"Der Holocaust ist eine historische und keine juristische Frage"

Der amerikanische Historiker Konrad Jarausch hat sich gegen ein grundsätzliches Verbot der Leugnung des Holocaust ausgesprochen. Ein geplantes Verbot, wie es Justizministerin Zypries während der deutschen EU-Ratspräsidentschaft durchsetzen will, sei undemokratisch, sagte Jarausch.
Er sprach sich gleichzeitig für eine Abschaffung dieses Verbots in Deutschland aus: "In der direkten Nachkriegszeit gab es noch viele frühere Nazis in der Gesellschaft. Dass man damals Sorge hatte, der Nationalsozialismus könne noch mal kommen, ist sehr verständlich. Aber wir haben jetzt sechs Jahrzehnte danach und der Nationalsozialismus ist nicht mehr Gegenwart, sondern er ist Geschichte."

Er betrachte daher den Holocaust als historische und nicht als juristische Frage. Die Auseinandersetzung mit historischen Fragen müsse mit wissenschaftlicher Forschung, öffentlicher Aufklärung und politisch erfolgen, aber sie dürfe nicht "verrechtlicht" werden.

Auf die Frage, ob es nicht eine Tatsache sei, die mit der Holocaustleugnung bewusst abgestritten werde, sagte Jarausch: "Wir sind nicht in Zeiten der Inquisition. Wenn Leute behaupten, die Erde sei flach, dann werden sie auch nicht verbrannt."

Der Historiker verwies in diesem Zusammenhang auf den Umgang mit den so genannten Kreationisten in Amerika. Diese lehnten die Darwin’sche Evolutionstheorie und glaubten, Gott habe die Erde vor 5000 Jahren geschaffen. Auch mit diesen Menschen müsse eine Auseinandersetzung wissenschaftlich und öffentlich möglich sein.

Ihn störe, dass der Holocaust meta-historisiert werde. "Man nimmt ihn aus der Geschichte heraus. Er wird philosophisch und theologisch behandelt, um eine gegenwärtige Moral zu begründen. Und dadurch wird Holocaustleugnung so etwas wie eine Gottesleugnung", so Jarausch.

Das vollständige Gespräch mit Konrad Jarausch können Sie für begrenzte Zeit in unserem Audio-on-Demand-Angebot hören.