Der Katalonien-Konflikt und die Kultur

"Es bewegt sich in eine falsche Richtung"

Das Bild zeigt die Köpfe mehrerer Demonstranten, von denen einige etwas rufen. Sie halten die roten Blumen in die Höhe.
Demonstranten, die Blumen in den Händen halten, protestieren am 21.09.2017 in Barcelona (Spanien) gegen die Razzien der spanischen Polizei. © Emilio Morenatti / AP / dpa
Michi Strausfeld im Gespräch mit Sigrid Brinkmann · 21.09.2017
Kataloniens Regionalregierung beharrt auf einem Unabhängigkeitsreferendum am 1. Oktober. Die spanische Zentralregierung will das unterbinden. Fake News heizten die Stimmung auf, berichtet die Journalistin und Lektorin Michi Strausfeld. Doch auch kulturelle Entwicklungen seien fatal.
In der spanischen Region Katalonien herrscht vor dem geplanten Referendum über die Unabhängigkeit am 1. Oktober eine äußerst gespannte Atmosphäre. Die spanische Regierung ließ Druckereien durchsuchen, Stimmzettel beschlagnahmen und 14 hochrangige Mitglieder der Regierung in Barcelona festsetzen.
Nun platzt aus vielen Katalanen, die für das Referendum über die staatliche Unabhängigkeit ihrer Region sind, der pure Hass. Demonstranten versperrten die Zugänge zu Gebäuden der Regionalregierung und des Wirtschaftsministeriums. Journalisten sprechen in die Mikrofone, dass sie sich an den Beginn des Bürgerkriegs 1936 erinnert fühlten.
"Ich fürchte, die Lage schaukelt sich so schnell und so heftig auf, dass ich wirklich sehr besorgt bin - wie wahrscheinlich alle, die wir Barcelona lieben", sagte die Übersetzerin und Lektorin Michi Strausfeld im Deutschlandfunk Kultur. "Im Augenblick bin ich wirklich sehr pessimistisch."
Die aufgeheizte Stimmung beruhe nicht zuletzt auf der gezielten Verbreitung von Fake News. Verbreitet würden diese durch die katalanische Regierung und vor allem durch die "rebellische Partei" CUP, die unbedingt ein unabhängiges Katalonien wolle und die – so Strausfeld – an die britische UKIP erinnere. Auch katalanische Fernseh- und Radiosender sowie die Presse unterstützten die Unabhängigkeitsbewegung, die eigentlich nur von ein paar tausend Menschen losgetreten worden sei und die jetzt die Politik vor sich hertreibe.

"Das Bestreben alles zu katalanisieren"

Schuld an der Entwicklung sei aber auch der Schulunterricht in Katalonien, der die "Opferrolle" der katalonischen Region zum Thema mache und auch die spanische Sprache in die zweite Reihe gedrängt habe:
"Wenn man auf die Straße geht, hört man eigentlich mehr Spanisch als Katalanisch, das ist jedenfalls immer mein Eindruck. Aber in den Schulen wird der Unterricht auf Katalan gehalten, soweit es geht. Und Spanisch ist erste Fremdsprache mit drei Wochenstunden. Das ist natürlich absurd. Aber das Bestreben geht ganz klar dahin, alles zu katalanisieren."
Barcelona sei in den 1970ern bis Mitte der 80er-Jahre das intellektuelle Zentrum des Landes gewesen. Das habe sich verloren, meinte Strausfeld. "Wenn man überlegt, dass jetzt heute Llorca im Theater in Barcelona auf Katalanisch aufgeführt wird, weil es dann natürlich auch subventioniert ist, das zeigt, wie sich alles irgendwie in eine falsche Richtung bewegt". Doch eine Debatte "gegen Nationalismus" sei nirgends zu vernehmen. Die "schweigende Mehrheit" halte still. Auch katalanischsprachige und spanischsprachige Autoren lebten ihrem Vernehmen nach mittlerweile in zwei Welten und hätten kaum Kontakt miteinander.
Sie selbst halte es für "abwitzig, dass man im Jahre 2017 noch eine neue Nation gründen will, wenn man überall sagt: Der Nationalismus ist das schlimmste Übel, es hat uns zu Kriegen, es hat uns zu Elend geführt"." Diese Debatte fehle in der katalanischen Öffentlichkeit jedoch völlig.

Paul Ingendaay, früher FAZ-Korrespondent in Spanien, beobachtet ebenfalls die Lage in Katalonien. Er sagte in unserem Programm:
"Das war da jetzt abläuft ist ohne jegliche demokratische Legitimation. Und es geht nicht." Das geplante Referendum sei eine Art Fake Referendum, weil die echten Wahlzettel längst eingezogen worden seien. Er verstehe die Gefühle der Nationalisten, diese dürften sich jedoch nicht durchsetzen. Die spanische Regierung müsse das unterbinden. "Es wird noch ein bisschen krachen bis zum 1. Oktober. Ab dem 2. Oktober wird neu nachgedacht", so Ingendaay.
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