Der Klangforscher
Lange Zeit war Klangkunst ein Stiefkind des Ausstellungsbetriebs. Dass sich das Spiel mit Klang und Licht inzwischen etabliert hat, zeigt die in Berlin laufende Ausstellung "Sonambiente". Dort ist auch "Fades" von Carsten Nicolai zu sehen, eine Licht- und Klanginstallation in einem abgedunkelten Raum. Ihr liegt eine Computersimulation zugrunde.
Betritt man Carsten Nicolais Installation "Fades", dann zeigen sich teils kreisförmige, teils ovale Gebilde, zum Rand hin aufweichend und in ständigen Metamorphosen begriffen. Sie werden nicht auf eine Leinwand, sondern auf einen den Raum erfüllenden Nebeldunst projiziert – und wirken so wie schemenhafte Gestalten, die den Raum durchwabern.
Beschreibungen von Besuchern: " Fließende Bewegungen / Eher bedeckt /
Und dann schwimmt der ganze Raum im Nebel / Ich hatte so Erinnerungen an so 60er Jahre Designmuster / Wie im Traum eigentlich, so ’n bisschen "
Wie im Traum – so empfinden viele Besucher die Ausstellung. Aber das ist nur die eine Seite eines doppelgesichtigen Werks, denn die amorphen Gebilde sind im genauen Sinn des Wortes kalkuliert.
Nicolai: "Die Arbeit hat ja ... der liegt ja sozusagen eigentlich ‘ne Computersimulation zugrunde von Schwarz-Weiß-Verläufen. Mir war relativ wichtig diese Übersetzung mathematischer Algorithmen in komplexe Lichtverläufe."
Aus der Überlagerung mathematischer Kurven werden Muster für Bild und Ton erzeugt – das Ergebnis ist vorher nicht absehbar. So entsteht ein begehbarer Raum aus Mathematik, Licht und Ton.
Nicolai: "Was alles drei eigentlich sehr universelle Sprachen sind, die sind alle in der Natur eingeschrieben und wir können alle mit denen sehr gut umgehen. Und da soll es auch hingehen, dass die Mathematik im Prinzip sich auflöst in was, was vollkommen natürlich erscheint."
Ein Hotelrestaurant in Amsterdam. Carsten Nicolai bespricht mit seinem Tourmanager das am Abend stattfindende Konzert mit dem japanischen Komponisten und Popstar Ryuichi Sakamoto. Gerade hat er in Phoenix, Arizona, neben der "Sonambiente" eine weitere Ausstellung eröffnet, er hat ein Filmprojekt begonnnen und plant während der gerade laufenden Konzerttournee schon die nächste.
Und nebenbei ist der 40-Jjährige auch noch Vater von drei Töchtern. Doch als Stress empfindet er all diese Anforderungen nicht: Er wirkt ruhig und kontrolliert, keine Spur von Künstlerdiva; auch sein Äußeres ist unscheinbarer als auf den meisten Pressefotos. Weltweit ist Nicolai unterwegs mit elektronischer Musik, Skulpturen und Fotografien, Licht- und Klanginstallationen – angetrieben von einer Experimentierfreude, die er von Jugend an in Künstlerkreisen der damaligen DDR erfahren hat.
Nicolai: "Da war ‘ne relativ interessante Szene damals in Karl-Marx-Stadt, Chemnitz, wo ich groß geworden bin, also die auch sehr unorthodox und unakademisch mit allem umgegangen ist."
Carsten Nicolai studierte in den 80er Jahren Landschaftsarchitektur in Dresden, blieb aber der Szene seiner Heimatstadt verbunden. Man tauschte Platten von Laurie Anderson, Throbbing Gristle oder den Einstürzenden Neubauten aus und bastelte am Biotop einer alternativen Kunstszene. So wie die Kult-Band AG Geige, aus deren Umfeld Nicolais Label Raster-Noton hervorgegangen ist.
Nicolai: "Es gab damals keine Spaltung zwischen elektronischer Musik, Theater, Performance, Kunst; das war alles sehr sehr eng miteinander verwoben, vielleicht auch deshalb, weil’s ‘ne sehr kleine Szene war, wo man sich eh untereinander kannte. Wer heute ‘n Super-8-Film drehte, hatte morgen ‘ne Band und übermorgen hat er ‘ne Fotoausstellung gemacht, also das war relativ offen alles, und ich glaub diese Offenheit in gewisser Weise hab ich mir auch bewahrt."
