Der immer wieder ausdrucksstarke Ekel des Peter Hein

Von Laf Überland · 26.03.2010
Das Album "Monarchie und Alltag" von Fehlfarben ist ein Klassiker der deutschen Rockmusik. Ohne ihren Song "Ein Jahr" war eine Zeit lang kein Neue-Deutsche-Welle-Sampler möglich. Nun startet die Band eine neue Tournee. Auftakt ist in Lingen.
Im Jahr 2010 haben wir gerade ein Katastrophenjahrzehnt hinter uns. Herr Hein! Kann man das angemessen hören in der deutschen sogenannten Popmusik?

Peter Hein: "Es kann immer noch niemand schön und kurz sagen, wie Scheiße doch alles ist."

Michael Kemner: "Hmmm!"

Doch! Peter Hein, Sänger und Dichter der Fehlfarben, der kann das!

Hein: "Ja sicher, Punk war purer Rock'n'Roll. Das war einfach Rock'n'Roll 20 Jahre später. Und es ist immer noch Rock'n'Roll."

Wobei – man stellt sich unter Punk heut ja was anderes vor als damals: Bevor er zunächst Hausbesetzervolksmusik wurde und später Kuschelrock für Alkoholiker mit Schäferhund, war Punk ja aktives Aufbegehren: Punk – war die Gegenwehr gegen den Missbrauch der Jugend durch arrivierte Schleimbolzen.

Und im Tohuwabohu dieser neuen Jugendbewegung PUNK war Peter Hein – beziehungsweise Janie P. Jones, wie er sich stilgerecht nannte – der wahrsehende Kneipendichter! Seine Kneipe war die Düsseldorfer Punkzentrale Ratinger Hof (eine der zwei, drei Punkzentralen der Republik, damals) wo die Kids, wenn sie Schule blau machten, hingingen, um ein bisschen wirkliche Welt zu schnuppern – und von den hoffnungsgetragen No-Future-Dystopien zu schlecken.

Fehlfarben hieß dann - 1979 - die Supergroup muss man eigentlich sagen aus dem Ratinger Hof, alles Leute der ersten deutschen Punk & so-Stunden: Ex-Mittagspause, -DAF, -Der Plan und später auch S.Y.P.H.

Kemner: "Das war ja eher so'n Spaßding. Und jeder andere hat auch noch da mit gespielt und da mitgespielt, das war ne tolle Superzeit, wir waren alle super drauf"."

Bassmann Michael Kemner ist das.

Kemner: ""Dann kam plötzlich Erfolg, den kein Mensch auf der Rechnung hatte – keiner! – weder wir noch die Plattenfirma noch irgend jemand anders. Und damit ist man natürlich dann auch erstmal allein gelassen. Und dann stürzt irgendwie was auf einen drauf, wo an erstmal gar nicht weiß..."

Erst recht, als ihr erster und fast einziger Hit einer wird, den sie selbst gar nicht so recht wollten, weil er eine Art Scherz gewesen war. Aber jeder nimmt sich, was er kann, und so nahmen sich die Plattenfirma in peinlich friedlichem Zusammenschluss mit Hausbesetzer- und Sonstwie-Bewegungen das Stück "Ein Jahr".

Wie getrieben vom ersten Erfolg stieg Peter Hein aus, bald auch Michael Kemner. Die Restband Fehlfarben veröffentlichte noch zwei Alben und trat in Fernseh-Charts-Shows auf. 1984 war dann aber für alle Schicht.

Anfang der 90er gab es eine kurze Neuauflage, zehn Jahre danach noch mal: Und seit Mitte der Noughties hat die Musiker anscheinend die Notwendigkeit gepackt, die Fehlfarben als richtige Band weiterzuführen (auch wenn die Musiker inzwischen in sechs verschiedenen Städten leben), - aber nicht etwa als luxuriöses Nostalgiehobby.

Hein: "Dafür ist das Unternehmen Fehlfarben auch vom Aufwand her zu teuer, als dass wir uns das leisten können, je nachdem, ob gerade Gehälter reinfließen oder ob's vom Arbeitsamt seinerzeit gezahlt wurde seiner Zeit, sich das als Hobby zu leisten. Dafür war das zu teuer. Dafür sind die Ansprüche zu hoch auch."

Inzwischen ist Peter Hein vorne eine echte deutsche Soulmaschine! Und er schimpft und keift seinen Zorn durch diese staubtrockenen und doch /phatten/ Ohrwürmer: Geschimpft hat er ja schon immer....

Hein: "Wie Helge immer sagt: Ich prangere das an"

Helge... – Helge Schneider!

Überland: "Bist du Entertainer?"

Hein: "Nicht im klassischen Sinne, aber ich versuche schon, bei Konzerten oder so, dass man sich nicht unbedingt langweilt."

Und wenn sie jetzt auf Tour gehen, spielen sie deshalb alles mal Querbeet.

Kemner: "Ein gesamter Querschnitt – also durchs Gesamtwerk. Wir spielen also wirklich Stücke aus jeder Phase der Fehlfarben inklusive der Zeiten, wo ich gar nicht in der Band war. – Oder ich auch nicht."

Fehlfarben sind nicht zynisch geworden mit dem Auf und Ab der drei Jahrzehnte, auch der Hein nicht, er schimpft halt nur auf Teufel komm raus. Aber er beobachtet immer schärfer in dieser Mischung aus postpubertär und alterweise.

Hein: "Ich wär mir wahrscheinlich nicht zu blöd für Blues!"

He Väterchen Hein – erzähl wie es ist...! Und deshalb machen Fehlfarben 2010 Druck, als seien sie zornige Frischlinge: der immer wieder ausdrucksstarke Ekel des Peter Hein - der rund wie ein Motor laufende und stets vorantreibende Bass des sonst so ruhigen Michael Kemner - und das wunderbar Holzfäller-Gepolter der Trommlerin Saskia von Klitzewitz - und die unerwartet aus den Ritzen der Musik pulsierenden und sirrenden Sounds des Keyboarders Pyrolator - und die metall-funkigen Riffs und Planierraupen-Flächen des Gitarristen Uwe Jahnke - und Frank Fenstermachers Noise-Saxophon...

Und dazu Gedichte über den real existierenden Alltag: das bewusstseinsverlorene Altern der Punkgeneration – ach jeder Ex-Jugendgeneration eigentlich - und den institutionalisierten Leistungsdruck, die Wirtschaftskrise, jau: Der haut auch die lächerliche Showaggression der Bushidos und Sidos zurück in den Rinnstein:

"Respekt, Respekt, wofür denn das? Dein Scheiß-Respekt, was ist denn das? Ehre, Ehre wenn ich son Scheißdreck höre!"

Ziemlich großartiges Album jedenfalls, das neue, "Glücksmaschinen"! Fehlfarben - sind eben ein Haufen Leute mit Standpunkt und Meinung, kompromisslos - besonders in Bezug auf ihre Musik...

Kemner: "Ja das dröhnt doch auch das Stück.."

Überland: "Dann hab ich das über'n Rechner gehört."

Hein: "Ja, über'n Rechner, also!"

Kemner: "Play it loud!"

Hein: "Da kannste nicht Musik hören... HiFi-Anlage, dann hört sich das wenigstens an wie Musik.... (schimpft weiter...)"