Der größte Magier seiner Zeit

31.08.2012
Nur wenige Fantasy-Romane haben für so viel Wirbel gesorgt wie das Debüt des US-Autors Patrick Rothfuss. Der erste Band einer Trilogie wurde von den Genre-Fans und vielen Kritikern hymnisch gefeiert. Jetzt bringt der Hörverlag "Der Name des Windes" als ungekürzte Lesung heraus.
"Ich habe geraubte Prinzessinnen aus den Händen schlafender Unholde befreit. Ich habe die Stadt Trebon niedergebrannt. Ich habe eine Nacht mit Felurian verbracht, und es hat mich weder das Leben noch den Verstand gekostet."

Bescheidenheiten gehört nicht zu den vielen Talenten unseres Helden. Kvothe, der größte Magier seiner Zeit, ist eine Legende.

"Ich wurde von der Universität verwiesen, in jüngerem Alter, als die meisten Leute dort zugelassen werden. Ich (..) habe Lieder geschrieben, bei denen selbst die Sänger in Tränen ausbrechen. Ihr habt womöglich schon von mir gehört."

Doch seit Jahren gilt er als verschollen, lebt untergetaucht in einem winzigen Dorf am Rande der Welt, getarnt als harmloser Schankwirt. Er scheint mit Schuld zu sein am Krieg, der das Land verheert. Der Magie hat er abgeschworen. Doch warum? Was ist passiert?

"Wenn hier schon erzählt wird, dann auch richtig."

Patrick Rothfuss, ewiger Student mit Rauschebart an der Universität von Wisconsin, hat 14 Jahre lang allein am ersten Band seiner Trilogie geschrieben. Die Arbeit hat sich gelohnt: Rothfuss schafft es, dass man auch als Hörer des Hörbuches Kvothes Schicksal unbedingt erfahren will, über die fast 30 Stunden hinweg, die er einem reisenden Chronisten die Geschichte seines Lebens erzählt.

Kvothe ist der hochbegabte Sohn einer fahrenden Truppe von Schauspielern. Als er zwölf Jahre alt ist, werden seine Eltern ermordet - von den Chandrian, dämonenhafte Kreaturen, an deren reale Existenz kaum jemand mehr glaubt.

"Er war ein winterfahles Wesen. Alles an ihm war kalt, scharf und weiß. Etwas griff mit beiden Händen tief in meine Brust und drückte zu. Es könnte durchaus das erste Mal in meinem Leben gewesen sein, dass ich wirklich Angst empfand. 'Ist das das Lagerfeuer deiner Eltern?‘ fragte er mit entsetzlichen Ergötzen. Ich nickte wie benommen. 'Die Eltern von irgendwem‘, sagte er 'haben die falschen Lieder gesungen‘."

Als bettelendes Waisenkind schlägt Kvothe sich wie weiland Oliver Twist mühsam durch, bis er vom Arkanum erfährt, der berühmten magischen Universität. Dort hofft er einen Schlüssel zur Lösung des quälenden Rätsels zu finden, warum seine Familie sterben musste.

"Ich ging dorthin, um Magie zu studieren. Magie, wie man sie aus Geschichten kennt. Magie wie bei Taborlind dem Großen. Ich wollte den Namen des Windes erlernen, Ich wollte Feuer und Blitz. Ich wollte Antworten auf tausende Fragen und Zugang zur dortigen Bibliothek. Doch was ich an der Universität fand, war ganz und gar nicht so wie in den Geschichten."

Stefan Kaminski liest diese vielen hundert Seiten. Er klingt zunächst sehr jung und man fragt sich, ober er diese ellenlange Chronik als Hörbuch tragen kann. Doch hat man sich eingehört, passt Kaminskis Stimme ausgezeichnet zu dem rebellischen jungen Kvothe: Feuerrotes Haar und erst 15, als er die schwere Aufnahmeprüfung an der Universität besteht, dank eines Tricks und obwohl ihm das geforderte Empfehlungsschreiben fehlt.

"‘In dem Schreiben würde stehen, dass ich die ersten 90 sympathetischen Bindungen auswendig beherrsche. Dass ich die doppelte Destillation beherrsche. Dass ich Lösungen titrieren, sublimieren und ausfällen kann. Dass ich mich in Geschichte gut auskenne, in Rhetorik, Grammatik, Medizin und Geometrie.‘ Der Rektor tat sein Möglichstes, nicht belustigt zu erscheinen. 'Das ist eine ganz schöne Liste. Bist du sicher, dass du nichts ausgelassen hast?‘"

Als "Harry Potter für Erwachsene" wird die "Königsmörder-Chronik" gern beworben. Das epische Ausmaß und die bis ins letzte Detail ausgearbeitete fremde Welt weisen tatsächlich Ähnlichkeiten auf. Auch teilen sich Rowling und Rothfuss das Motiv des Waisenknaben mit nur wenigen Freunden und mächtigen Feinden.

Doch die Sprache des Amerikaners ist viel lyrischer, sein Held facettenreicher. Kvothe kommt ohne Zauberstab aus, seine Magie ist eng mit den Naturwissenschaften verwandt.

Anders als der grundgute Harry ist Kvothe ein ebenso charismatischer wie eitler und unzuverlässiger Erzähler. Wegen hoher Studiengebühren ständig in Geldnot, verdingt er sich als Sänger in Wirtshäusern.

"‘Schweigt still. Denn so ihr auch bekämt der Lieder viel zu hören, ihr vernähmt wie dies kein Zweites. Von Ilien selbst verfasst vor Zeiten. Eines Meisterlebens Meistersang. ‘"
Leider ist der Autor so begeistert von seinem Charakter des Kvothe, dass er uns jede Kleinigkeit aus dessen Alltag schildert. Dadurch wirkt seine mittelalterliche Welt zwar trotz der fantastischen Elemente real, aber die Handlung dümpelt manchmal nur mühsam voran, eine Straffung um ein paar hundert Seiten hätte dem Werk gut getan.

Dennoch: Patrick Rothfuss ist ein kraftvoller Erzähler, der die Klischees des Genres mit Vergnügen auf die Schippe nimmt.

"Im Saal wurde es still und ich begann zu spielen. Die Musik strömte aus mir heraus und meine Laute war eine zweite, dann auch wie eine dritte Stimme (...). Das Publikum wogte unter Musik wie ein Kornfeld unter dem Wind. (...) Und ich spürte, dass sie anfingen, mich zu lieben - und zu fürchten."

Besprochen von Vanja Budde

Patrick Rothfuss: Der Names des Windes
Gelesen von Stefan Kaminski
4 MP3-CDs, Hörverlag
München 2012, 24,99 Euro