Der Gentlemanfarmer
Blitzblauer Himmel, Weinstöcke, eingefasst von einem schroffen Bergmassiv - in diese Landschaft am Kap der guten Hoffnung hat sich Fred Uhlendorf verliebt.
"Ich bin hier vor elf Jahren nach Südafrika gekommen. Kapstadt ist eine wunderschöne Stadt und rundherum die Länder sind eine der schönsten Landstriche, die ich kenne. Ich habe damals auf einem Weingut ein Häuschen gemietet und habe mich dann mit dem Besitzer angefreundet und sein Lebensstil gefiel mir von Tag zu Tag besser und so habe ich dann eben sehr schnell angefangen, nach Weingütern zu schauen."
Fred Uhlendorff steht auf der Terrasse vor seinem Haus. Der 65-Jährige kleidet sich lässig elegant: helle Stoffhose, weißes, offenes Hemd, sportliche Schuhe. Drahtige Figur, lebhafte Augen hinter Brillenglas. Wie ein Landwirt sieht er nicht aus. Sein Blick schweift über die Weinberge.
"Von hier aus meine Plantagen zu übersehen und auf die Berge zu schauen ist doch schon was."
Fred Uhlendorff geht ein paar Schritte. Er hat sich mit dem Weingut einen Traum erfüllt. Noch einen, muss man sagen. Denn der 65-Jährige blickt auf eine sehr erfolgreiche Karriere zurück - und zwar nicht als Winzer, fügt er bei der Frage nach seinem landwirtschaftlichen Background schmunzelnd hinzu. Die Farm ist für ihn als Gentlemanfarmer Liebhaberei – kein Beruf, der das Überleben sichern muss.
"Ich hab mal Mathematik studiert. Ich hab mich dann auf Informatik spezialisiert und hab mein Geld verdient mit einer Beratungsfirma, Hauptsitz in New York, und hab Großbanken in African Affairs beraten. Ich hatte eine etwas größere Firma, wir haben in 27 Ländern auf diesem Kontinent gearbeitet."
Seine Heimat Deutschland verlässt Fred Uhlendorff direkt nach dem Studium. "Mir ist es damals einfach zu eng geworden", erklärt er. An dem Gefühl hat sich bis heute nichts geändert. Mit Anfang 40 zieht er sich als erfolgreicher Unternehmensberater aus dem Tagesgeschäft zurück, segelt mit seiner Yacht mehrmals um die Welt. 1992 führt ihn die Reise nach Kapstadt, ungewollt nach einem Mastbruch im Südatlantik. "Ich war überrascht von der Schönheit der südafrikanischen Kapregion", erzählt der Ex-Manager und heutige Winzer.
"Ich hab dann die Kapregion vorgemerkt als einer der Plätze, wo man mal leben könnte, wenn etwas anderes tun möchte und das kam bei mir früher, als ich es erwartet hatte. Meine Yacht wurde gestohlen und da musste ich mich sehr schnell neu orientieren und hab eben dann die Plätze aufgesucht, die mir besonders gut gefallen haben und einer davon war Kapstadt. Ich wollte nie in der Stadt wohnen, ich wollte immer ländlich sein. Ich habe mein ganzes Leben ländlich verbracht. Selbst die Zeit in New York, wo ich vielleicht 20 Prozent meiner Zeit in New York war, den Rest hier in afrikanischen Ländern, aber mein Haus war außerhalb in Long Island."
Nach einem unsteten, abenteuerlichen Leben lässt sich der Weltenbummler in Südafrika nieder. Ruhestand in Deutschland kommt für ihn nicht in Frage. Mit seiner Heimat verbindet ihn nicht mehr viel. Seine Farm bei Paarl ist nur eine halbe Autostunde von Kapstadt entfernt. Dort wohnen viele seiner Freunde, erzählt der 65-Jährige. Auf Konzerte, Theater, Oper und Restaurants will und muss er nicht verzichten. Doch warum entscheidet er sich damals für eine Weinfarm und nicht einfach für eine Villa auf dem Land? Fred Uhlendorf lächelt bei dieser Frage spitzbübisch.
