Der krisenfeste Oberpfälzer

Von Christoph Gehring · 23.01.2009
Aus welchem Grunde auch immer gelingt es dem Oberpfälzer, für alle Zeiten gewappnet zu sein. Wenn es eng wird, kommentiert ein kenntnisreicher Psychologe, wächst der Oberpfälzer geradezu über sich hinaus, fordert die Krise bis aufs Äußerste heraus, um ihr dann mit stoischer Gelassenheit die Stirn zu bieten.
Maier-Scheubeck: "Ja, wie soll man das erklären? Der Oberpfälzer per se kennt die Not – zumindest genetisch. Also früher war das kein reicher Landstrich, es ist sicher auch heute noch kein reicher Landstrich. Gleichwohl behaupte ich, dass die Menschen hier zufriedener sind als in anderen Regionen. Dieser grundsätzliche Optimismus, ohne euphorisch zu werden, dieses Suchen der einfachen Glücksmomente, das Verzichten auf Statussymbole – das ist irgendwie in dem Oberpfälzer drin."

Sich der Oberpfalz und den Oberpfälzern und ihrem oberpfälzischen Wirtschaftswunder zu näher, dauert. Vor allem, wenn man beim Nachdenken über die Oberpfalz, die Oberpfälzer und ihr oberpfälzisches Wirtschaftswunder erstmal in die Ferne schweift und von weit her einen Vergleich holt.

Birkenbihl: "Nehmen Sie doch Südindilen, Kirala: Die haben früher Gewürze angebaut und sind heute die Computerhochburg der Welt. Ist genau dasselbe. Da hätt’ man es auch nicht erwartet. Das ist da, wo der Pfeffer gewachsen ist bisher, wissen Sie? Das funktioniert weil ein paar Leute mit einer Vision dort gewesen sind, die regional was bewegen."

Vera F. Birkenbihl ist Managementtrainerin, Lernlehrerin und Buchautorin. Und sie residiert ziemlich weit weg von der Oberpfalz, in einem gehobenen Wohngebiet der Stadt Osterholz-Scharmbeck bei Bremen. Bis nach Regensburg sind es von hier aus fast 700 Kilometer Autobahn. Aber Vera F. Birkenbihl ist die Richtige, wenn es ums Lernen geht. Und Krisenzeiten sind Zeiten des Lernens. Wenn also eine Gegend wie die Oberpfalz der Krise erst einmal erfolgreich Widerstand leisten kann, scheinen sie dort etwas gelernt zu haben.

Birkenbihl: "Es wurde in Bayern eine Zeit lang ziemlich viel richtig gemacht, vor 20 Jahren. Und diese Weichenstellungen, davon profitieren die Bayern noch heute. Aber was wir in den letzten Jahren hatten, das war ja keine Regierung. Ich meine … Ja? Der Stoiber hat nicht schlecht regiert, er hat das Erbe, das er übernommen hat, gut verwaltet und hat dafür gesorgt, dass Weichenstellungen eingehalten wurden. Und deswegen haben sie ihn auch gemocht. Er war ein guter Landesvater, auch wenn er nicht immer frei sprechen konnte."

Also wie ist das nun mit der fernen Oberpfalz und der nicht so fernen Krise? Vera F. Birkenbihl lehnt ihren Leib im Sessel zurück und denkt kurz nach. Dann greift sie zu Zeichenblock und dickem Filzstift und malt das Problem einfach mal auf.

