Der Maler und die Folter

Von Jörg Taszman · 21.11.2006
Nach "Amadeus" wendet sich Oscar-Preisträger Milos Forman erneut einem Künstler zu: In "Goyas Geister" zeigt er den Maler als stillen Beobachter seiner Zeit und Retter seiner Muse. Forman sieht Goya und seine Zeit als Beispiel für das Handeln von Menschen unter extremen politischen Bedingungen.
Zum dritten Mal nach "Amadeus" und "Valmont" wagt sich Milos Forman an einen Kostümfilm und kehrt dafür nach Europa zurück. In "Goyas Geister" geht es Forman vor allem um das Verhältnis des Künstlers zur Macht. Der Tscheche entdeckte Goya als Maler eher zufällig, als er Anfang der 80er Jahre im Madrider Prado sich ursprünglich die Bilder von Hieronymus Bosch anschaute. Forman sah damals auch die offiziellen Porträts Goyas und die expressiven Zeichnungen des Künstlers, die so gar nichts mit den feierlichen Porträts gemeinsam hatten. Dieser Widerspruch und der Umstand, wie wenig von Goya bekannt war, interessierten den Regisseur.

"Er schrieb nie Tagebuch. Wir wissen also nichts von ihm aus seinen Schriften. Nirgendwo und niemals hat jemand Goya jemals zitiert. Und er war schon zu Lebzeiten berühmt. Man schrieb über ihn und doch ist nicht überliefert, was er zu gewissen Anlässen oder Ereignissen gesagt haben könnte. Er hat sie nie jemandem offenbart, oder seine Meinung geäußert. Da ist diese Diskrepanz zwischen seinen "offiziellen" Gemälden und "unoffiziellen" Zeichnungen. Das muss ihn wirklich innerlich zerrissen haben. Aber Goya gestattete sich als Zuhörer seiner Gedanken nur die Leinwand."

Begegnet man dem über 70-jährigen Milos Forman, der immer noch seine typische Zigarre raucht, dann trifft man auf einen leidenschaftlichen Geschichten- und Anekdotenerzähler. Man ist im Interview fast mehr gefesselt von Formans verbaler Begeisterung für Goya als im Film, wo der von Stellan Skarsgard verkörperte Maler seltsam blass bleibt.

Spannender ist Goyas Gegenspieler, der Mönch Lorenzo, ein Vertreter der Inquisition. Javier Bardem spielt diesen verblendeten Ideologen als einen Überzeugungstäter, der sich später einer ganz anderen politischen Couleur anschließen wird. Milos Forman sieht diese Figur aber sehr ambivalent:

"Er ist ein typischer Fanatiker, weder im bösen noch im guten Sinne. Er möchte etwas Gutes für die Menschheit tun. Wahrscheinlich, weil er über keine anderen Talente verfügt. Er glaubt an seine Lehre und daran, dass die Welt ein besserer Ort wird, wenn man an die Lehre Christi glaubt. Aber die Welt ist niemals besser. Dann findet er eine neue Philosophie, glaubt an sie und kämpft dafür. So ist Lorenzo."

Eine der Kernfragen im Film ist die Folter und was Menschen, die sich nichts haben zu Schulden kommen lassen, gestehen, wenn sie physisch gequält werden. Seit den 50er Jahren hat sich Milos Forman mit diesem Thema beschäftigt und er erzählt vor allem die Geschichte eines politischen Häftlings, der bei den stalinistischen Prozessen in der Tschechoslowakei ins Gefängnis kam und nervlich so zerrüttet war, dass er für sich die Todesstrafe forderte. Dabei hatte man ihm kein Haar gekrümmt. Man ließ den Mann "nur" nicht schlafen.

Und so waren die 50er Jahre und die Tschechoslowakei das erste Samenkorn für diese Geschichte, die indirekt auch autobiografische Bezugspunkte kennt. Forman verlor seine Eltern während des Nazi-Terrors in der Tschechoslowakei.

"Auch die Nazi Zeit war dabei sehr präsent. Meine Eltern wurden ja von den Nazis verhaftet. Und sie waren Protestanten, es ging als nicht um 'Rasse'. Mein Vater wurde aus einem deutschen KZ nach Prag gebracht für seinen Prozess. Aber wir, die Familie, durften an dem Prozess nicht teilnehmen. Mein Vater bekam zwar einen Anwalt, den er jedoch erst im Gerichtssaal kennen lernte. Es gab keine Beweise gegen meinen Vater. Und wie gesagt, zur Zeit der stalinistischen Schauprozesse wurden Menschen verurteilt, die unter Folter gestanden hatten."

Auch wenn Milos Forman seine Triumphe vor allem mit seinen amerikanischen Filmen wie "Amadeus" oder "Einer flog über das Kuckucksnest" feierte, so sind bei Filmliebhabern und in seiner Heimat die tschechischen Filme unvergessen. Dort feierte Forman auf ironisch liebevolle Weise den Alltag einfacher Menschen wie in "Feuerwehrball" oder erzählte von den Träumen der Jugend in der sich öffnenden Tschechoslowakei. Warum hat Forman in den USA dann stilistisch einen ganz anderen Weg eingeschlagen?

"So zu filmen wie in der Tschechoslowakei, dafür muss man Muttersprachler sein, in dem Land lange leben. Wenn ich in die Kneipe gehe und nicht jedes Wort verstehe, was sie dort sagen, dann habe ich nicht das Recht, einen Film über sie zu machen. Ich konnte in den USA keine Filme auf á la tchèque also auf 'tschechisch' machen. Genauso lächerlich ist es, wenn die Tschechen oder andere Europäer einen Film auf die Hollywood-Art machen. Das war der Hauptgrund, warum ich nicht versuchte, meine tschechische Handschrift zu bewahren. Ich könnte auch als Autor auf Englisch nur bedingt funktionieren. Ich bin ja mit dieser Sprache nicht groß geworden. Also suchte ich nach Material und Büchern von englischsprachigen Autoren."

Leider liegen zwischen den einzelnen Filmen von Milos Forman immer mindestens 4 Jahre, so dass er bisher in 43 Jahren nur 12 Filme drehte. Nach Berlin kommt Forman immer gern, hat er hier doch einen Silbernen und einen Goldenen Bären gewonnen.

Forman wäre aber nicht Forman, wenn er das nicht anhand einer weiteren Anekdote verdeutlichen würde. Und so erzählt er eine wüste Geschichte von den zwei Edelmetall-Bären, die bei ihm zu Hause auf einem Sims stehen, seinem Hund und einem Vogel. Man könnte diesem Mann einfach stundenlang zuhören.