Seinen oft von kühler Eleganz geprägten Arbeiten sieht man diese Herkunft erst mal nicht an. In den 90er Jahren erarbeitete sich Carsten Nicolai das künstlerische Vokabular, mit dem er bekannt wurde. Immer tiefer versuchte er in den Kern von Hören und Sehen, Schallwelle und Lichtschwingung vorzudringen. Um 1998 befiel ihn für einige Zeit ein heftiges Schwindelgefühl. Er verlor buchstäblich die Orientierung im Raum. Die Ursache wurde nie ganz geklärt.
Nicolai: "Ich hab in der Zeit viel experimentiert an mir selber, gerade was die hohen Frequenzen angeht. Ich wusste wenig da drüber, was passiert wirklich, also mit hohen Frequenzen, weil die offiziellen Audiobücher, die enden einfach bei 22 Kilohertz, und ‘ne normale CD bringt dann auch nicht viel mehr als das."
Nur zum Vergleich: Das hier ist ein Ton mit der Höhe 10 Khz,
Sinuston 10 Khz
dieser hier hat 12 Khz.
Sinuston 12 Khz
Den meisten Menschen ist das schon mehr als genug an akustischer Grenzerfahrung.
Nicolai: "Mein erstes Equipment war ’n Testtonequipment, was eben weit weit höher gehen könnte bis zu 40, 50 Khz, und mich hat das damals wahnsinnig interessiert, was nehm’ ich noch wahr davon. Das endete dann damit, dass ich ‘ne Lautsprechersammlung hab von zerstörten Lautsprechern, die war ziemlich groß zum Schluss ... hab das gemerkt, dass ich doch etwas sensibler mit den Dingen umgehen muss, dass man einfach ein bisschen in sich hineinhören muss, um zu wissen, was einem gut tut und was nicht."
Mit solchen Grenzerfahrungen hat er sich aber nicht nur kaputte Lautsprecher, sondern auch Souveränität im Umgang mit Klick- und Störklängen angeeignet. Dieses Wissen kann er beim Konzert ausspielen und im Wechsel mit dem Flügel von Ryuichi Sakamoto reagieren lassen. Carsten Nicolai ist beides: Klang- und Wahrnehmungsforscher mit unstillbarer Neugier und Performer, der Licht und Ton wirkungsvoll in Szene setzt.
Beschreibungen von Besuchern: " Fließende Bewegungen / Eher bedeckt /
Und dann schwimmt der ganze Raum im Nebel / Ich hatte so Erinnerungen an so 60er Jahre Designmuster / Wie im Traum eigentlich, so ’n bisschen "
Wie im Traum – so empfinden viele Besucher die Ausstellung. Aber das ist nur die eine Seite eines doppelgesichtigen Werks, denn die amorphen Gebilde sind im genauen Sinn des Wortes kalkuliert.
Nicolai: "Die Arbeit hat ja ... der liegt ja sozusagen eigentlich ‘ne Computersimulation zugrunde von Schwarz-Weiß-Verläufen. Mir war relativ wichtig diese Übersetzung mathematischer Algorithmen in komplexe Lichtverläufe."
Aus der Überlagerung mathematischer Kurven werden Muster für Bild und Ton erzeugt – das Ergebnis ist vorher nicht absehbar. So entsteht ein begehbarer Raum aus Mathematik, Licht und Ton.
Nicolai: "Was alles drei eigentlich sehr universelle Sprachen sind, die sind alle in der Natur eingeschrieben und wir können alle mit denen sehr gut umgehen. Und da soll es auch hingehen, dass die Mathematik im Prinzip sich auflöst in was, was vollkommen natürlich erscheint."
Ein Hotelrestaurant in Amsterdam. Carsten Nicolai bespricht mit seinem Tourmanager das am Abend stattfindende Konzert mit dem japanischen Komponisten und Popstar Ryuichi Sakamoto. Gerade hat er in Phoenix, Arizona, neben der "Sonambiente" eine weitere Ausstellung eröffnet, er hat ein Filmprojekt begonnnen und plant während der gerade laufenden Konzerttournee schon die nächste.