"Ich hatte zehn Jahre nur Dinge getan, die mir Spaß gemacht haben, das heißt, gesegelt und so weiter. Ich wollte wieder irgendetwas tun. Deshalb habe ich nach einem Weingut gesucht, was wie dieses verfallen war, pleite gegangen war, wo also vieles oder fast alles neu gemacht werden musste. Der Vorbesitzer hat alles Mögliche probiert, alles Weinarten, die entweder überaltert oder unmodern waren und ich suchte eben nach etwas, was ich neu anfangen konnte und was ich modernen Anbauweisen führen konnte. Das ist der Schmusekater."
Der schwarze Kater streicht Fred Uhlendorff um die Beine. Der nimmt ihn auf den Arm und schlendert von der Terrasse in den Garten.
Auf der anderen Seite des Rasens stehen die alten Farmgebäude. Gebaut 1714. Liebevoll renoviert vor 11 Jahren. Die weiß getünchten Wände und geschwungenen Giebel blenden im Sonnenlicht. Eines der Reetdächer wird gerade neu gedeckt. Palmiet Valley heißt die Farm, gegründet von Hugenotten Ende des 17.Jahrhunderts. Aufgebaut aus dem Nichts, erzählt der heutige Besitzer. Übrigens ist er der erste, der keinen französischen Namen trägt.
"Die haben damals, sechs Spaten, zwei Ochsen, einen Wagen, verschiedenes Handwerkszeug bekommen und dann: macht mal. Das war halt dann zunächst mal Knochenarbeit, das Ganze urbar zu machen. Es gab hier Elefanten, Löwen, Bergleoparden, dort im Berg River gab es Hippos. Es war also wie in einem Tierpark damals."
Nilpferde, Elefanten und Löwen gibt es in der Region nicht mehr. Nur Antilopen, Paviane und Vögel sind geblieben, erzählt Fred Uhlendorff, blickt etwas wehmütig auf den malerischen Gebirgszug am Horizont, wendet sich dann wieder der Geschichte seiner Farm zu.
"Diese Leute haben es dann sehr, sehr schnell zu Wohlstand gebracht, weil sie sehr gute Landwirte waren, sich im Weinanbau auskannten, kein Rückfahrtticket hatten, weil sie keine Heimat mehr hatten. Und der dritte große Vorteil: sie kamen Familienweise. Damals hatte man ja 10, 12 oder 14 Kinder, die hatten damals also ihr eigenes Workforce. Die Landwirtschaft bekam einen unheimlichen Boom. Wein war sehr gefragt auf den Schiffen und da sehr hohe Preise erzielt."
Eine echte Erfolgsgeschichte, findet selbst der erfolgsverwöhnte frühere Unternehmensberater und heutige Gentlemanfarmer, streichelt noch einmal kurz den Kater auf seinem Arm, setzt ihn dann auf den Weg.
"Wir gehen mal hier runter zu einem unserer Weinfelder."
Der Weg: gesäumt von Lavendel und Rosmarinhecken. Der Duft: berauschend. Uralte Eichen und violett blühende südafrikanische Jacaranda-Bäume spenden mir ihren flachen Kronen Schatten. Dazwischen saftig grüne Rasenflächen, Rosen in allen Farbnuancen, surrende Bienenstöcke, Kräuter- und Gemüsegarten.
"Das war alles mehr oder weniger Buschfläche. Es gab keine Wege, es gab keine Mauern, es war eben alles offen. Ich habe 3500 Rosen gepflanzt, die ganzen Lavendelhecken und Rosmarin und so weiter."
Zufrieden blickt Fred Uhlendorff auf seine Gartenanlage. Geht einen Schritt von der Sonne in den Schatten.
"Einer der Hauptgründe, dass ich hier bin ist das Klima. Meiner Meinung nach leben wir in einer der schönsten Klimazonen der Welt. Wir haben vier Jahreszeiten, aber drei sehr kurze, Winter, Herbst und Frühling sind jeweils so sechs Wochen und dann einen ganz langen Sommer. Und wir haben nie, so wie in Deutschland, in Europa, wo alles grau ist. Jede Sorte Bäume hat ihre eigenen Jahreszeiten. Wenn die Eichen keine Blätter haben, blüht vieles andere. Vor ein paar Wochen haben diese Rosmarinhecken geblüht, das war traumhaft. Rosmarin blüht blau, viele kleine Blütchen und sieht wunderschön aus."
