Der letzte Dreck

20.06.2011
Die Autoren untersuchen, wie die mediale Herstellung und Darstellung einer totalverblödeten Unterschicht funktioniert. Brillante Analyse, polemische Anklage und undifferenziertes Geraune gehen in ihrem Buch bruchlos ineinander über.
Generation doof. Die verblödete Republik. Hummeldumm. Wie steht es um ein Land, dessen Bestseller die eigene Unfähigkeit zum Thema haben? Eher schlecht, so konstatieren es auch die Autoren Georg Seeßlen und Markus Metz in ihrem neuen Buch "Blödmaschinen. Die Fabrikation der Stupidität."

Blödheit ist für die Autoren eine Kombination aus Dummheit und Benommenheit, die verhindert, aus dem, was passiert, die richtigen Schlüsse zu ziehen. Blödmaschinen sind als eine Art Interface zwischen Mensch und Welt zu verstehen, die dem Menschen die Arbeit abnehmen, sich selbst über die Welt ein Urteil zu bilden. Die Analyse der BILD-Zeitung als "Mutter aller Blödmaschinen" ist so bissig wie luzide. Die Beschreibung weiterer Blödmaschinen – vom Politspektakel übers Fernsehen hin zum Internet – gerät diffuser. Die Autoren untersuchen Felder wie das der "Postdemokratie", verstanden als Politainment, dessen inhaltsfreie Spektakel nur dem Machterhalt dienen. Sie beschreiben das strukturidentische Aufkommen der "Postpersönlichkeit", die bestimmt ist durch den Verlust innerer Grenzen und Leitlinien.

Doch vor allem geht es, so die Autoren, um die mediale Herstellung und Darstellung einer neuen, tendenziell totalverblödeten Unterschicht, der von Analogkäse über Discounttextilien hin zu höhnischer Lebenshilfe noch der letzte Dreck verkauft werden kann. Geschuldet sind diese sozialen Auflösungserscheinungen laut Metz und Seeßlen der neoliberalen Gleichschaltung von Politik und Ökonomie, dem damit einhergehenden Verschwinden des bürgerlichen Subjekts und der zunehmenden Unmöglichkeit, ein Außerhalb der gegenwärtigen Verhältnisse zu denken.

Denn diese werden durch die verschiedenen Blödmaschinen erzeugt, die alle Formen der Kritik ausschließen und die Welt zu einem Brei aus Geschwätz machen, das unablässig und auf allen Kanälen wiedergekäut wird. Unterhaltung als Horrorshow, deren Inhalt mehr und mehr die "Erzeugung, Vorführung und symbolische Schlachtung menschlicher Opfer" darstellt – vom Flutopfer in Pakistan bis zum Kandidaten bei DSDS. Ein Mensch, der in eine Blödmaschine gerät, kann "weder den eigenen sozialen Ort scharf erkennen, noch ein gemeinsames Interesse mit anderen suchen". Selbstschöpfung und Selbstbemächtigung rücken in immer weitere Ferne, und der eigene Alltag wird zum unüberwindlichen Hindernis - wenn nicht die "Supernanny" oder "Der Schuldenberater" helfend eingreifen. Am Ende dieser medialen Entmündigung steht der "Verlust des Vertrauens in die eigene Würde". Was tun? Die Autoren zitieren Hannah Arendt: "Die Revolte beginnt damit, das eigene Leben (zurück) zu fordern."

Klare Worte dies, immerhin. Doch bis dahin wird der Leser in 780 prall gefüllten Seiten vom Hölzchen aufs Stöckchen geschleppt, wobei brillante Analyse, polemische Anklage und undifferenziertes Geraune bruchlos ineinander übergehen. Die obszöne Totalität einer blödmaschinenenvermittelten Wirklichkeit führt bei Metz und Seeßlen zu einem ebenfalls obszönen Exzess an Kritik. So wird die Inventur des Schreckens zum Schrecken der Inventur. Und das ist leider auch ziemlich blöd.

Besprochen von Ariadne von Schirach

Markus Metz und Georg Seeßlen, Blödmaschinen. Die Fabrikation der Stupidität
Suhrkamp Verlag, Mai 2011
780 Seiten, 25 Euro