Und nebenbei ist der 40-Jjährige auch noch Vater von drei Töchtern. Doch als Stress empfindet er all diese Anforderungen nicht: Er wirkt ruhig und kontrolliert, keine Spur von Künstlerdiva; auch sein Äußeres ist unscheinbarer als auf den meisten Pressefotos. Weltweit ist Nicolai unterwegs mit elektronischer Musik, Skulpturen und Fotografien, Licht- und Klanginstallationen – angetrieben von einer Experimentierfreude, die er von Jugend an in Künstlerkreisen der damaligen DDR erfahren hat.
Nicolai: "Da war ‘ne relativ interessante Szene damals in Karl-Marx-Stadt, Chemnitz, wo ich groß geworden bin, also die auch sehr unorthodox und unakademisch mit allem umgegangen ist."
Carsten Nicolai studierte in den 80er Jahren Landschaftsarchitektur in Dresden, blieb aber der Szene seiner Heimatstadt verbunden. Man tauschte Platten von Laurie Anderson, Throbbing Gristle oder den Einstürzenden Neubauten aus und bastelte am Biotop einer alternativen Kunstszene. So wie die Kult-Band AG Geige, aus deren Umfeld Nicolais Label Raster-Noton hervorgegangen ist.
Nicolai: "Es gab damals keine Spaltung zwischen elektronischer Musik, Theater, Performance, Kunst; das war alles sehr sehr eng miteinander verwoben, vielleicht auch deshalb, weil’s ‘ne sehr kleine Szene war, wo man sich eh untereinander kannte. Wer heute ‘n Super-8-Film drehte, hatte morgen ‘ne Band und übermorgen hat er ‘ne Fotoausstellung gemacht, also das war relativ offen alles, und ich glaub diese Offenheit in gewisser Weise hab ich mir auch bewahrt."
Seinen oft von kühler Eleganz geprägten Arbeiten sieht man diese Herkunft erst mal nicht an. In den 90er Jahren erarbeitete sich Carsten Nicolai das künstlerische Vokabular, mit dem er bekannt wurde. Immer tiefer versuchte er in den Kern von Hören und Sehen, Schallwelle und Lichtschwingung vorzudringen. Um 1998 befiel ihn für einige Zeit ein heftiges Schwindelgefühl. Er verlor buchstäblich die Orientierung im Raum. Die Ursache wurde nie ganz geklärt.
Nicolai: "Ich hab in der Zeit viel experimentiert an mir selber, gerade was die hohen Frequenzen angeht. Ich wusste wenig da drüber, was passiert wirklich, also mit hohen Frequenzen, weil die offiziellen Audiobücher, die enden einfach bei 22 Kilohertz, und ‘ne normale CD bringt dann auch nicht viel mehr als das."
Nur zum Vergleich: Das hier ist ein Ton mit der Höhe 10 Khz,
Sinuston 10 Khz
dieser hier hat 12 Khz.
Sinuston 12 Khz
Den meisten Menschen ist das schon mehr als genug an akustischer Grenzerfahrung.
Nicolai: "Mein erstes Equipment war ’n Testtonequipment, was eben weit weit höher gehen könnte bis zu 40, 50 Khz, und mich hat das damals wahnsinnig interessiert, was nehm’ ich noch wahr davon. Das endete dann damit, dass ich ‘ne Lautsprechersammlung hab von zerstörten Lautsprechern, die war ziemlich groß zum Schluss ... hab das gemerkt, dass ich doch etwas sensibler mit den Dingen umgehen muss, dass man einfach ein bisschen in sich hineinhören muss, um zu wissen, was einem gut tut und was nicht."
Mit solchen Grenzerfahrungen hat er sich aber nicht nur kaputte Lautsprecher, sondern auch Souveränität im Umgang mit Klick- und Störklängen angeeignet. Dieses Wissen kann er beim Konzert ausspielen und im Wechsel mit dem Flügel von Ryuichi Sakamoto reagieren lassen. Carsten Nicolai ist beides: Klang- und Wahrnehmungsforscher mit unstillbarer Neugier und Performer, der Licht und Ton wirkungsvoll in Szene setzt.