"Der Geschmack von Rost und Knochen"

Von Hannelore Heider · 09.01.2013
Der bitterarme Boxer Ali und die versehrte, von Depressionen geplagte Tierdresseurin Stéphanie sind ein ungleiches Paar. Dennoch finden sie zueinander - und schaffen es, sich gegenseitig Mut zu machen. Ein harter, herausfordernder Film.
Der Titel ist so seltsam wie der schwer einem Genre zuzuordnende, emotional berührende Film. Er basiert auf einer Kurzgeschichte aus der Sammlung "Rust and Bone" des Kanadiers Craig Davidson. Er beginnt als Sozialdrama, als Vater Ali (Matthias Schoenaerts) und sein kleiner Sohn Sam (Armand Verdure) mit dem Zug zur Schwester und Tante an die Côte d'Azur fahren. Die beiden ernähren sich von Essensresten, auch das volle Haus von Schwester Anna (Corinne Masiero) wird von Menschen bewohnt, die mit der touristischen Sonnenküste so gar nichts zu tun haben. Hier leben Menschen von kärglicher Arbeit, wenn sie überhaupt welche haben.

Ali verdingt sich als Preisboxer und Türsteher und lernt so auch Stéphanie kennen. Im Marineland d'Antibes arbeitet sie als Dresseurin für riesige Wale in einer Show für Touristen. Als ein Unfall geschieht, erwacht sie im Krankenhaus mit amputierten Unterschenkeln. Nach langer Zeit der Depression sucht sie Kontakt zu Ali - und dieser harte Kerl wird ihr Begleiter und Liebhaber.

Die nüchterne Art, in der die beiden "Versehrten" miteinander umgehen, schockiert und doch erleben wir, wie sie sich Mut machen, wie Stéphanie Ali zu einem disziplinierten Boxer und er sie wieder zu einer lebensfrohen Frau macht. Das ist bei allen melodramatischen Verwicklungen gänzlich unsentimental und mit viel Gespür für die Wut und Verzweiflung der Helden erzählt. Die Ärmlichkeit der Verhältnisse spiegelt sich in Alis Gefühlsleben, aber da Stéphanie Gefühle auch erst wieder zulassen muss, erscheint die Annäherung der beiden glaubhaft.

Der wuchtige Belgier Matthias Schoenaerts ist für den französische Kinostar Marion Cotillard ein ebenbürtiger Partner, sie spielt die Stéphanie unglamourös mit harter, herber Schönheit und wird ihre Fans damit wirklich überraschen. Natürlich zieht sie die Aufmerksamkeit auf sich, aber auch die Konflikte in Annas Familie, im Boxermilieu und die zwischen dem verantwortungslosen Vater und seinem kleinen Sohn sind in ihrer harten Konsequenz eine Herausforderung für den Zuschauer.

Frankreich/Belgien 2012; Regie: Jacques Audiard; Darsteller: Marion Cotillard, Matthias Schoenaerts, Armand Verdure, Corinne Masiero; 127 Minuten, ab 12 Jahren

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