Schön sind auch die Rosen, die vor jeder Reihe Weinstöcke am Wegesrand blühen. Fred Uhlendorff bleibt vor einer stehen. Es gibt ein Gerücht, dass Winzer durch Rosen Krankheiten am Wein früher erkennen können. Er rollt kurz mit den braunen Augen hinter der Brille.
"Mein Farmmanager sagt dazu: wenn ich die Rosen bräuchte, um Krankheiten am Wein zu erkennen, dann sollte ich eigentlich lieber als Maler oder irgendwas gehen, dann sollte ich kein Landwirt sein. Also bei uns sind die gepflanzt, weil es eben besonders schön aussieht. Krankheiten am Wein - ich oder mein Farmmanager gehen jeden Tag durch die Plantagen, durch die Felder und wenn irgendwas ist, fällt einem das normalerweise früh auf."
Fred Uhlendorff geht ein paar Schritte in seinen Weinberg hinein. Sein Kater ist schon da - räkelt sich zwischen den Rebstöcken im Stroh. Doch der Gutsherr schaut diesmal nur auf seine Weinstöcke.
"Das hier ist Merlot, vor etwa sechs Jahren gepflanzt, also im zweiten Jahr in der Produktion. Sie sehen, im Moment sieht das alles noch recht wild aus, wie die Ranken wachsen. Die Weinstöcke sind gerade fertig mit den Blüten, da bilden sich jetzt so langsam die kleinsten, so Stecknadelkopf-große Weintrauben. Das was jetzt hier so wild wuchert, muss auf die Drähte gesteckt werden und wird hinterher maschinell beschnitten. So wie es jetzt ist, kann man es noch nicht maschinell beschneiden, sonst würde man die Trauben mit abschneiden."
Geerntet werden die reifen Trauben dann wieder per Hand. Im Januar, mitten im südafrikanischen Sommer, wenn es hier in der Weinregion am Kap zwischen 36 und 40 Grad heiß wird. Deshalb beginnt die Arbeit noch vor Sonnenaufgang und endet vor den Mittagsstunden, erklärt Fred Uhlendorff. Vor ein paar Jahren hat er damit eigene Angestellte und Saisonarbeiter beschäftigt. Heute ist das anders, betont er. Da scheint wieder der Geschäftsmann durch.
"Wir hatten bis vor einem Jahr um die 30 Mitarbeiter, jetzt haben wir nur noch vier. Die drastische Reduzierung ist, dass wir das nun outsourcen, dass wir fast alle Arbeiten von einer Firma machen lassen, was für uns erheblich günstiger ist. Wir bezahlen also pro Weinstock oder pro Einheit anstatt Festangestellte Leute zu haben, die ein festes Einkommen haben. Für jeden der Beteiligten ist das besser. Die Arbeiter verdienen erheblich mehr, aber dadurch, dass die mehr arbeiten, weil sie eben auch pro Einheit bezahlt werden."
Fred Uhlendorff bückt sich, prüft mit dem Daumen eine schwarze Plastikdüse an einem Schlauch neben den Weinstöcken: die künstliche Bewässerung. Ohne geht hier nichts, betont er. Denn zwischen Dezember und Mai regnet es in der Region so gut wie gar nicht.
"Der Wert einer Farm richtet sich sehr danach, wie viel Wasser man zur Verfügung hat und wir haben einen recht großen Stausee und haben noch nie irgendwelche Probleme gehabt. Alles was auf der Farm grün ist: die Obstplantagen, die Olivenplantagen, die Weinplantagen, alles ist unter künstlicher Bewässerung. Deshalb ist der Anbau hier keine billige Sache, das ist wahrscheinlich das Teuerste hier beim Ganzen: Die Wasseranlagen."
Auf etwa der Hälfte der 46 Hektar großen Farm stehen Oliven- und Obstbäume. Die andere Hälfte ist mit Weinstöcken bepflanzt. Merlot und Shiraz sind die Rotweine, erklärt Fred Uhlendorff fachmännisch, Chardonnay und Chenin Blanc die Weißweine.
