Der Kunstkontakter

Von Bettina Ritter · 28.09.2006
Im Berliner Kunstbetrieb fällt seit einigen Monaten ein Mann mit einem knallroten Helm besonders auf. Konstantin Schneider ist nahezu bei jeder Ausstellungseröffnung dabei und hält mit seiner Digitalkamera alles fest. Seine Bilder und Interviews stellt er ins Internet mit dem Ziel, Kunst für jedermann zugänglich zu machen.
"”Ich nutze gern die Phasen, wo ich als einer der ersten ankomme, wo ich vielleicht nen guten, freien Blick auf die Kunst habe, das ist ja manchmal, wenn es so viele Leute gibt, nicht gleich möglich. Und danach lege ich schnell ne Pause ein, und guck dann noch mal auf den Zettel, was es so alles gibt.""

Konstantin Schneider - 47 Jahre, graue Haare, schwarze Kleidung - steht im Ausstellungsraum einer kleinen Galerie in Berlin-Mitte. Auf dem Boden liegen wie zufällig hingestreut grüne und weiße Plastikfolien, darauf wachsen echte Wiesenblumen und Gräser. Auf Schneiders Kopf sitzt ein feuerroter Bauhelm, darauf montiert: eine Digitalkamera. Konzentriert schlendert er von Installation zu Installation, geht nah an ein Objekt heran, macht Detailaufnahmen.

"Der Kunstkontakter ist Mitte Februar spontan geboren worden. Da hab ich mir halt gesagt, ich könnte jetzt losziehen und versuchen mal zu gucken, ob das ankommt, wenn ich das mache. Am Anfang kannte mich niemand. Und da habe ich es wert geschätzt, dass ich wohin gehen kann und mit meiner Kamera von unten relativ diskret meine Eindrücke aufzeichne."

Inzwischen ist es vorbei mit der Anonymität. Der feuerrote Helm hat ihn bekannt gemacht. Absichtlich übernimmt er die Rolle des Paradiesvogels, sagt Schneider. Auf diese Weise traue er sich selbst, einem Künstler mal eine "schrille" Frage zu stellen. So überraschte er auch den Maler Norbert Bisky, den er auf dessen Vernissage unangemeldet mit seiner Kamera überfiel.

Schneider: "Hallo Herr Bisky, ich wollte gerade zu Ihnen reinkommen."
Bisky: "Hallo"
Schneider: "Die Ausstellung trägt den Titel ‚Es tut mir so leid’. Es würde mich interessieren, was Ihnen so besonders leid tut."
Bisky: "Ach, eigentlich alles. Das wollte ich schon immer mal sagen."

Nicht alle Künstler lassen sich von ihm überrumpeln. Schneider lebt mit dem Risiko der Ablehnung.

"Das stellt sich immer schnell heraus, weil, entweder habe ich so ne positive Ausstrahlung, dass sie sagen, hallo, bin ich zwar nicht drauf vorbereitet, aber lass ich mich trotzdem gerne mal drauf ein, und manche sagen natürlich auch, dass sie es doch lieber nicht machen würden. Das ist für mich völlig okay."

Die kurzen Filme, oft nur wenige Minuten lang, stellt Schneider auf seine Internetseite. Unkommentiert. Jeder soll sich sein eigenes Bild machen. Dabei merkt man seinen kleinen Dokumentationen das Laienhafte an. Die Kamera wackelt häufig, der Ton ist leicht verzerrt. Trotzdem: Mit einem Mausklick bringen sie die hauptstädtische Kunstszene zu jedem interessierten Computerbesitzer, sagt Schneider begeistert und schiebt seine rote Brille ein Stückchen höher.

"Im Internetzeitalter war mir natürlich daran gelegen, Berlin als Kunststandort rüberzubringen, gut rüberzubringen. Ich meine, jeder, der heute seinen Heimatkontinent verlassen hat, kann sich vorstellen, dass jenseits der Ozeane Leute sich vielleicht dafür interessieren."

Schneider wuchs im niedersächsischen Braunschweig auf. Eigentlich wollte er nach der Schule Grafikdesign studieren, dann verschlug es ihn aber erst einmal nach Berlin. Hier arbeitete er zunächst als Schauspieler am Theater.

"Ich bin verdammt, kreativ tätig zu sein. Immer so gestalterische Prozesse, die haben mich interessiert. Erst bin ich in den Fremdsprachenbereich abgedriftet, später habe ich dann an der Hochschule der Künste Kommunikationswissenschaft studiert, und war dann auch wieder nah an der Werbung dran."

Heute gestaltet Schneider Webseiten für das Internet. So kann er es sich leisten, seinen Berliner Kunstkontakter ehrenamtlich zu betreiben. Geld bringt das Projekt nämlich noch nicht ein. Seine Leidenschaft für die Kunst entdeckte er vor 25 Jahren. Auslöser war ein Gelegenheitsjob im Museum. Seitdem hat ihn die Kunstszene nicht mehr losgelassen.

"Ich habe mittlerweile einen Erfahrungsschatz, wann was wirklich Aussicht auf Erfolg hat, wann was bleibt, was viel zu unreflektiert gehypt wird und was nicht."

Schneider besucht im Durchschnitt fünf Vernissagen pro Woche, in Hochzeiten können es auch vier an einem Tag sein. Über die Veranstaltungen informiert er sich im Internet. Am Anfang hatte er noch mit Schwellenängsten zu kämpfen, gesteht er. Aber das ist vorbei.

"Ich glaube aber, dass der Kunstbetrieb insgesamt doch langsam viel dazu lernt und jetzt auch eingesehen hat, dass er sich selbst schadet, wenn er das als eine Art von Prinzip beibehält, Schwellenängste zu fördern."

Wie es mit dem Berliner Kunstkontakter weitergeht, weiß Schneider noch nicht. Vielleicht werde er selbst ja zur eigenständigen Kunstfigur. Sagt es, schaltet seine Kamera an, setzt den roten Helm auf und schlendert weiter durch die Ausstellung.

Service: Auf der Internetseite www.berlinerkunstkontakter.de kann man alle Filme, die Konstantin Schneider bei Vernissagen gedreht hat, ansehen.