Der Herr der Ringe im All

Rezensiert von Dirk Lorenzen |
Vor genau zwei Jahren ist die amerikanisch-europäische Raumsonde Cassini am Planeten Saturn angekommen. Seitdem umkreist die Sonde wie ein künstlicher Mond den Planeten. Im Januar 2005 ist Cassinis europäische Tochtersonde Huygens sogar auf dem Saturnmond Titan gelandet. Harro Zimmer nimmt dies zum Anlass, die Geschichte der Saturnforschung Revue passieren zu lassen und die Raumsonde Cassini ausführlich vorzustellen.
Im ersten Kapitel geht es um die Geschichte der Saturnforschung, um die ersten Beobachtungen durch Galileo Galilei und um die Namenspatronen der aktuellen Mission: den Italiener Domenico Cassini und den Niederländer Christiaan Huygens. Dann stellt der Autor die ersten Beobachtungen mit Raumsonden vor. Die amerikanischen Sonden Pioneer und Voyager haben Ende der 70er und Anfang der 80er Jahre spektakuläre Bilder des großen Gasplaneten mit seinen zahlreichen Ringen und Monden zur Erde gefunkt.

Seit 1981 ließ sich Saturn nur aus der Ferne, also von der Erde aus, beobachten. Dabei hatten gerade die Voyager-Daten Appetit auf mehr gemacht: Denn Saturn hatte sich als sehr vielfältiger Planet herausgestellt und sein Mond Titan als Unikat im ganzen Sonnensystem: Als einziger Mond hat er eine dichte Atmosphäre. So haben die USA und Europa die Cassini/Huygens-Mission aufgelegt. 1997 gestartet, ist sie nach fast acht Jahren Flugzeit endlich am Saturn angekommen.

Harro Zimmer stellt die Sonden ausführlich vor, beschreibt die technischen Geräte an Bord und berichtet auch über einige Pannen während der Mission. So hatte man lange nach dem Start festgestellt, dass bei der Landung auf Titan die Funksignale der Tochtersonde Huygens von der Muttersonde Cassini gar nicht zu empfangen gewesen wären. Doch mit vereinten Kräften, einer veränderten Flugbahn und neuer Software ließ sich auch dieses Problem lösen - im Flug!

Jetzt liefert Cassini Tag für Tag spektakuläre Daten vom Saturn. Der Autor rekonstruiert noch einmal die dramatischen Momente der Ankunft von Cassini am Saturn und als Leser fiebert man bei der Landung von Huygens auf Titan mit. Zum Schluss geht Harro Zimmer auf die ersten Ergebnisse der noch laufenden Mission ein, zeigt Geysire auf einem Saturnmond, bei denen Wasser aus einer Eiskruste in den Weltraum herausschießt. Er beschreibt, was wir nach der Landung der Huygens-Kapsel nun über den Titan und seine Atmosphäre wissen - und wie es mit der Saturnforschung weitergehen könnte.

Das Buch hat das ESA-Logo auf dem Titel - es ist in Zusammenarbeit mit der Europäischen Raumfahrtagentur ESA entstanden. Ein ESA-Wissenschaftler hat das Vorwort geschrieben. Aber das Buch ist keineswegs ein PR-Produkt - dafür bürgt die journalistische Qualität von Harro Zimmer.

Harro Zimmer ist der Nestor der Raumfahrtjournalisten in Deutschland. Er kennt die Szene so lange und gut wie kaum jemand anders im Land - und er war in den vergangenen Jahrzehnten bei vielen wichtigen Momenten der Saturnforschung dabei. Er schreibt recht distanziert. Die beteiligten Forscher und Ingenieure kommen kaum zu Wort. In den sechs Kapiteln werden allerdings immer einige Forscher in so genannten Porträts vorgestellt - die sind dann mit kaum 30 Zeilen mitunter allerdings etwas kurz geraten. Da möchte man als Leser an vielen Stellen sicher etwas mehr über die Menschen hinter diesem Raumfahrtprojekt erfahren.

Vielleicht ist der Text auch an einigen Stellen aus der Rolle des Insiders etwas technisch formuliert - es weiß wohl nicht jeder Leser, was ein Standardbus im Satellitenbau ist oder eine Phase-A-Studie für ein Raumfahrtprojekt. Aber das sind nur Kleinigkeiten, die den Genuss des ansonsten wunderbar verständlichen und lockeren Textes nicht schmälern.

Ärgerlicher ist da schon, dass der Verlag wohl beim Druck sparen wollte und bei den Bildern sehr zurückhaltend war. Es gibt mittlerweile fast tausend grandiose Cassini-Bilder vom Saturn und seinen Monden - aber auf 144 Seiten bekommt man als Leser nicht einmal 20 davon zu sehen. Obwohl das Buch ein recht großes Format hat (21 cm x 27 cm), sind die Bilder oft zu klein. Ein breites Ringpanorama wird nur eineinhalb Zentimeter hoch abgedruckt, damit es auf eine Seite passt - daraus hätte man viel mehr machen können.

Fazit: Ein sehr informativer und unterhaltsamer Streifzug durch die Saturnforschung. In Anbetracht der wenigen aktuellen Bilder ist der Preis mit 29,90 € allerdings zu hoch.


Harro Zimmer: Saturn - Aufbruch zum Herrn der Ringe
Primus Verlag, Darmstadt 2006, 144 Seiten