Der jüdische Oskar Schindler

Von Ralf Geissler · 15.09.2010
Er rettete fast 1700 Juden das Leben. Und trotzdem streiten die Israelis bis heute, ob er ein Held war oder ein Verräter. Reszö Kasztner lebte während des Zweiten Weltkrieges in Budapest und war dort Mitglied des jüdischen Rettungskomitees. Als 1944 die Nationalsozialisten Ungarn besetzten, ahnte Kasztner, welches Schicksal den Juden drohte, doch er wusste auch: Die Nazis sind bestechlich.
Insbesondere Adolf Eichmann machte gern Geschäfte. Mehrfach hatte der Organisator des Holocausts angedeutet, er könne eine Million ungarische Juden verschonen. Als Gegenleistung sollten sie 10.000 LKW und andere kriegswichtige Güter organisieren. Der Deal kam nie zustande. Aber Reszö Kasztner bot Eichmann weitere Verhandlungen an. Er schaffte es, dass Eichmann einen Zug für 1700 ungarische Juden in die neutrale Schweiz genehmigte. Als Gegenleistung forderte der SS-Funktionär 1000 Dollar pro Kopf.

Kasztner besorgte das Geld und machte eine Liste. Rabbiner standen darauf, Professoren, Journalisten aber auch Krankenschwestern, Bauern und Kinder. Ihr Zug setzte sich am 30. Juni 1944 in Bewegung, stoppte aber im KZ Bergen-Belsen. Dort wurden die Passagiere monatelang festgehalten, durften dann aber doch in die Schweiz ausreisen.

Nach dem Krieg sagte Kasztner zugunsten einiger NS-Funktionäre aus, die ihm bei der Organisation seines Zuges geholfen hatten. Er zog nach Israel und arbeitete als Pressesprecher im Industrieministerium. 1953 holte ihn seine Vergangenheit wieder ein. Ein Artikel erschien, in dem Kasztner vorgeworfen wurde, mit den Nazis kollaboriert zu haben. Er habe von den Gaskammern gewusst, die ungarischen Juden aber nicht laut genug gewarnt. Stattdessen habe er Angehörige und Freunde frei gekauft.

Auf Anraten der Regierung reichte Kasztner eine Verleumdungsklage ein. Doch das Verfahren wurde zum Tribunal gegen ihn selbst. Das Gericht warf Kasztner vor, mit dem Teufel paktiert zu haben. Kasztner verlor seinen Job, ging aber in Berufung. 1958 hob der Oberste Gerichtshof das Urteil auf. Kasztner nützte das nichts mehr. Radikale Juden hatten den angeblichen Verräter ein Jahr zuvor erschossen.