Der Mann, der den Frauen die Hosen anzog

Von Kathrin Hondl |
„Nichts ist schöner als ein nackter Körper“, wusste der Modeschöpfer Yves Saint Laurent. Zwei Jahre nach seinem Tod zeigt jetzt eine große Ausstellung im Pariser Petit Palais die vielen und vielfältigen Kleidungsstücke, die er während seiner über 40-jährigen Karriere für Frauen erdachte.
Alain Chamfort, eine urfranzösische Musikgröße, besingt Yves Saint Laurent. Rechtzeitig zur großen Mode-Retrospektive im Petit Palais lieferte Chamfort eine ganze CD mit Saint Laurent-Chansons und erinnert zum Beispiel an die Laufsteg-Revolution: Yves Saint Laurent zog den Frauen die Hosen an. Oder anders gesagt: „Coco Chanel gab den Frauen die Freiheit, Yves Saint Laurent die Macht“, so Pierre Bergé, sein langjähriger Freund und Partner:

„Saint Laurent hatte bemerkt, dass die Männer die Macht hatten. Indem er den Frauen Männerkleidung anzog, gab er ihnen die Macht. Aber ihm ging es nicht um Androgynität. Er ging subtil vor, um es den Frauen zu ermöglichen, ihre Verführungskünste, ihre Sinnlichkeit und Sexualität zu zeigen.“

Der „Gender Revolution“ aus dem Atelier Yves Saint Laurent ist in der Ausstellung ein großer Saal gewidmet: Safarijacken, Bermudashorts und Yves Saint Laurents erster Hosenanzug aus dem Jahr 1967. Ein Aufreger! Filme spiegeln die Debatten wider, die Saint Laurents Hosenmode auslöste.

Im Zeitalter der Gleichstellungsbeauftragten, der Frauenquoten und Überflieger-Mädchen mag man es kaum glauben, wie erbittert und aufgeregt in den 60er-Jahren des letzten Jahrhunderts darüber diskutiert wurde, ob Frauen Hosen tragen dürfen oder nicht. Auch für den weiblichen Oberkörper entwarf Yves Saint Laurent Männliches: Das Paradestück der Haute Couture-Kollektion des Jahres 1962 ist eine dunkelblaue Matrosenjacke – glamourös garniert mit großen Goldknöpfen. Doch es ging ihm nicht nur um Maskulinität, sagt auch die Modehistorikerin Florence Müller:

„Da ist auch die funktionelle Bedeutung von Arbeitskleidung. Die Botschaft dahinter ist: Eine Matrosenjacke ist schön, weil sie eine Funktion erfüllt. Sie wird überkreuzt geknöpft, damit sie vor Wind und Kälte schützt. Sie ist aus Wolle, um zu wärmen. Diese Jacke ist für etwas gut. Yves Saint Laurent hatte verstanden: Ein Kleidungsstück ist schön, wenn es eine wirkliche Existenzberechtigung hat.“

Aber Yves Saint Laurent wäre nicht Yves Saint Laurent, hätte er sich allein auf funktionale, maskuline Mode beschränkt. So ließ er sich zum Beispiel von der Bildenden Kunst inspirieren und entwarf nicht nur 1965 das berühmte Mondrian-Kleid, sondern eine ganze Reihe von Kunst-Kollektionen: Auch Pop-Art, Picasso, Van Gogh oder Jean Cocteau haben in Yves Saint Laurents Mode sichtbare Spuren hinterlassen. Saint Laurent war immer wieder aufs Neue ein Pionier: der Erste, der Frauen in durchsichtigen Blusen auf den Laufsteg schickte, der Erste, der mit dem Label „rive gauche“ neben der Haute Couture auch Prêt-à-Porter-Mode entwarf, und der Erste, der die frisch emanzipierten Frauen wieder verwirrte und schockierte, als er 1971 seine „Collection 40“ präsentierte: Eine von den Kriegsjahren und dem Kleidungsstil der Pariser Prostituierten inspirierte Mode – mit grün gefärbten Fuchspelzen über Badeanzügen. Ein Skandal.

Die Ausstellung im Petit Palais zeigt die Mode von Yves Saint Laurent wie ein großes rauschendes Fest. Mehr als 300 Kleidungsstücke sind theatralisch zu Musik in Szene gesetzt, an einer schwarzen Wand hängen – schwarz auf schwarz – Dutzende seiner legendären Smoking-Anzüge, auf einer riesigen roten Treppe davor glitzern und glänzen opulente Abendroben. So unterschiedlich die einzelnen Kollektionen auch sind, Saint Laurents Mode folgt einem roten Faden, meint Florence Müller: dem typisch französischen Streben nach Harmonie zwischen extremen Gegensätzen.

„Der französische Geschmack bewegt sich an der Grenze zwischen Barock und Klassik. Bestes Beispiel dafür ist das Schloss von Versailles mit seinen sehr strengen nüchternen Fassaden und reich geschmückten und vergoldeten Innenräumen. Der Spiegelsaal im Kontrast zur Außenfassade."“

Wie auf Versailles ist Frankreich heute stolz auf Yves Saint Laurent und seine Mode. Neben der Retrospektive im Petit Palais erinnern mehrere Bücher, die Chanson-CD von Alain Chamfort und bald auch ein Kinofilm an den letzten großen Couturier. 1958, als der junge Saint Laurent seine erste Kollektion für das Haus Dior vorstellte, hatte das die New York Times bereits erkannt: Saint Laurent, hieß es da, hat das Zeug zum „französischen Nationalhelden“.

Service:
Weitere Informationen zur Ausstellung