Der Kommissar als Schachfigur
Gert Heidenreich hat einen äußerst spannenden und sehr intelligenten Roman geschrieben. Diese Geschichte hat es in sich. Der Autor stellt mit "Im Dunkel der Zeit" nicht nur Beziehungen zur deutschen Geschichte her, sondern auch zu Kafka, von dem zu lernen ist, "dass jeder schuldig ist."
Kriminalhauptkommissar Alexander Swoboda hat bereits einiges gesehen, aber beim Anblick der Leiche, die im Zungener Wald gefunden wird, dreht es ihm den Magen um. Dem Toten, der wie ein "wachsbleiches Krippenkind" da liegt, hat sein Mörder mit einem Nagelschussgerät mehrere Zimmermannsnägel in den Kehlkopf und den Schädel geschossen. Das sorgt für Unruhe in Zungen. Man redet über den Toten.
Die Kluft, die Gert Heidenreich in seinem Roman "Im Dunkel der Zeit" zwischen Alexander Swobodas Vorlieben und seinem Beruf aufmacht, könnte nicht größer sein. Eigentlich ist Swoboda ein Feingeist. Er hat das Zungener Gymnasium besucht und beherrscht Latein und Altgriechisch. Dieser Kunstliebhaber glaubt an das Wahre und Schöne und wird in seiner täglichen Arbeit mit den dunklen Seiten des Daseins konfrontieren. Nur in der Freizeit kann er seiner eigentlichen Passion nachgehen: der Malerei.
Der Aufklärer, der sich der Kunst verschrieben hat, begibt sich in seinem Beruf auf die Spur von Mördern und gerät dabei in die Niederungen der gescheiterten Aufklärung. Der neue Fall gestaltet sich als schwierig, und das auch, weil es sich bei dem Toten um einen alten Schulfreund handelt.
In Heidenreichs Roman herrscht Hochspannung. Er erzählt eine Geschichte, die sich in der unmittelbaren Gegenwart ereignet, aber deren dunkle Schatten bis in die Vergangenheit reichen. In der Stadt leben noch einige, die sich in den dreißiger Jahren des vergangenen Jahrhunderts an jüdischem Eigentum bereichert haben.
Damals wurde der Besitz des Juden Leo Staff unter Wert verkauft und auf diesem Unrecht basiert der Wohlstand einiger stadtbekannter Bürger. Doch über dieses Kapitel schweigt man in Zungen. Vom Mörder wird diese Schweigeverabredung allerdings unterlaufen – er vergeht sich nämlich auch an den Sprechwerkzeugen seiner Opfer.
So verschafft er sich Gehör und darüber hinaus räumt ihm Heidenreich im Text Rederecht ein. In den kursivgedruckten Abschnitten des Romans ist etwas über die Pläne des Mannes zu erfahren, der mit brutaler Härte gegen seine Opfer vorgeht. Sein Ziel ist es, den Zungenern in Erinnerung zu bleiben als die dunkle Kehrseite, als Gesicht [ihres] Abgrunds.
Der Leser erfährt so etwas über die Motivation des Täters, noch bevor der Kommissar überhaupt ahnt, wer hinter den Verbrechen steckt. Er weiß nichts, auch nicht, dass der Mörder auch für ihn eine bestimmte Rolle vorgesehen hat. Alles ist genau geplant und Swoboda wird wie eine Schachfigur gezogen.
Heidenreich hat einen äußerst spannenden und sehr intelligenten Roman geschrieben. Diese Geschichte hat es in sich. Heidenreich stellt nicht nur Beziehungen zur deutschen Geschichte her, sondern auch zu Kafka, von dem zu lernen ist, "dass jeder schuldig ist." "Im Dunkel der Zeit" ist ein Kriminalroman, der höchsten Ansprüchen genügt. Gert Heidenreich kann erzählen und er weiß, wie man Spannung erzeugt – man lässt erst allmählich Licht in eine dunkle Geschichte.
Rezensiert von Michael Opitz
Gert Heidenreich: Im Dunkel der Zeit
Nymphenburger Verlag, München 2007, 399 Seiten, 19,90 Euro
Die Kluft, die Gert Heidenreich in seinem Roman "Im Dunkel der Zeit" zwischen Alexander Swobodas Vorlieben und seinem Beruf aufmacht, könnte nicht größer sein. Eigentlich ist Swoboda ein Feingeist. Er hat das Zungener Gymnasium besucht und beherrscht Latein und Altgriechisch. Dieser Kunstliebhaber glaubt an das Wahre und Schöne und wird in seiner täglichen Arbeit mit den dunklen Seiten des Daseins konfrontieren. Nur in der Freizeit kann er seiner eigentlichen Passion nachgehen: der Malerei.
Der Aufklärer, der sich der Kunst verschrieben hat, begibt sich in seinem Beruf auf die Spur von Mördern und gerät dabei in die Niederungen der gescheiterten Aufklärung. Der neue Fall gestaltet sich als schwierig, und das auch, weil es sich bei dem Toten um einen alten Schulfreund handelt.
In Heidenreichs Roman herrscht Hochspannung. Er erzählt eine Geschichte, die sich in der unmittelbaren Gegenwart ereignet, aber deren dunkle Schatten bis in die Vergangenheit reichen. In der Stadt leben noch einige, die sich in den dreißiger Jahren des vergangenen Jahrhunderts an jüdischem Eigentum bereichert haben.
Damals wurde der Besitz des Juden Leo Staff unter Wert verkauft und auf diesem Unrecht basiert der Wohlstand einiger stadtbekannter Bürger. Doch über dieses Kapitel schweigt man in Zungen. Vom Mörder wird diese Schweigeverabredung allerdings unterlaufen – er vergeht sich nämlich auch an den Sprechwerkzeugen seiner Opfer.
So verschafft er sich Gehör und darüber hinaus räumt ihm Heidenreich im Text Rederecht ein. In den kursivgedruckten Abschnitten des Romans ist etwas über die Pläne des Mannes zu erfahren, der mit brutaler Härte gegen seine Opfer vorgeht. Sein Ziel ist es, den Zungenern in Erinnerung zu bleiben als die dunkle Kehrseite, als Gesicht [ihres] Abgrunds.
Der Leser erfährt so etwas über die Motivation des Täters, noch bevor der Kommissar überhaupt ahnt, wer hinter den Verbrechen steckt. Er weiß nichts, auch nicht, dass der Mörder auch für ihn eine bestimmte Rolle vorgesehen hat. Alles ist genau geplant und Swoboda wird wie eine Schachfigur gezogen.
Heidenreich hat einen äußerst spannenden und sehr intelligenten Roman geschrieben. Diese Geschichte hat es in sich. Heidenreich stellt nicht nur Beziehungen zur deutschen Geschichte her, sondern auch zu Kafka, von dem zu lernen ist, "dass jeder schuldig ist." "Im Dunkel der Zeit" ist ein Kriminalroman, der höchsten Ansprüchen genügt. Gert Heidenreich kann erzählen und er weiß, wie man Spannung erzeugt – man lässt erst allmählich Licht in eine dunkle Geschichte.
Rezensiert von Michael Opitz
Gert Heidenreich: Im Dunkel der Zeit
Nymphenburger Verlag, München 2007, 399 Seiten, 19,90 Euro