Der Mann ist eine Burg
An der Oper Frankfurt hat der australische Regisseur Barrie Kosky mit Henry Purcells „Dido and Aeneas“ und Béla Bartòks „Herzogs Blaubarts Burg“ zwei Opern auf die Bühne gebracht, die auf den ersten Blick nicht entfernter voneinander sein können. In beiden Fällen geht es um die Liebe. Wie sich herausstellt, zeigt der Doppelabend zwei Seiten einer Medaille.
Im ersten Moment scheint es so, als habe Regisseur Barrie Kosky die Liebe auf die lange Bank geschoben, denn von Liebe spürt man so gut wie gar nichts, auch wenn Dido und Aeneas das pausenlos behaupten. In der Oper Frankfurt sitzt das barocke Liebespaar Dido und Aeneas nämlich über eine Stunde lang auf einer bühnenfüllenden grauen Holzbank vor einem Ziehharmonika-Vorhang direkt am Bühnenrand. Zusammen mit dem Hofstaat rutscht man Arie für Arie hin und her. Alles recht prächtig in pastellfarbenen barockisierten Kostümen mit Korsage und Reifrock. Aber eben auch sehr zweidimensional. Von rechts nach links und zurück.
Die Bewegungen des Sängerduos geraten zu Posen, unfreiwillig komisch die Grimassen und Zuckungen. Hier geht es nicht um Gefühle, sondern um die Ausstellung von Gefühlen. Genauer gesagt: um die dargelegte Liebe einer Frau. Zweidimensional: ohne Tiefe. Alles barock gesungen: Paula Murrihy entspinnt als Dido in ihren Arien einen vibratolosen Stimmfaden, der sich filigran und leise durch das Frankfurter Opernhaus zieht. Sie tritt tempomäßig ein wenig auf der Stelle, ihr fehlt der rechte Puls. Das Barockensemble, das auf historisierenden Instrumenten spielt, liefert dazu auch eher einen kleinen Purcell-Orchesterklang, der weniger von einem pulsierenden Beat lebt als von der Spannung. Man klebt an den Lippen der Sängerin.
Dido hat der Liebe eigentlich abgeschworen, verliebt sich aber in Aeneas (Sebastian Geyer). Die Liebe wird durch die Macht einer Zauberin vereitelt, denn Aeneas wird von Hexen hinters Licht geführt. Angeblich soll er ein neues Troja in der Nähe des Tibers gründen, darum muss er Dido verlassen. Die bringt sich vor lauter Stolz um. So ist das, wenn eine Frau gesellschaftliche Zwänge und Erwartungen über das eigene Gefühl stellt: Sie stirbt.
Was Barrie Kosky mit seinem Frankfurter Doppelabend ("Dido & Aeneas“, „Herzog Blaubarts Burg") zeigen will, sind zwei Arten von Frauenliebe. Immer geht es um Selbstaufgabe: im Falle der Purcell-Oper um Selbstaufgabe als Konsequenz einer apodiktischen Moralauffassung; im Falle der Bartòk-Oper um Selbstaufgabe als Konsequenz einer Projektion, einer Idealisierung.
Denn Bartòk exponiert in seiner Oper „Herzog Blaubarts Burg“ nicht nur die Persönlichkeit des kruden Herzogs Blaubart, sondern er zeichnet auch die Liebe einer Frau nach, die diese einem Mann bedingungslos überstülpt. Judith hat sich unsterblich in Blaubart verliebt, ignoriert Kälte und Finsternis seiner Burg. Sie will hinter die sieben verschlossenen Türen von Blaubarts Burg schauen und verschafft sich Schlüssel für Schlüssel. Und so entdeckt sie peu à peu: eine Folterkammer, Baubarts Waffen, Blaubarts Schatzkammer, einen Garten voller Blumen, allerdings blutige, eine weite strahlende Landschaft, einen Tränensee. Und am Ende: die drei früheren Frauen von Blaubart.
Barrie Kosky baut für dieses Gruseldrama keine Burg auf die Bühne, sondern lässt das Liebespaar auf einer weißen Drehscheibe spielen: Die Burg ist Blaubart selbst. Ihm wächst der Efeu aus dem Anzug, fließen die Tränen aus dem Körper. Mit wenigen, aber effektvoll platzierten Requisiten schafft Kosky einen magischen Realismus, der einen schaudern lässt. Robert Hayward singt diesen Blaubart markig, schroff – so wie er ihn spielt.
Die Burg ist bei Kosky also eine Imago: das unbewusste Bild, das Judith von Blaubart hat. Ein Mann, dessen Abgründe tief verborgen, unentdeckt bleiben sollen. Tür für Tür kommt Judith ihm aber näher: in Frankfurt enttarnt sie so einen gefühlskalten Egozentriker, einen Sadisten. Am Ende wird Judith Blaubarts vierte Frau, auch sie stirbt, weil sie der Liebe als Projektion erliegt und zu viel wissen will.