Birkenbihl: "Machen wir doch mal ein Wortbild zur Krise, einverstanden? Wir fangen also an mit dem K, dem R, dem I, dem S und dem E. Und jetzt assoziieren wir: Was fällt uns dazu ein? So! Bei K denke ich zuerst mal an 'Komplexität': Eines der Hauptprobleme von Krisen ist, dass man nicht begreift, dass sie komplex sind. Wir haben das R: Wir müssen und fragen, welche Ressourcen haben wir? In Deutschland sind die größten Ressourcen in den Köpfen unserer Menschen. I ist die Intelligenz: Wir halten Intelligenz für etwas, womit man geboren wird und daran kann man nix ändern. Ich predige aber das Konzept von Perkins, der von der 'lernbaren Intelligenz' spricht. Und das erkläre ich jetzt nicht im Detail, aber wichtig ist nur: 1-2-3. Den Faktor 2 und 3 können wir verändern, der Faktor 1 ist angeboren. Ich habe also zwei Drittel, an denen ich selber selbstverantwortlich drehen kann. 2 ist: Je mehr ich weiß, desto leichter lerne ich Neues. 3 ist: Mit welchen Techniken gehe ich vor? Mit der besseren Technik werde ich intelligenter. Dann haben wir das S, das steht für 'Sinn'. Wir müssen auch die Sinnfrage stellen, ja? Welchen Sinn macht es zum Beispiel, sterbende Industrien kurzfristig zu stützen mit Steuergeldern, die wir theoretisch hätten in die Bildung stecken können? Das heißt, wir denken nicht wirklich über den Sinn nach dessen, was wir tun. Sondern jetzt ist Wahljahr und jetzt wird ausgeteilt, damit … Naja. Ist das der Sinn? Und E ist die Entwicklung: Jede Krise hat eine Entwicklung. Und wenn wir dann weiterdenken, über den Horizont hinaus, im Chinesischen, das haben Sie sicher schon gehört, bedeutet das Wort 'Krise' aus zwei so Legosteinen zusammengesetzt, aus zwei einsilbigen Wörtern: Das eine heißt 'Gefahr', das andere 'gute Gelegenheit'. Es gibt keine Krise ohne Chancen. Wenn wir in ein neues Zeitalter eintreten, eine neue Epoche, dann haben wir davor immer turbulente Zeiten. Und die haben wir derzeit. Und turbulente Zeiten sind immer Zeiten, in denen viel bereinigt wird, in denen viel durcheinandergewürfelt wird und in denen Leute, die eigentlich keine Chance gehabt hätten, doch eine Chance haben, weil es turbulent ist. Und wir sind noch turbulent. Wenn Sie beispielsweise mit einem Flugzeug in den Mach1 reinfliegen, dann haben Sie davor solche Turbulenzen, dass man bei früheren Flugzeugen Angst hatte, die fallen auseinander. Und wenn Sie Mach1 durchstoßen haben, dann fliegt das ganz ruhig. So, jetzt ist es genau so: Wir sind am Ende einer sehr heftigen Turbulenz. Jetzt gibt es keine Garantie, dass wir rauskommen, wir können noch mal einen Strudel haben, noch mal fünf, sechs Jahre rumwirbeln. Wir können aber auch in zwei Jahren durchsegeln und haben dann wieder eine ruhigere Phase vor uns. Und das meine ich, dass das kommt."

Dann setzt sich Vera F. Birkenbihl ans Keyboard und verabschiedet den Besucher mit Musik. Auf in die Oberpfalz.

Das Zentrum der Oberpfalz ist Regensburg, die Bezirkshauptstadt. Ein stolzes Gemeinwesen, Bischofssitz seit 739. Hervorgegangen aus einem Römerlager, aufgestiegen zur Freien Reichsstadt, widerwillig dem Königreich Bayern zugeschlagen, immer stolz und selbstbewusst geblieben. 150.000 Einwohner hat Regensburg heute, 130.000 Arbeitsplätze, eine der schönsten Altstädte Deutschlands und eine Industrie- und Handelskammer. Die wiederum hat einen Hauptgeschäftsführer, der eigentlich aus Köln stammt, aber Oberpfälzer ehrenhalber ist. Dr. Jürgen Helmes ist stolz auf dieses Regensburg, die Oberpfalz und die selbstbewussten Eingeborenen.

