Der kleinteilige Papst

Von Thomas Migge · 12.03.2011
Die ersten Mosaikkünstler im Vatikan kamen aus Venedig, wo diese Kunstform seit Jahrhunderten Anwendung fand. Bald entstand im Kirchenstaat eine eigene Mosaikschule, an der Fachleute ausgebildet werden.
"Hier sieht man, wie die einzelnen Steinchen auf der Oberfläche befestigt werden. In diesem Fall ist das eine Metallplatte. Wir benutzen dafür einen speziellen Stuck aus Leinöl und Marmorpulver. Dieser Stuck wird auf der Oberfläche aufgetragen, mit einem Pinsel, und dann legen wir den Entwurf darauf."

Und dann, erklärt Paolo Di Buono, beginnt man mit der eigentlichen Mosaikarbeit. Di Buono ist Fachmann für Mosaiken und Direktor der vatikanischen Mosaikwerkstatt. Er zeigt die Arbeiten an einem Madonnenbildnis, an einer Kopie einer Muttergottes des Renaissancemalers Raffael:

"Mit diesen Mosaiksteinchen, die Sie dort sehen, können wir später die Schattierungen des Himmels kreieren. Denn schauen Sie, wie viele Grau-, Weiss- und Blautöne wir zusammenstellen müssen. Das ist eine schier unendliche Zahl von Farbtönen."

Das Madonnenbildnis ist ein Auftragswerk eines gut betuchten Gläubigen, der es seiner Frau zum Geburtstag schenken will. Die vatikanische Mosaikwerkstatt arbeitet nicht nur für die Kirche, sondern auch für Kunden, die bereit sind, für solche Kunstwerke ihre Geldbörsen weit zu öffnen.

Um das, wie es offiziell genannt wird, "Studio del Mosaico" zu erreichen, muss der Besucher bei der Passstelle seinen Ausweis vorlegen und einen Passierschein abholen. Erst dann kann man jenen Eingang hinter sich lassen, der zum einen in die große Audienzhalle des Papstes und zum anderen zum deutschen Friedhof führt. Die Werkstatt liegt im Schatten der Kuppel von Michelangelo – die übrigens nicht, wie bei anderen großen Kirchenkuppeln der Renaissance und des Barock üblich, mit Fresken ausgemalt wurde, sondern über und über mit Millionen von Mosaiksteinen ausgeschmückt ist.

Direktor Paolo Di Buono:

"Die Werkstatt erfüllt vor allem drei Aufgabenbereiche. Erstens werden jene Mosaiken geschaffen, die der Heilige Vater bei Missionsreisen als Geschenke mitnimmt. Das ist unsere wichtigste Arbeit. Dann produzieren wir Auftragswerke für Kunden, auch für Sammler. Und drittens restaurieren wir die Mosaiken in der Petersbasilika."

Und damit hat die Mosaikwerkstatt alle Hände voll zu tun. In der Petersbasilika finden sich mehr als 10.000 Quadratmeter Flächen, die mit Mosaiken bedeckt sind. Die meisten davon Jahrhunderte alt.

Beim Neubau der Kirche im 16. Jahrhundert entschied man sich gegen eine Ausschmückung der Decken und der Kuppel mit Fresken. Man wählte stattdessen weitaus haltbarere und pflegeleichtere Mosaiken. Zunächst schmückte man mit den kleinen Steinchen die neue Cappella Gregoriana aus. Das Resultat überzeugte alle, und so begann 1598 die Dekoration der riesigen Kuppel des Michelangelo. Ein Meisterwerk, das die Mosaikdarstellung als Genre in ganz Europa zur Mode machte.

Die ersten Mosaikkünstler im Vatikan kamen aus Venedig, wo diese Kunstform seit Jahrhunderten Anwendung fand. Bald schon entstand auch im Kirchenstaat eine eigene Mosaikschule, an der die eigenen Fachleute ausgebildet werden. Insgesamt zwölf Frauen und Männer arbeiten derzeit in der Mosaikwerkstatt. Sie schlagen sich mit sage und schreibe 27.000 Farben und Farbtönen herum, wie Mosaikfachfrau Claudia Mancini:

"Ich mische verschiedene Farbtöne zusammen und schaue mir dann an, ob dieser Mosaikmix der Richtige ist. Dazu braucht man schon ein bisschen Erfahrung und das richtige Auge. Und dann müssen bestimmte Mosaiksteinchen auch zurecht gehauen werden. Das verlangt eine Menge Fingerspitzengefühl."

Fingerspitzengefühl und zurechtgehauene Mosaiksteinchen braucht man auch für die runden Papstporträts in der Basilika Sankt Paulus vor den Toren. Sie brannte 1823 ab und wurde, mitsamt der Mosaiken, komplett wieder aufgebaut. Das obere Fries des Zentralschiffes dieser Kirche zeigt die Porträts sämtlicher Päpste der katholischen Kirchengeschichte. Das jüngste stellt einen sanft lächelnden Benedikt XVI. dar. Vom Marmorboden der Kirche aus gesehen, sieht der deutsche Pontifex in seiner Darstellungsschärfe wie auf einem Foto aus. Ein größeres Lob für die Mosaikexperten der Werkstatt im Vatikan, meint Paolo Di Buono, könne es nicht geben.
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