"Chenin Blanc war mal der meist angebaute Wein in Südafrika, ist eine der sechs verschiedenen Traubensorten, die hier in Südafrika entstanden sind. Der prominenteste Rotwein ist der Pinotage. Südafrika war bis vor 15, 20 Jahren ein Weißwein-Land. Es wurde ja bis vor 10 Jahren so gut wie nicht exportiert, weil Südafrika ja auf der schwarzen Liste stand. Erst als ich hierher kam, fing es an mit Rotwein-Anbau und es war enorm schwierig Pflanzen zu bekommen. Ich habe also eine Wartezeit von 4 Jahren gehabt um Rotwein-Stöcke, also Pflanzen zu bekommen."
Grund dafür sind die scharfen Kontrollen der Regierung. Weinstöcke dürfen nicht nach Südafrika importiert werden, weil mit ihnen Krankheiten eingeschleppt werden können. Sie dürfen also nur von einigen autorisierten Farmen aus der Region gekauft werden, erklärt Fred Uhlendorff, während er vorsichtig ein gelbes Blatt vom Rebstock zupft.
"Ich bin der erste Besitzer, der auf dieser Farm Rotwein gepflanzt hat. Ich habe Merlot und Shiraz gepflanzt. Leider konnte ich keinen Pinotage pflanzen, weil mir gesagt wurde, von Experten, nachdem wir Bodenproben genommen haben, dass unser Pinotage nicht diese schöne dunkelrote Farbe haben würde. Deshalb habe ich mich für Shiraz und Merlot entschieden. Die besten Shiraz aus Südafrika kommen hier aus Paarl. Hier in Paarl ist es etwas wärmer als in anderen Weinanbaugebieten und Shiraz kommt ja aus Persien und mag es etwas wärmer als die anderen Rotweine. Unsere größte Produktion und unser Renner ist nach wie vor unser Chenin Blanc. Inzwischen wird der nicht mehr lieblich, sondern als leichter trockener Weißwein gekeltert, ideal zum Lunch, ideal zum Fisch, also ein leichter trockener Wein."
Versonnen schaut Fred Uhlendorff auf den Weinstock, ordnet behutsam ein paar wilde Ranken. Im nächsten Moment ist er wieder ganz Geschäftsmann: Die Preise für den Chenin Blanc sind in den letzten Jahren enorm gestiegen, betont er. Hintergrund ist der Rotwein-Boom der 90er Jahre. Viele Winzer stellen damals ihre Produktion um, pflanzen statt Weißwein- Rotweinstöcke. Nicht nur in Südafrika, sondern weltweit. Eine Überproduktion und niedrige Preise sind die Folge – bis heute.
"Wir arbeiten also im Rotweinbereich mit großen Verlusten und das kann man auch nicht kurzfristig ändern. Weinanbau ist zunächst mal eine enorme Investition: Ein Weinstock lebt 30 Jahre und in den ersten 4 Jahren fließt enorm viel Kapital ohne irgendwelchen Return. So dass sich die meisten nicht leisten können, kurzfristig auf etwas anderes umzustellen. Es gibt hier in Südafrika keinerlei Subventionen, es gibt nicht einmal Bankkredite für die Landwirtschaft, weil es eben "high risk” ist für die Banken, deshalb muss man das schon aus eigener Tasche schaffen."
Man braucht also ein großes Portemonnaie oder eine andere Einnahmequelle, um sich den Weinbau überhaupt leisten zu können, fügt der 65-Jährige hinzu. Er hat beides. Das Kapital und luxuriöse Hotelzimmer in den liebevoll restaurierten historischen Gebäuden der Farm. Besonders gefragt sind sie für Hochzeiten und bei betuchten Touristen, die sich abends auf der Weinfarm von einem Sternekoch verwöhnen lassen und in exklusiven handverlesenen Antiquitäten wohnen. So, wie es ihr Gastgeber als Lebemann und Perfektionist auch gerne hat.
