Der Jahreswechsel im TV

Von Bernd Sobolla |
Zu keiner Zeit ist das Fernsehprogramm so ritualisiert wie zum Jahreswechsel: Von "Dinner for one" über die Vierschanzentournee bis zu Neujahrskonzerten auf allen Kanälen. Um all das wohl Bekannte bewusst zu umschiffen, wollen wir auf die Spielfilme blicken, die uns das Fernsehen Silvester und Neujahr anbietet.
Bereits um die Mittagszeit (12.25 Uhr) macht sich auf Vox wieder einmal Elwood Blues auf den Weg, seinen Bruder Jake aus dem Knast abzuholen. Um die Steuerschulden ihres ehemaligen Kinderheims auszugleichen, versuchen sie ihre alte Band für ein großes Konzert zusammen zu trommeln. Natürlich müssen sie dabei viel Überzeugungsarbeit leisten, und so manches Auto geht zu Bruch. Ein Kultfilm, der auch nach 28 Jahren nichts von seinem Charme verloren hat.

Wer nun denkt, im Silvesterprogramm würden zahlreiche filmische Leckerbissen auf das Publikum warten, der irrt. Denn am letzten Fernsehtag des Jahres laufen fast ausschließlich Musik, Comedy, Unterhaltung und Shows.

In der Hauptsendezeit bietet ausgerechnet Super RTL den einzigen empfehlenswerten Spielfilm: In "Wolfsblut" spielt Ethan Hawke an der Seite von Klaus Maria Brandauer einen jungen Goldsucher im 19. Jahrhundert, der einen Wolfshund aus der Hand skrupelloser Männer befreit, die ihn für Kämpfe abrichteten.

"Siehst du, wie er meine Hand fixiert. Die müssen ihn oft geschlagen haben. Der hört nicht mehr auf uns. / Die haben ihm beigebracht zu hassen. Da hilft nur eins: Wir müssen sein Vertrauen wecken. Versuche es ohne den Stock!"

Ein fesselndes Abenteuer, das viele grandiose Tier- und Naturaufnahmen zeigt, ist gleichermaßen ruhig und spannend inszeniert, allerdings mit einem überflüssigen Goldfund versehen.

In der ARD müssen Filmfans erst den Jahreswechsel abwarten (1.05 Uhr), ehe sie dann mit einem Musical verwöhnt werden. "Die oberen Zehntausend" ist eine furiose Geschichte ums Heiraten, die in der High Society von New York spielt. Die Komödie ist in den Hauptrollen mit Grace Kelly, Bing Crosby und Frank Sinatra exzellent besetzt. Und Louis Armstrong greift gleich mehrfach zu Trompete und Mikrofon.

Muss man zu Silvester nach Filmperlen suchen, werden die Zuschauer am Neujahrstag von diesen fast überschüttet. In der ARD läuft am Abend zum Beispiel "Shrek 2", der bis heute mit einem Einspielergebnis von 880 Millionen Dollar der erfolgreichste Animationsfilm aller Zeiten ist.

In dem Film kommt Shrek zurück aus den Flitterwochen und besucht seine Schwiegereltern. Doch schon auf den letzten 100 Metern wird klar, dass König Harold seinen Schwiegersohn Shrek nicht gerade mit offenen Armen empfängt.

"Sieh nur, Mam und Dad freuen sich, uns zu sehen! / Wer in aller Welt sind die? / Ich denke, das ist unser kleines Mädchen. / Von klein kann keine Rede sein, wir haben ein schwerwiegendes Problem. War es nicht vereinbart, dass sie Prinz Charming küsst und den Zauber bricht? / Zugegebener Maßen er ist kein Prinz Charming. Aber wirken sie nicht… / Zufrieden? Wir sind gekommen, wir haben sie gesehen. Jetzt lass' uns abhauen. Bevor sie noch die Fackeln anzünden. / Sie sind meine Eltern."

Um Shrek loszuwerden, beauftragt der König den Gestiefelten Kater als Auftragsmörder. Doch der Anschlag misslingt, und der Kater wird zu Shreks treuem Begleiter. Ein großartiges Werk mit vielen gelungenen Parodien auf Märchenwelt und Hollywood. Zur gleichen Zeit erobert "Alexander" der Große in Oliver Stones Historienfilm auf Pro 7 den viel zu kleinen Bildschirm. Ein hundert Millionen Dollar Film mit Colin Farrell, Angelina Jolie und Val Kilmer.

Zwar zeigt der Film einige spektakuläre Schlachtszenen, deren Gewalt nichts für sanfte Gemüter ist. Aber, und das ist wichtiger, er schildert Alexander vor allem als Visionär: Als Eroberer geht es ihm nicht um Zerstörung und Unterwerfung, sondern um die Vereinigung von Ost und West, um das Erschaffen einer neuen Welt. Ein opulentes Historienepos, das in einigen Szenen etwas pathetisch wirkt.

"Wir können diese Länder einen, Hephaiston, und ebenso die Menschen. / Nicht wenige sagen, dass die Alexandrias eine Verlängerung von Alexander selbst wären. Sie locken die Menschen in die Städte, um sie dort zu Sklaven zu machen. / Aber wie haben sie befreit, Hephaiston. Die Perser kannten nichts anderes als die Sklaverei. Alle Menschen der Welt zu befreien, das überträfe den Ruhm des Achilles."

Da muss das Erste Programm natürlich gegen halten und lässt um 22.40 Uhr die "Poseidon" vom Stapel laufen. In dem Katastrophenfilm von Wolfgang Petersein durchkreuzt der Luxusliner Poseidon, der so groß ist wie ein 20-stöckiges Haus, in der Silvesternacht den Atlantik. Mit der Party ist es schlagartig vorbei, als eine riesige Welle auf den Hochglanzdampfer zurollt.

"Ruhe! Ruhe! Meine Herren, bitte leise. Spüren sie das? Irgendwas stimmt nicht … Nein, nein. Hart nach Steuerbord, Steuerbord! Volle Kraft zurück. Na los, dreh dich, dreh dich!"

Riesenwellen von bis zu 50 Meter Höhe wurden lange als Seemannsgarn abgetan und konnten erst anhand von Satellitenaufzeichnungen nachgewiesen werden. Die visuellen Effekte von "Poseidon" stehen denen in "Titanic" kaum nach. Und die Idee, das Schiff umzuwerfen und sich auf den Ballsaal zu konzentrieren, in dem sich die Überlebenden in einer zumindest temporär rettenden Luftblase befinden, hat sogar ein besonders klaustrophisches Element.

Einen ebenso schönen wie anspruchsvollen Ausklang des ersten Jahrestages bietet der MDR, der "Die Reise des jungen Che" zeigt. Das Roadmovie von Walter Salles schildert die Reise von Ernesto Che Guevara, der 1952 durch das verarmte Südamerika fuhr. Das Werk zeigt, wie jener als junger Arzt das Elend der Bevölkerung erlebt, und wie ihn diese Erfahrungen erst zu dem Revolutionsführer werden lassen, an den sich die Welt heute erinnert. Ein unterhaltsamer, hinreißender und nachdenklich stimmender Film.