, oder?"

Der Kabarettist klappt kurz vor der Vorstellung auf der Straße zusammen - Herzinfarkt! Josef Hader erzählt diese Geschichte in seinem dramaturgisch revolutionären Programm "Biagn oder Brechn" aus dem Jahr 1989. Revolutionär deshalb, weil er dem bis dato gängigen politischen Nummernkabarett Adé gesagt und den kabarettistischen Einakter als Einmann-Theater entwickelt hat - wie schon Sigi Zimmerschied und Richard Rogler vor ihm. Die benannte er denn auch in aller Bescheidenheit als seine Vorbilder.

Fünf Solo- Theaterabende des Kabarettisten, der immer noch zu den besten deutscher Zunge zählt, sind in Ausschnitten in dieser Doppel-CD versammelt. "Hader spielt Hader" - das macht er zwar immer, auch wenn er über die Jahre tausendundeine Rolle verkörpert hat. Aber im Grunde spricht er nur von sich - und meint dabei uns alle: unseren Egoismus, unsere Habgier, unsere Denkfaulheit, unsere medienverseuchte Sensationslust. Das aber tut er mit entwaffnendem Charme, bar jeder Bosheit:

"Du, Josef, i derf doch Du sagn, i bin Einkaufsleiter bei IKEA, Du Josef, wie machst Du des, dass Du ganz normal daliegst mit am Herzinfarkt, derf i mi dazu legn und mit dem Handy a Foto machen? I hab gsagt: Sie san Wiener? Er ganz stolz: ja, hört man des? Nein, das sieht man!"

In diesem Best-of-Programm, mit dem Hader bis 2004 auftrat, machte er es wie andere Kabarettisten auch: spielte "Nummern" und dazwischen ein paar Liederl der gewohnt grotesk-morbiden Art aus seinem reichhaltigen und völlig zeitlosen Repertoire:

"Wenn ich mal schlechter Laune bin, dann geh ich zu den Blinden, dann lach ich mir den Buckel voll, wenn sie die Tür ... Entschuldigung, is nicht von mir, weiß nie, wo i anfang, vielleicht des: Menschen san ma alle, blinde Henn und arme Haserl, wo‘s aus dunklen Achselhöhlen wia a Gurkenglaserl."

Der Mensch - und da schließt sich Hader selbst keineswegs aus - riecht nicht gut und ist auch sonst eine Sau: Er verpestet die Umwelt, wäscht sich ungern, hält nichts vom gesunden Essen, ist gemein zu seinen Mitmenschen - und am Ende doch nur ein armes altes Würschtl.

Leider hat Josef Hader in diesem Best-of eine autobiografische Schlüsselszene ausgelassen: wie er nämlich als "Nachgeburt seiner Brille" in einer schneestürmischen Nacht in diese Welt geworfen wurde. Für diesen Verlust entschädigt uns jedoch in reichem Maße unter anderem die irrwitzige Reise durch die von Friedensreich Hundertwasser psychedelisch bunt ausstaffierte Wiener Kanalisation aus dem selben Programm "Privat". Dieser Abend führte ins Innerste des Künstlers und nebenbei um die ganze Welt, ins All und zurück und ist wohl eine der fantasievollsten und abgründigsten Reisen, die ein Mensch von einer Kleinkunstbühne aus je unternommen hat.

"Und in dem Moment redt mi des Scheisstrümmerl an und sagt: Servus, Josef. Wie, Ihr Scheisstrümmerl könnt‘s redn? Ja, wir reden alle. Aber zu uns sagt‘s Ihr nie was. Ihr fragt‘s ja nie. Du kennst mi? Ja, aus meiner Jugendzeit im Kaffeehaus, da war i a Topfenstrudel."

Wie Hader dasitzt, keine Requisiten, kein Lichtwechsel, privates Gewand, und, so scheint es, einfach nur so dahin plaudert, wer das nicht live erlebt hat, der hat grandioses Welttheater versäumt, mit einem Schauspieler, wie es so keinen zweiten in der Szene gibt.

Dennoch bringen die Live-Mitschnitte auf der Doppel-CD auch beim reinen Zuhören noch genügend Hader rüber, dass man keine einzige der insgesamt 34 aberwitzigen, absurden, so melancholischen wie traurigen, so heiteren wie saukomischen, so tiefsinnigen wie auch einfach nur albernen "Nummern" missen möchte. "Hader spielt Hader" ist ein gelungenes Fazit aus 20 Jahren philosophisch-poetischemKabarett. Und das Schlusslied aus "Biagn und Brechn" wird keiner so schnell vergessen:

"Du gehst 100 Kilometer ohne was zum schaun
und auf einmal bist du ganz erstaunt, wo du jetzt schon stehst
und die Taschen sind ganz voll mit 100.000 Schlüsseln
von lauter Zimmer, in die du nimmer gehst
und langsam werdn ma wia ma san
und langsam werdn ma wia ma san
und langsam werdn ma wia ma san."

Besprochen von Sigrid Menzinger

Josef Hader: "Hader spielt Hader - Nummern aus fünf Programmen"
Zwei Audio-CDs, Random House Audio
München 2009, 19,95 Euro