Der isländische Musiker Ólafur Arnalds

Elektronik, Klassik und ein bisschen Chaos

Ólafur Arnalds beim Sonar-Festival in Reykjavik 2016
Auf seinem neuen Album hat Ólafur Arnalds mit dem Rapper BNGRBOY zusammengearbeitet. © picture alliance / dpa / Birgir Thor Hardarson
Von Christoph Möller · 23.08.2018
Kennen Sie "Peaceful Piano"? Wahrscheinlich. Denn seine Musik wird als Hintergrund auf Streamingdiensten millionenfach gehört. Mit dem neuen Album "re:member" will Ólafur Arnalds aber weg vom Einheitssound und aus seiner Routine ausbrechen.
Ólafur Arnalds will, dass man alles hört: den Dämpfer, der sich hebt, das Knarzen des Klavierhockers, seine Finger, die die Tasten berühren. Die Aufnahme rauscht, sie suggeriert: Hier spielt einer ganz allein, nachdenklich am Klavier. Diese scheinbar intime Ästhetik hat sich in den letzten Jahren durchgesetzt: Auf dem Streamingdienst Spotify gehört die Klavier-Playlist "Peaceful Piano" zu den populärsten auf der ganzen Plattform. Klaviermusik, wie die des Isländers Arnalds, wird millionenfach geklickt. Sie kann angenehm im Hintergrund dudeln, ohne aufzufallen.
Ólafur Arnalds neues Album "Re:member" soll nun ganz anders klingen:
"Ich hatte Angst, mich zu wiederholen, weil mich ein bestimmter Sound sehr erfolgreich gemacht hat. Ein Sound, den du sehr einfach kopieren kannst, und der zu guten Resonanzen bei Spotify oder zu einem netten Filmsoundtrack führt. Aber ist das auch der Sound, der zu dir passt und den ich wirklich machen will?"

Zwei Klaviere ohne Pianisten

Um keine Musik nach Rezept zu machen, hat Arnalds die sogenannten Stratus-Pianos entwickelt. Zwei selbstspielende Klaviere, die durch ein drittes, von ihm gespieltes Klavier angesteuert werden. Die Software, die die Klaviere steuert, hat Arnalds selbst entwickeln lassen. Mit den Stratus-Pianos entstehen überraschende melodische Sequenzen und das nötige Chaos, um zumindest ein bisschen anders zu klingen.
"Es verändert dein Denken. Du denkst, du gehst in eine Richtung, aber plötzlich ist da diese unerwartete Note, die dich ganz woanders hinzieht. Und dort entdeckst du dann etwas, das du niemals sonst entdeckt hättest. Deshalb habe ich diese Klaviere entwickelt: Um mich aus der Routine zu holen."

Im Studio hatte Arnalds außerdem eine Art Muse. Bei einem Teil der Aufnahmen saß der Isländische Rapper BNGRBOY mit im Studio in Reykjavik. Ein YouTube-Video zeigt die Zusammenarbeit.
BNGRBOY habe ziemlich viel gekifft und wenig gesagt, erinnert sich Arnalds. Trotzdem:
"Ich mochte seinen Sound und dachte, wir könnten was Interessantes zusammen machen, auch wenn wir ganz unterschiedliche Musik mögen. Am Spannendsten war die Arbeit an Stücken, die dann gar nicht auf dem Album gelandet sind. Doch einfach seine Anwesenheit im Studio hat mich häufig Dinge tun lassen, auf die ich normalerweise nicht gekommen wäre."

So neu ist der Sound nun doch nicht

Einmal, erzählt Arnalds, hatte BNGRBOY doch ganz konkret Einfluss auf den Sound des Albums: Arnalds hatte das Studio kurz verlassen, um sich einen Kaffee zu holen. In dieser Zeit war der Rapper vom Sofa aufgestanden und hatte das Stück, an dem sie gerade arbeiteten, einfach um eine Oktave nach unten versetzt. Genial, findet Arnalds.
"Die Melodie und die Akkordfolge waren schon fertig. Und er hat einfach alles um eine Oktave transponiert und eine Kickdrum hinzugefügt. Und ich dachte: Ah, okay, so könnten wir es auch machen."
"Re:member" ist tatsächlich nicht ganz so konform und langweilig wie Klaviermusik auf Streamingdiensten. Arnalds hat ein Gespür für kleine, ungewöhnliche Sounds und das Album hat eine gute Dramaturgie. Doch so neu, wie Arnalds seine Musik beschreibt, klingt sie nun auch nicht. Elegische Streicher, lange Melodiebögen, ab und zu ein paar Beats – Musik, zu der man kurz ziemlich viele Emotionen entwickeln kann, die dann aber doch schnell wieder vergessen ist.
Mehr zum Thema