Helmes: "Also der Scheidinger, unser Oberbürgermeister, hat am Freitag beim Jahresempfang Aventinus zitiert – 450 Todestag von Aventinus! – und dann hat der gesagt: 'Und der hat ja schon über Regensburg geschrieben und lassen Sie mich festhalten: Regensburg ist die Mutter aller Städte!' Das ist ein bisschen so, ein bisschen so die Art, wie er das Selbstbewusstsein, also die Leute sind wahnsinnig selbstbewusst hier. Die Regensburger sowieso, weil Regensburg wirklich die Metropole – das klingt jetzt ein bisschen lächerlich, aber – weil Regensburg das Zentrum Ostbayerns ist. Da kommt ja nix mehr. Da ist noch Passau, da ist noch Deggendorf, da ist noch Straubing – das ist alles kleiner. Tolle Städte, schöne Städte auch, gerade Passau. Aber Regensburg ist die Metropole, was die wirtschaftliche Entwicklung, was die kulturelle Entwicklung, was die Hochschulentwicklung angeht. Regensburg ist die Metropole in Ostbayern."

Wenn Jürgen Helmes in seinem großen Hauptgeschäftsführerzimmer sitzt, dann sprühen Stolz auf das Erreichte und Zuversicht für die Zukunft aus jedem Knopfloch seines dreiteiligen Anzugs. Beinahe Vollbeschäftigung haben sie hier – noch. Immerhin hat BMW für die 10.000 Mitarbeiter in seinem Regensburger Werk Kurzarbeit angemeldet. Ein bisschen weiter nördlich, irgendwo im dunklen Wald, hat Rosenthal gerade Insolvenz angemeldet. In Wackersdorf, eine halbe Stunde von Regensburg entfernt, wackelt der Innovationspark für die Automobilzulieferer, weil die Löhne ein paar Kilometer weiter, in Tschechien, eben doch noch niedriger sind als in der Oberpfalz. Jaja, sagt Jürgen Helmes. Alles richtig. Aber wenn’s eng wird, dann beißt der Oberpfälzer eben die Zähne zusammen und sagt sich: Jetzt erst recht!

Helmes: "Diese Jetzt-erst-recht-Mentalität, die ist, glaube ich, hier in Ostbayern den Menschen regelrecht in die Wiege gelegt. Ich kann Ihnen auch erklären warum: Weil eben Ostbayern in Deutschland viele Jahre lang am Rand des Eisernen Vorhangs in der Grauzone war. Da fuhr keiner hin, das war das Armenhaus Deutschlands oder sogar Europas. Und dieses "Jetzt erst recht!" hat dazu geführt, dass Ostbayern da ist, wo es heute ist, nämlich der am stärksten prosperierende Wirtschaftsraum, zumindest in Bayern. Und ein Wirtschaftsraum, der aus der aktuellen Krise, wie wir meinen, eher gestärkt als geschwächt hervorgehen wird."

Schon alleine deswegen, sagt Jürgen Helmes, weil da ja noch der erfolgreiche, Oberpfälzer Mittelstand sei – und der sei pumperlgesund.

Helmes: "In der Oberpfalz haben wir keine strukturelle Krise zu befürchten. Und man darf dann nicht unterschätzen: Die großen Arbeitgeber sind, wenn man jetzt mal von BMW, Infineon und Siemens absieht, das sind alles Unternehmer, die sich vor 20, 30, 35 Jahren in der Region selbständig gemacht haben und Riesenunternehmen aufgebaut haben. Das ist Krones hier, Herr Kronseder, Weltmarkführer: Jede zweite oder dritte Flasche auf der Welt, die verschlossen wird, wird verschlossen auf Maschinen, die hier in Regensburg gebaut wurden oder entwickelt wurden. Ich hab mir in China da die Produktion angeschaut, da in Tsingtao, das ist die größte Bierbrauerei da – alles Krones-Maschinen, das ist der Irrsinn. Das sind also große Unternehmen, der Zöllner in Cham, und so weiter, die als Unternehmer in der Region geblieben sind und hier auch Arbeitsplätze geschaffen haben."

