Der große Coup

Ein Roman in guter alter Hardboiled-Tradition. Über sechzig Jahre ist die Idee nun alt: Man lässt desillusionierte, trinkende Ermittler sich mit einer Welt verstricken, die aus den Fugen geratenen ist. Der amerikanische Autor Sean Rowe geht in seinem Debütroman nach diesem Konzept vor, und es funktioniert wie am ersten Tag.
Wobei das Besondere an "Traumschiff" ist, dass Matt Shannon, der Chef der Sicherheitsabteilung einer Luxusliner-Reederei in Miami, einen Anschlag aufklären soll, den er gleich auf den ersten Seiten selbst begeht. Sein Stiefbruder, der gerade aus dem Gefängnis entlassen worden ist, hat ihm am Hafen einen kleinen schwarzen Kasten in die Hand gegeben. Shannon drückt nichts ahnend auf einen Knopf, und in einigen hundert Metern Entfernung explodiert ein Frachtschiff.

Das ist aber nur der Anfang. Ein weit größerer Coup läuft an. Ein Kreuzfahrtsschiff soll entführt und viele Millionen Dollar Drogengeld sollen gestohlen werden. Außerdem geht es um alte Rechungen, die beglichen werden müssen, um die kaputten Familienverhältnisse aller Beteiligten und um sehr viel Schnaps und Kokain, mit dem all dies gleichzeitig bekämpft und befördert wird. Und um eine Frau, die buchstäblich Engel und Hure ist. Das klassische Hardboiled-Programm also.

"Traumschiff" ist der erste Roman von Sean Rowe, der sonst als Journalist arbeitet und das Buch geschrieben hat als er sich von einem Unfall erholte, der ihn beinahe das Leben gekostet hatte: Er war von einem Zug überfahren worden. Schaut man sich die Fotos an, auf denen sich der Autor auf einem herunter gekommenen Bahnhof hat ablichten lassen - er steht auf den Schienen und eine riesige Diesellok nähert sich von hinten -, so bekommt man einen guten Eindruck von der Haltung, mit der dieses Buch geschrieben worden ist.

Natürlich wird hier viel und gerne mit dem Bild einer verkommenen und gefährlichen Welt kokettiert. Doch ohne sich darüber zu erheben oder sich lustig zu machen. Schreiben heißt für Rowe, dahin zu gehen, wo es weh tut. Ohne zu vergessen, dass es am Ende eben doch nur eine Geschichte ist, die man erzählt.

Einen Einwand muss man gegen dieses wunderbare (und mustergültig
übersetzte) Buch allerdings ins Feld führen: Das Cover funktioniert nicht. Was zum Teufel hat ein Mädchen im Bikini, das in einem Miniaturnachbau einer amerikanischen Vorstadt steht und nach einer Milchflasche greift, mit dem Inhalt des Buches zu tun? Auch nach langem Nachdenken und mit viel gutem Willen muss man leider sagen: nichts.

Dieses Cover führt in die Irre. Es lässt einen glauben, in diesem Buch gehe es um die Abgründe, die unter der amerikanischen Normalität schlummern. Doch die Abgründe, die hier beschrieben werden, sind andere. "Traumschiff" handelt von der Gier nach Geld, dem perfekten Verbrechen, alten Loyalitäten und von Verrat. Die kreuzfahrenden Normalbürger sind nur Statisten in dem Spiel einer Hand voll wild Entschlossener, für die Normalität nicht einmal mehr ein Traum ist. Keiner der Protagonisten hat große Pläne für die Zeit nach dem Coup.

Wenn man als Urlauber in diesem Buch irgendwo seinen Platz hat, dann auf dem Sonnendeck. Als Leser.


Rezensiert von Tobias Rapp

Sean Rowe: Traumschiff
Übersetzt von Hans-Joachim Maas.
Marebuchverlag, Hamburg 2007, 236 Seiten, 19.90 Euro