Die Musik, die Constantinos Carydis für dieses Drama auf die Bühne schickt, ist groß, voluminös, aber immer noch transparent genug, um das Kammerspiel, das Kosky auf die Drehscheibe setzt, nicht zu übermalen. Claudia Mahnke singt die Judith groß, offenherzig, mit Volumen, schön lyrisch – nie hart oder strähnig. Am Ende ist es ihre Show. Barrie Koskys Doppelabend vermittelt sich nicht auf Anhieb, und so gibt seine reduktionistische, etwas spröde Inszenierung einige Rätsel auf, die man sicherlich auf den zweiten Blick lösen wird.
Oper Frankfurt: „Dido and Aeneas“ und „Herzog Blaubarts Burg“
Die Bewegungen des Sängerduos geraten zu Posen, unfreiwillig komisch die Grimassen und Zuckungen. Hier geht es nicht um Gefühle, sondern um die Ausstellung von Gefühlen. Genauer gesagt: um die dargelegte Liebe einer Frau. Zweidimensional: ohne Tiefe. Alles barock gesungen: Paula Murrihy entspinnt als Dido in ihren Arien einen vibratolosen Stimmfaden, der sich filigran und leise durch das Frankfurter Opernhaus zieht. Sie tritt tempomäßig ein wenig auf der Stelle, ihr fehlt der rechte Puls. Das Barockensemble, das auf historisierenden Instrumenten spielt, liefert dazu auch eher einen kleinen Purcell-Orchesterklang, der weniger von einem pulsierenden Beat lebt als von der Spannung. Man klebt an den Lippen der Sängerin.
Dido hat der Liebe eigentlich abgeschworen, verliebt sich aber in Aeneas (Sebastian Geyer). Die Liebe wird durch die Macht einer Zauberin vereitelt, denn Aeneas wird von Hexen hinters Licht geführt. Angeblich soll er ein neues Troja in der Nähe des Tibers gründen, darum muss er Dido verlassen. Die bringt sich vor lauter Stolz um. So ist das, wenn eine Frau gesellschaftliche Zwänge und Erwartungen über das eigene Gefühl stellt: Sie stirbt.
Was Barrie Kosky mit seinem Frankfurter Doppelabend ("Dido & Aeneas“, „Herzog Blaubarts Burg") zeigen will, sind zwei Arten von Frauenliebe. Immer geht es um Selbstaufgabe: im Falle der Purcell-Oper um Selbstaufgabe als Konsequenz einer apodiktischen Moralauffassung; im Falle der Bartòk-Oper um Selbstaufgabe als Konsequenz einer Projektion, einer Idealisierung.
Denn Bartòk exponiert in seiner Oper „Herzog Blaubarts Burg“ nicht nur die Persönlichkeit des kruden Herzogs Blaubart, sondern er zeichnet auch die Liebe einer Frau nach, die diese einem Mann bedingungslos überstülpt. Judith hat sich unsterblich in Blaubart verliebt, ignoriert Kälte und Finsternis seiner Burg. Sie will hinter die sieben verschlossenen Türen von Blaubarts Burg schauen und verschafft sich Schlüssel für Schlüssel. Und so entdeckt sie peu à peu: eine Folterkammer, Baubarts Waffen, Blaubarts Schatzkammer, einen Garten voller Blumen, allerdings blutige, eine weite strahlende Landschaft, einen Tränensee. Und am Ende: die drei früheren Frauen von Blaubart.
Barrie Kosky baut für dieses Gruseldrama keine Burg auf die Bühne, sondern lässt das Liebespaar auf einer weißen Drehscheibe spielen: Die Burg ist Blaubart selbst. Ihm wächst der Efeu aus dem Anzug, fließen die Tränen aus dem Körper. Mit wenigen, aber effektvoll platzierten Requisiten schafft Kosky einen magischen Realismus, der einen schaudern lässt. Robert Hayward singt diesen Blaubart markig, schroff – so wie er ihn spielt.
Die Burg ist bei Kosky also eine Imago: das unbewusste Bild, das Judith von Blaubart hat. Ein Mann, dessen Abgründe tief verborgen, unentdeckt bleiben sollen. Tür für Tür kommt Judith ihm aber näher: in Frankfurt enttarnt sie so einen gefühlskalten Egozentriker, einen Sadisten. Am Ende wird Judith Blaubarts vierte Frau, auch sie stirbt, weil sie der Liebe als Projektion erliegt und zu viel wissen will.
Die Musik, die Constantinos Carydis für dieses Drama auf die Bühne schickt, ist groß, voluminös, aber immer noch transparent genug, um das Kammerspiel, das Kosky auf die Drehscheibe setzt, nicht zu übermalen. Claudia Mahnke singt die Judith groß, offenherzig, mit Volumen, schön lyrisch – nie hart oder strähnig. Am Ende ist es ihre Show. Barrie Koskys Doppelabend vermittelt sich nicht auf Anhieb, und so gibt seine reduktionistische, etwas spröde Inszenierung einige Rätsel auf, die man sicherlich auf den zweiten Blick lösen wird.
Oper Frankfurt: „Dido and Aeneas“ und „Herzog Blaubarts Burg“