Mag draußen auch der Sturm der Krise toben – in der Oberpfalz kommt zurzeit offiziell höchstens eine Brise an. Der früher bitterarme Landstrich, dessen Bewohnern man nachsagte, sie lebten im Sommer von Touristen und im Winter von Baumrinde, habe nach dem Ende des Bergbaus, nach dem Tod der Schwerindustrie aus seinen Krisen gelernt, sagt Jürgen Helmes, und sich krisenfest gemacht. Oberpfälzer Unternehmergeist macht’s möglich.

Helmes: "Also es gibt bei den Industrie- und Handelskammern auch glückliche und weniger glückliche Kollegen. Glücklich ist der, der mit Unternehmern zu tun hat und eben nicht nur mit angestellten Managern."

Und es ist Jürgen Helmes anzusehen, dass er sehr glücklich ist.

Bauarbeiten sind immer ein gutes Zeichen. Wer an- und ausbaut, hat Geld und keine Angst vor der Zukunft. In der Falkensteinstraße zu Regensburg wird kräftig gebaut: Die Maschinenfabrik Reinhausen braucht – wieder einmal – mehr Platz. Seit 140 Jahren gibt es die Firma und wenn man nach dem Weg durch die Baustelle und die Kantine im Zimmer des Chefs sitzt, sagt der einem, dass es während der ganzen Firmengeschichte noch niemals betriebsbedingte Entlassungen gegeben hat. Nicolas Maier-Scheubeck sagt das mit dem oberpfälzischen Dialekt, den er mindestens so stolz vertritt wie das Hauptprodukt seiner Firma: Stufenschalter. Ein kompliziertes Produkt, das nie jemand sieht. Bei abgeschaltetem Mikrofon dauert die Erklärung etwa zehn Minuten. Mit angeschaltetem Mikrofon geht es etwas schneller.

Maier-Scheubeck: "Also das ist eine lange Geschichte. Wenn Sie’s druckreif noch brauchen, dann sag ich noch mal einfach ganz kurz: Also der Stufenschalter ist das automatische Getriebe für einen Großtransformator, wie er in den Umspannwerken vor den Stadtgrenzen steht. Und der sorgt dafür, dass der Transformator und alle nachfolgenden, stromverbrauchenden Endgeräte immer im Rahmen der vorgegebenen Nennspannung betrieben werden können, unabhängig davon wie die Lastverhältnisse im Netz tatsächlich sind."

Kein besonders erotisches Produkt also, aber ein krisenfestes, mit dem sich 430 Millionen Euro Jahresumsatz machen und außer den Eigentümerfamilie auch noch mehr als 2000 Mitarbeiter ernähren lassen.

Maier-Scheubeck: "Damit kann man Weltmarkführer werden, weil das ist eine ganz enge Nische der Hochspannungstechnik, die ein sehr, sehr tiefes Verständnis der Materie erfordert. Der Weltmarkt für diese Stufenschalter ist vielleicht in der Größenordnung von sagen wir mal 30.000 Stück im Jahr. Da braucht man nicht hunderte von Firmen, die sowas herstellen. Aber es ist eine Nische, die zu den besonderen Fertigkeiten der Deutschen möglicherweise in besonderer Weise passt, weil es sehr viel auf Perfektion, auf Genauigkeit, auf Langlebigkeit ankommt. Es ist ein typisches Ingenieursprodukt."

Und eines, das vielleicht nicht zwingend typisch ist für die Oberpfalz, das aber mit seiner weitgehenden Unbekanntheit, der Stille seiner Existenz und seiner Spitzenqualität gut zu den Oberpfälzern passt, findet Nicolas Maier-Scheubeck.

Maier-Scheubeck: "Der Oberpfälzer ist ein sehr ernsthafter Mensch, der sich über sehr lange Zeit einer Sache sehr intensiv widmen kann. Der ist vielleicht nicht der allergesprächigste und der allergeselligste, aber er ist der allerverlässlichste. Und das passt wiederum alles sehr gut zu diesem Produkt."

