Der Holocaust im Comic

22.09.2012
Art Spiegelmann hatte in "Maus" Juden als Mäuse und Nazis als Katzen gezeichnet. Nun gibt er Einblick in seine Arbeit und die Entstehung des Werkes mit der Nazi-Zeit als Thema. Dabei gibt er auch die aufwühlenden Gespräche mit seinem Vater wieder, der in einem deutschen KZ überlebt hat.
Der 64-jährige amerikanische Comic-Autor Art Spiegelman wird in Deutschland gerade zum lebenden Klassiker gemacht. Das Kölner Museum Ludwig zeigt eine große Spiegelman-Retrospektive, Ende des Monats wird Art Spiegelman mit dem Siegfried-Unseld-Preis 2012 ausgezeichnet. Der Autor selbst beteiligt sich auch an seiner Kanonisierung, mit "MetaMaus", einem üppigen Materialienband zu seinem "Maus"-Comic.

1986 und 1991 hat Art Spiegelman seine beiden "Maus"-Bände veröffentlicht, in denen er vom Überleben seiner jüdischen Eltern in den deutschen Konzentrationslagern erzählt. "Maus" war das erste Comic-Buch, das mit einem Pulitzer-Preis ausgezeichnet wurde, es hat das Erzählen vom Holocaust und den Blick auf das Genre Comic grundlegend verändert.

Der überraschende Erfolg von "Maus" wurde aber auch zu einer Last für seinen Autor, denn Art Spiegelman war von nun an immer der Mann, der Juden als Mäuse und Nazis als Katzen gezeichnet hatte. Seine Schuldgefühle angesichts der Tatsache, dass er seinen Ruhm so vielen Toten zu verdanken hat, ist eines der wiederkehrenden Motive in "MetaMaus".

Warum ein Buch über den Holocaust? Warum Mäuse? Warum Comics?
Das sind die drei Leitfragen für "Metamaus", die Art Spiegelman in einem mehr als 200 Seiten umfassenden Gespräch mit der Literaturwissenschaftlerin Hillary Chute zu beantworten versucht. Hillary Chute hat alle erreichbaren Materialien von Spiegelman studiert und kennt sich deshalb in seinem Werk manchmal besser aus als der Autor selbst.

Ihr Gespräch bietet einen faszinierenden Einblick in die Entstehung von "Maus" und die Arbeit von Spiegelman. Das beginnt mit den ausführlichen Befragungen seines Vaters Wladek Spiegelman, die im Anhang des Buches transkribiert sind.

Art Spiegelman berichtet, wie er Details des Lagerlebens rekonstruierte, wie er sich durch alle erreichbare Holocaust-Literatur hindurch arbeitete und nach vielen Versuchen seinen eigenen Erzählton fand. Wie kann er seine Leser bewegen, ohne sie zu manipulieren; über diese Frage hat Art Spiegelman ausführlich nachgedacht, auch deshalb erlaubt er sich grimmige Ausfälle gegen Bücher und Filme, die er als "Holokitsch" ansieht.

"MetaMaus" ist sicher nur etwas für die Leser, die Spiegelmans "Maus" kennen. Schon "Maus" ist keine reine historische Erzählung, Spiegelman hat auch dort sein kompliziertes Verhältnis zu seinen Eltern und sein Ringen um die Gestaltung des Materials mittransportiert. Diesen Weg geht er in dem neuen Buch weiter, deshalb ist "MetaMaus" mehr als nur Hintergrundmaterial.

Verstörend sind Spiegelmans Erzählungen von den Auseinandersetzungen mit seinem Vater, dem Holocaust-Überlebenden, der für ihn oft ein "unerträglicher Vater" war, ein geiziger, autoritärer Mann mit rassistischen Ansichten. "Maus" war ein radikales, manchmal geradezu exhibitionistisches Selbstporträt eines Sohnes von Überlebenden.

Diese selbst-entblößende Intensität hat auch "MetaMaus", gezügelt durch die Form des Gesprächs, eingedämmt durch viele Materialien, auf die man verzichten könnte, erleichtert durch den Witz und die Selbstironie von Art Spiegelman. Aber durch all das leuchtet hindurch, was diesen Comic-Künstler bedrängt und antreibt.

Besprochen von Frank Meyer

Art Spiegelman: MetaMaus
aus dem Englischen von Andreas Heckmann
S. Fischer Verlag, Frankfurt am Main 2012,
302 Seiten, eine DVD, 34 Euro