Der Helge Schneider Finnlands

Von Thorsten Jabs · 30.12.2005
Seit den 60er Jahren hält Numminen der finnischen Gesellschaft als Sänger und Komponist, Kolumnist und Buchautor, Komiker und Filmemacher den Spiegel vor. Er provoziert und rebelliert und ist inzwischen selbst zu einem begehrten Marken- und Exportartikel geworden. Schon häufig wurde er als "Helge Schneider Finnlands" bezeichnet.
" M. A. Numminen ist ein Phänomen, das so schwierig und kompliziert ist, dass er auch für mich selbst sehr schwierig ist. "

Dieses finnische Phänomen zu beschreiben, ist ein kein leichtes Unterfangen – immerhin liegen über 40 Jahre Arbeit als Musiker, Soziologe, Autor, Filmemacher oder Komiker hinter ihm. Mit einem spitzbübischen Lächeln wartet er auf die Fragen, die wilde Frisur und der Vollbart des 65-Jährigen sind inzwischen leicht ergraut, welche humorvollen Einfälle sich dahinter verbergen, lässt sich nur erahnen:

" Es passiert im Kopf die ganze Zeit, ich bekomme Ideen überall. "

Anfang der Sechziger Jahre studiert Mauri Antero Numminen in Helsinki Philosophie, Soziologie und Sprachwissenschaft – und bis heute kreisen viele seiner Ideen um die Verbindung zwischen Wissenschaft, Kunst, Volkspoesie und Humor. Wie die Vertonung Ludwig Wittgensteins "Tractatus-Logico Philosophicus" – mit Jazz-, Rock-, Walzer und Marschmusikelementen:

" Jedesmal, zum Beispiel hier in Deutschland, als ich die "Tractatus"-Suite aufgetreten habe, habe ich bemerkt, dass das Publikum jubiliert, obgleich sie nichts verstehen."

Ob Jazz oder Rock, finnische Volksmusik oder Techno, eigene Komposition oder Coverversion – Numminen ist ein musikalischer Tausendsassa. Immer wieder provoziert er mit seinen Texten – in Finnland hagelt es ab 1966 Auftrittsverbote weil er freizügig über Sexualität singt und in seinen Texten das Parlament verhöhnt – in Bulgarien wird seine Band 1968 von einem Festival verbannt, weil sie mit selbst gebastelten elektronischen Instrumenten und Texten von Schubert die Masse verstört. Für den lustigen und listigen Finnen einer seiner größten Erfolge:

" Das war, natürlich, ich wollte als junger Mann so viel wie möglich provozieren."

Eine der größten Leidenschaften Mauri Antero Numminens – als Musiker und Soziologe – ist jedoch der finnische Tango.

" Die finnische Männer sind ganz scheu, besonders als junge Männer, und sie haben nicht die Kraft, sachlich zu einer Frau sagen: Ich liebe dich. "

Sagt der Wissenschaftler Numminen. Erst durch den Tango und seine traurigen Texte kommen die finnischen Männer in Wallung. Das hat schon der junge Schlagzeuger Mauri Antero fasziniert bei Tanzveranstaltungen beobachtet:

" Dann, das war ein Rusch, also die Männer, sie sprangen zu den Frauen und das Boden war voll von Volk und alle waren sehr glücklich."

"Tango ist meine Leidenschaft", heißt Numminens literarische Liebeserklärung an den Finntango – "Der Kneipenmann" seine schelmische Studie der traditionell volkstümlichen Dünnbierkneipen. Allerdings konnte die Recherche in über 350 Kneipen in 185 finnischen Kommunen ganz schön hart sein:

" Dann habe ich so voll gewesen, dass meine Frau hat am nächsten Morgen mir erzählt, was in der Kneipe passiert war, und da habe ich meine Schreibmaschine genommen und sogleich alles geschrieben."

Wenn man dem finnischen Original begegnet, wundert man sich kaum über seine Begeisterung für die eigene Kultur:

" Ich bin ein typischer Finne. Ein typischer Finne spricht sehr wenig. "

Genau das könne zu peinlichen Situationen führen, scherzt Numminen, vor allem wenn die Menschen von ihm erwarten, dass er redet. Dabei sind Ruhe und Einsamkeit ein Teil der finnischen und damit auch seiner eigenen Persönlichkeit:

" Normalerweise, wenn ich mit meinem Begleiter im Auto sitze, können wir in aller Ruhe zwei Stunden fahren, ohne zu sprechen, und wir finden es gut, es ist nicht peinlich, gar nicht. "

Peinlich ist dem Skandinavier auch nicht, dass er in Finnland in den achtziger Jahren als Kinder-Komiker im Fernsehen sehr populär geworden ist. Noch heute tritt er hin und wieder mit seinem Partner als "Gomi und Pomi" – als Katze und Hase – in Konzerten auf – für die Erwachsenen, die damals Kinder waren. Und wenn er lachend von der Frage eines Journalisten erzählt, wird deutlich: Ein wichtiger Teil des Phänomens M. A. Numminen ist sein Humor:

" Herr Numminen, Sie haben keine Kinder und Sie machen so viel Kinderkultur, warum? Meine Frau hat für mich geantwortet: Numminen braucht keine Kinder, er ist das Kind für sich selbst."

Service:

Für das Deutschlandradio Kultur hat Mauri Antero Numminen in diesem Jahr exklusiv ein Hörspiel geschrieben, das am 29. Mai 2006 im Hackeschen Hörtheater uraufgeführt und am 3. August 2006 im Rahmen des Physik-Schwerpunkts gesendet wird.