Irgendwie passt auch Nicolas Meier-Scheubeck, der bekennende Oberpfälzer, gut dazu: Außen trägt er einen Janker, ein blau-weiß kariertes Hemd und eine Hornbrille, innen trägt er offensichtlich eine große Gelassenheit mit sich und die Gewissheit, dass es daheim, in der Oberpfalz, doch am Besten ist.

Maier-Scheubeck: "Ja, ich hab Betriebswirtschaft studiert und da war zu meiner Zeit – das war ja schon im letzten Jahrtausend sozusagen – war natürlich Köln das non plus ultra. Und dann habe ich mir gedacht als einfacher BWL-Student aus der kümmerlichen Oberpfalz, da gehst nach dem Vorstudium gehst zum Hauptstudium nach Köln. Und wir hatten in Regensburg praktisch für jeden Studenten der Betriebswirtschaft, der sich für EDV interessiert hat, einen eigenen Olivetti-PC. Das waren also, sag ich mal, hundert. Und die hatten damals, was weiß ich? 20.000 oder 10.000 BWL-Studenten und hatten für alle diese BWL-Studenten einen Olivetti-PC. Also das war dann schon ein bisschen ernüchternd, ne?"

Und so kehrte Nicolas Maier-Scheubeck in die Heimat zurück. Eine Heimat, deren Böden zwar karg sind, was ihr den Beinamen "Steinpfalz" einbrachte, wegen der steinigen Äcker, die aber nach einer gewissen Zeit des Keimens auch Menschen aus der Fremde Wurzeln schlagen lässt. Nicolas Maier-Scheubeck hat "Heimat" sogar zum Führungsprinzip gemacht:

Maier-Scheubeck: "Der Heimatbegriff ist aus meiner Sicht in der Unternehmensführung ein unterschätzter. Man muss eine innere Beziehung, die auf Dauer angelegt ist, dazu finden. Und das kann man auch als Hinzugezogener. Vielleicht wenn man es auf die Stadt Regensburg bezieht: Ein bürgerschaftlicher Geist, der sich durch die Freie Reichsstadt über Jahrhunderte den Menschen eingeprägt hat, der es dann vielleicht sogar Leuten aus Berlin leicht macht, hier anzudocken, weil diese Geisteshaltung, ich sag mal: Liberalität mit stark konservativem Anstrich würde ich’s mal nennen, hier da ist. Das passt vielleicht eher zu dem Preußischen. Die Leute erwarten dann aber auch im Umkehrschluss von dem Unternehmen etwas, das diesen Heimataspekt unterstreicht. Wir versuchen immer, neue Gebäude, die errichtet werden müssen, noch auf dem vorhandenen Grund unterzubringen. Nicht, weil wir zu knickrig wären, ein neues Grundstück zu erschließen, sondern weil einfach die Kürze der Wege ein enormer Vorteil ist. Es ist einfach ein Riesenvorteil. Wenn in der Produktion, bei der Montage, zwei Teile nicht zusammenpassen, die eigentlich zusammenpassen müssten, dann ruft man den zuständigen Konstrukteur an und der geht zwei Treppenstufen runter und steht vor dem Problem, ja? Dann schau dir mal an, was du da konstruiert hast. Da spielen dann natürlich solche Dinge eine Rolle, wenn man sagen kann: Wir sind schon seit 140 Jahren hier und die größte Bewegung, die wir mal gemacht haben, sind innerhalb eines Ortsteils zwei Straßenzüge. Das führt dann natürlich dazu, dass dieses heimatliche Moment gestärkt wird."

