Der Iran im Fokus

Von Volkhard App · 29.05.2011
Der 2010 verstorbene Fotograf Bahman Jalali prägte mit seinen Bildern das "visuelle Gedächtnis des Iran" lobt die Stiftung Niedersachsen. Sie verlieh ihm den Internationalen Preis für Fotografie "Spectrum". Das Sprengel Museum Hannover zeigt eine Retrospektive seines Werks.
Eine Zeit lang haben die Hinterbliebenen wohl überlegt, ob sie Fotos aus der brisanten, 2008 entstandenen Serie erstmals zeigen sollten - nun hängen sie in der hannoverschen Ausstellung und scheinen aus der Entfernung untypisch für den dokumentarisch orientierten Künstler zu sein: Aus bunten kleinen Flächen sind die Motive zusammengesetzt, zur Abstraktion tendierend. Tatsächlich sind es fotografierte Fernsehbilder, und der buntscheckige Charakter ist schnell zu erklären: Programme von Nachrichtenkanälen wie CNN wurden vom Staat gestört. Hier und an anderen Stellen der großzügig inszenierten Retrospektive stellt sich zwangsläufig die Frage nach dem Verhältnis Jalalis zur bedrohlichen Macht. Mansour Aalam, der Neffe des posthum ausgezeichneten Fotografen:

" "Der Iran ist insbesondere in der jetzigen Zeit ein Land, in dem man sich als Künstler sehr gut auskennen muss, um seine Wege zu finden. Wenn Sie an Beispielen die Linien erkennen möchten, so sind einige Bücher nicht neu aufgelegt worden. Zu dem klassischen Mittel des Berufsverbots ist es nie gekommen. Man bewegt sich in Ländern wie dem Iran auf Wegen, die man als Künstler lernen muss.”"

Sehr vorsichtig äußern sich die Gäste in Hannover, vor allem die Witwe Rana Javadi, mit der Jalali einige seiner wichtigsten Projekte realisiert hat. Ein Werk mit vielen Facetten. Eine Überraschung bietet diese Schau schon zu Beginn, denn die Mitte der siebziger Jahre in London entstandene Serie widmet sich mit starken Farben der pittoresken Geometrie des Straßenlebens: mit Häuserfassaden, markanten Türen und geheimnisvollen Markierungen auf den Gehwegen.

Dann folgen die schwarz-weißen Dokumentarfotos aus Jalalis Heimat, mit denen er bekannt wurde und die eine uns noch immer fremde Welt mit Basaren und Wasserpfeifen vorstellen: Nomaden nehmen zusammen mit ihren Kamelen ein erfrischendes Bad, Fischer holen am Persischen Golf ihre Netze ein. In der Wüste erstrecken sich unter dem Sand stattliche Wohnräume. Jalali und der Alltag.

Ende der 70er-Jahre wurde die Revolution des Islam zu seinem zentralen Thema: Demonstrationen verhüllter Frauen, skandierende und jubelnde Männer, Bilder Khomeinis werden emporgehalten. Mitkuratorin Katja Roßocha zur Haltung des Künstlers:

" "Er hat es als seine Verpflichtung angesehen, sich zurückzuhalten. Wichtiger Punkt ist ja auch: Wir wissen, was passiert ist, wie die Revolution ausgegangen ist und was danach geschah. Bahman Jalali und seine Kollegen haben sich wirklich bemüht, die Situation und die verschiedenen Aktionen zu dokumentieren - die Revolution aus der Perspektive: Wir werden schauen, wohin das führt, halten uns offen und versuchen nicht, irgendwelche fotojournalistischen Arbeiten zu machen, die sich gut verkaufen lassen.” "

Zwischen 1980 und '88 gewann auf seinen Fotos der Krieg des Irak gegen den Iran eine beängstigende Präsenz. Verwüstete Wohnzimmer, demolierte Schulräume und Krankenstationen. 38 Mal reiste der Fotograf an die Schauplätze und beschäftigte sich vor allem mit der dem Erdboden gleichgemachten Stadt Khorramshar. Diese furchtbaren Bilder mit zerfetzten Körpern werden zusätzlich in einer Diaschau präsentiert - aber nicht ohne Warnschild am Kabineneingang.

Inka Schube, die Leiterin der Abteilung Fotografie und Medien: " "Dazu gibt es eine schöne Aussage von Catherine David: Sie sagt, dass nach dem Vietnamkrieg Bilder vom Krieg nie mehr in der Öffentlichkeit zirkulierten - wirkliche Bilder des Krieges. Es gibt in der Öffentlichkeit Bilder von Helden und geschönte, computersimulierte Bilder von Territorien, auf die glitzernde Dinger fallen. Das Bild des Krieges aber gab es nicht mehr. Bahman Jalali ist viele Male an die Front gereist, um wirklich zu zeigen, was der Krieg ist, in der ganzen Spannbreite der Tragik.”"

Seine Serien waren oft langfristig angelegt, erstreckten sich über Jahre und Jahrzehnte und entstanden meist ohne Auftrag. Die Bedeutung Jalalis für die Kultur seines Landes kann nicht hoch genug eingestuft werden. Denn er wirkte auch als Hochschullehrer und Publizist und hat so ganze Künstlergenerationen geprägt. In Teheran war er Mitgründer des ersten Fotomuseums, zu seinen Verdiensten zählte die Rettung heimischer Schätze aus den Anfängen des Mediums. Hochherrschaftliche Porträts aus dem 19. Jahrhundert verarbeitete er motivisch zu Fotocollagen, aber auch den Schriftzug "Nieder mit dem Schah!”, gemalt auf das Schild eines Fotoateliers, montierte er in seine Bildkompositionen.

Er habe das "visuelle Gedächtnis des Iran” geprägt, heißt es zur Preisverleihung, und im Katalog ist von der "fotografischen Seele des Volkes” die Rede. Das klingt pathetisch, aber es trifft zu bei diesem Künstler, der um die Rolle der Fotografie bei der Herausbildung kultureller Identität wusste und viel dazu beigetragen hat, ihr Ansehen im Iran zu stärken. "Wir konstruieren Geschichte mithilfe von Fotografien. Sie erst geben ihr eine Form”, sagte Jalali. Inka Schube zum künstlerischen Erbe:

" "Ich glaube, seine Botschaft lautet: Wenn du Fotograf sein willst, nimm es ernst! Du bist der Fotografie verpflichtet und nicht jemandem, der dir sagt, für dieses Bild, wenn du es in bestimmter Weise machst, bekommst du 200 oder 1000 Dollar. Mach die Bilder, die du für nötig hältst!” "


Links zum Thema:
Sprengel Museum Hannover: Foto-Ausstellung Bahman Jalali