Der Komponist Frederick Delius und seine Oper "A Village Romeo and Juliet"

Paradiesische Gärten

Die Cellistin Jacqueline du Pré und der Pianist Daniel Barenboim beim Notenstudium
Ein Fall für zwei: Die Musik von Frederick Delius faszinierte die Cellistin Jacqueline du Pré (1945-1987) ebenso wie ihren damaligen Ehemann Daniel Barenboim © David Farrell
Gast: Jens Malte Fischer, Publizist; Moderation: Olaf Wilhelmer · 13.05.2018
Frederick Delius schrieb eine Musik der Natur, verwandelte Impressionen in zarte Klänge. Doch der britisch-deutsche Komponist hatte auch ein Gespür für Literatur und Philosophie. Auf den Bühnen kaum gespielt, im Aufnahmestudio beliebt: ein ungewöhnlicher Fall!
Die Musikgeschichte ist voller kurioser Figuren, aber Frederick Delius ist sicherlich eine der wunderlichsten von ihnen. Er war Engländer mit deutschen Wurzeln, lebte in Frankreich und sehnte sich nach Norwegen. Er bevorzugte luftige, leichte Musik und wurde doch zum Musikdramatiker, der immerhin sechs Opern komponierte. Im Gegensatz zur optimistischen Grundhaltung vieler seiner Werke litt er in seinen letzten beiden Lebensjahrzehnten an den Folgen einer Syphilis-Erkrankung; er war gelähmt und schließlich blind, benötigte einen Assistenten zur Vollendung seiner späten Werke.

Orientierung auf der Orangenfarm

Die Eltern, wohlhabende Tuchhändler, waren aus Bielefeld nach England ausgewandert, wo Delius 1862 geboren wurde – im selben Jahr wie Claude Debussy. Der Vater lehnte die musikalischen Neigungen des Sohnes ab und schickte ihn als Verwalter auf eine Orangenplantage in Florida. Mit gegenteiligem Effekt: Delius, zeitlebens ein Liebhaber alles Schönen und aller Frauen, verhalf dort nicht nur einer Afroamerikanerin zum Mutterglück, sondern verliebte sich auch in die Musik der Afroamerikaner, die er in seinen Werken aufgriff. Nach dem amerikanischen Intermezzo durfte er in Leipzig doch noch Musik studieren, wo er sich mit Edvard Grieg anfreundete. Anschließend ging er nach Paris und machte Frankreich zur Wahlheimat. Seine intensive Auseinandersetzung mit der Malerei – zu Delius‘ Bekanntenkreis zählten auch Paul Gauguin und Edvard Munch – führte zur Heirat mit der deutsch-französischen Malerin Jelka Rosen.

Nordische Neigungen

Deutsche Wurzeln und skandinavische Vorlieben erscheinen in etlichen von seinen Werken, vor allem in den beiden herausragenden Opern "Fennimore und Gerda" (nach Jens Peter Jacobsen in deutscher Sprache vertont) und "A Village Romeo und Juliet" (nach Gottfried Kellers Novelle "Romeo und Julia auf dem Dorfe" in englischer Sprache vertont). Delius‘ Musik, einst vor allem in Deutschland erfolgreich, wird heute überwiegend als englisches Phänomen wahrgenommen und eher selten aufgeführt. Dagegen erklingen die Werke des 1934 verstorbenen Komponisten regelmäßig im Plattenstudio – mit dem Ergebnis einer eindrucksvollen Diskographie, die von den Dirigenten Thomas Beecham, Meredith Davies und Richard Hickox angeführt wird. In unserer Sendung führt der Münchner Theaterwissenschaftler und Publizist Jens Malte Fischer anhand ausgewählter Aufnahmen in Leben, Werk und Umfeld dieser Ausnahmefigur ein.