Mit dem beruhigenden Gefühl, dass in der Oberpfalz einfach alles zum Besten steht, geht der Besucher wieder hinaus durch die Baustelle, die für das oberpfälzische Wirtschaftswunder steht. Man hätte ja gerne mal was Kritisches gehört, um auch was Kritisches berichten zu können. Kritik am Oberpfälzer Kapitalismus im Trachtenjanker könnte von der Gewerkschaft kommen. Kommt sie auch, aber doch eher verhalten. BMW hat halt gerade ein Problem: Der Absatz ist eingebrochen, deswegen wird in Regensburg kurzgearbeitet. Und die Zulieferer, die im nahen Wackersdorf die Sitze für die Boliden aus Bayern entwerfen und bauen, die werden vom Konzern gerade gedrängt billiger zu produzieren. Und billiger heißt in der Oberpfalz: Auf der anderen Seite der Grenze, in Tschechien.

Scholz: "Sehen Sie, BMW ist wie ein scheues Reh. Und es wird immer dort grasen, wo die Wiesen am grünsten sind und am saftigsten. Und wenn ich durch Fertigung an anderen Stellen mehr Gewinn, mehr Profit machen kann, dann wird das auch BMW tun. Hier unterscheidet BMW nix von irgendwelchen anderen Herstellern oder anderen Firmen. I denk da geht’s ums Geld, da geht’s knallhart um Geld. Und ob das in Bayern stattfindet oder in Tschechien oder sonstwo in der Welt, rückt immer weiter in den Hintergrund – auch bei BMW."

Jürgen Scholz, der 1. Bevollmächtigte der IG Metall für Regensburg und die Oberpfalz, sitzt in seinem hellen, edel möblierten Büro auf einem weißen Ledersessel und versucht den Eindruck zu korrigieren, dass die Oberpfalz das Land sei, in dem Milch und Honig fließen und den Menschen gebratene Tauben in den Mund fliegen.

Scholz: "Ja, es gibt auch in der Oberpfalz Sozialhilfe- beziehungsweise Hartz-IV-Empfänger, es gibt auch dort, es gibt auch in Regensburg Stadtteile, wo man merkt, dass hier auch Menschen leben, die nicht auf der Sonnenseite leben. Und viele kommen aus solchen Verhältnissen, die eben ärmlich waren. Auch die Eigenheimdicht, ich denke das wäre mal interessant, die zu messen, wie hoch die im Raum Regensburg ist, aber ich denk’ mal nicht unbedingt höher als in Oberbayern."

Immerhin liegen Regensburg und sein Umland bei der Zahl der Wohnungsneubauten ziemlich weit vorne. Ein gutes Zeichen dafür, dass Wohnungen gebraucht werden, weil Menschen hier hin wollen, weil sie hier etwas finden, das anderswo wohl fehlt: Viel Landschaft, mehr Ruhe und eben Arbeit in einem der erfolgreichen mittelständischen Unternehmen der Oberpfalz, die ausdrücklich und ausführlich zu loben sich natürlich auch der Gewerkschaftssekretär Jürgen Scholz nicht nehmen lässt.

Scholz: "Diese Unternehmen, die gut dabei sind, da muss man nur mal fragen: Was habt ihr in den letzten Jahren für Patente zur Anmeldung gebracht? Und dann sieht man auch, das ist die Innovationsfähigkeit, die in diesen Betrieben ist. Es ist irgendwann die richtige Geschäftsidee gewesen – wobei das natürlich auch Zufall sein kann – aber dann dieses Voranbringen durch Innovationen, durch pfiffige Ideen, das hat die Firmen stark gemacht."

Dass diese Oberpfälzer von sich und ihrem Wirtschaftswunder so begeistert sind, kann natürlich mit der besonderen Psychologie unterschätzter Volksstämme zu tun haben, die etwas nachholen müssen.

Aber die schönere, die in diesen Zeiten Hoffnung stiftende Theorie ist die: Von der Oberpfalz lernen, heißt einfach siegen lernen. Oder, um es mit Vera F. Birkenbihl zu sagen:

"Oberpfalz – Gott erhalt’s!"