"Das war genau das, was mir am meisten Spaß gemacht hat. So ein Zimmer nach dem anderen wurden die Möbel und die Dekorationsgegenstände zusammen gesucht und wird eigentlich nie so richtig fertig. Ist nach wie vor eins meiner Hobbys, durch die vielen Antiquitätenläden zu stöbern, wenn ich Zeit habe. Ich gehe auch jetzt noch zu Auktionen, wo Antiquitäten verkauft werden. Selbst unsere Badezimmer sind alle mit alten eisernen freistehenden Badewannen und alten Armaturen belegt. Wir möchten eben, dass unser Gast sich nicht wie in einem Hotel fühlt, sondern wie zu Gast auf einem Weingut. Die meisten unserer Gäste sind Golfspieler. Wir haben 25 Golfplätze in 45 Minuten Umkreis und die meisten unserer Gäste kommen her um gut zu essen, gut zu trinken, Ruhe zu haben, wenn sie nach Hause kommen vom Golf spielen. Und, wie jetzt sie sehen, tagsüber ist kaum jemand hier, alle sind irgendwo unterwegs."
Nur durch die Hotelzimmer lässt sich das Hobby Weinbau finanzieren, fügt der Gentlemanfarmer hinzu, wendet den Weinstöcken den Rücken zu und geht zurück zum Garten.
Hinter einer Wegbiegung: eine Naturstein-Mauer, ein dunkles Holztor mit massiven Eisenbeschlägen, wie der Eingang zu einer Burg. Fred Uhlendorff fischt schmunzelnd den Schlüsselbund aus der Hosentasche seiner hellen Stoffhose.
"Eine 300 Jahre alte Tür, die ich aus Indien importiert habe. Unser Weinkeller. Das ist kein alter Keller, der sieht nur alt aus. Den habe ich auch selbst gebaut mit meinen Leuten und das war enorm schwierig, da hier in Südafrika noch niemand so etwas gesehen hatte. Sind also richtige alte Gewölbe aus alten handgebrannten Backsteinen und da hab ich fast drei Jahre dran gebaut an diesem Keller."
"Es gibt hier in Südafrika eigentlich kaum unterirdische Weinkeller. Ich kenne nur zwei. Es nennt sich zwar auch Weinkeller, aber es sind normalerweise Hallen, die in der Erde gebaut worden sind und wo Wein produziert wird. Deshalb wurden damals auch keine Spitzenweine produziert. Heutzutage ist das vollkommen egal, denn ein moderner Stahltank hat eine Kühlanlage. Viele von den ganz großen Gütern, wo die enorm großen Tanks sind, die stehen im Freien. Da knallt die Sonne drauf, braucht dann natürlich eine enorme Energie, aber da macht die Kühlanlage alles."
Unser Produktionswein wird auch in einem solchen Hightech-Keller hergestellt und nicht hier, sagt Fred Uhlendorff während er in das Gewölbe tritt. Schlagartig wird es angenehm kühl. Lange Holztische und Stühle stehen in dem großen Raum. Hier werden Feste gefeiert, erzählt der 65-Jährige. Zum Beispiel meine eigene Hochzeit vor einem Jahr. Ein kurzes Lächeln huscht bei der Erinnerung über sein Gesicht, der Blick verharrt kurz auf den Tischen, dann dreht er sich um, zur Wand und einer Reihe von Eichenfässern.
"Das sind französische Eichenfässer. Hier in Südafrika gibt es zwar viele Eichen, aber die sind nicht geeignet für Fässer. Die wurden damals vor 300 Jahren angepflanzt, weil man Eichen brauchte um Schiffe zu reparieren, um Wagen zu bauen und so weiter. Aus denen wurden nie Eichenfässer gemacht."
Fred Uhlendorff streicht mit einer Hand über das Holz. Er hat mit diesen Fässern in Zukunft noch viel vor. Bis jetzt hat er Weinanbau und Keltern den angestellten Experten überlassen – auch das macht einen Gentlemanfarmer aus. Doch in diesem Jahr will er zum ersten Mal selbst Wein herstellen - rund sechstausend Flaschen Merlot und Shiraz, auf traditionelle Weise. Bei diesem Gedanken lächelt er wieder wie ein kleiner Junge. Die grauen Haare sind kurz vergessen.
"Hier in diesem Keller werde ich alles mit herkömmlichen Geräten machen. Ich bin also dabei alte Geräte zusammen zu kaufen und ich werde hier den Wein genauso machen wie man das vor 200 Jahren gemacht hat. Also ohne Maschinen, ohne moderne Pressen, alles mit manuellen Geräten. Ich kann mir natürlich die besten Trauben der Farm aussuchen, werde also das beste Material haben und muss natürlich viel lernen. Aber ich hab ein paar Experten, wie einen Professor der Universität in Stellenbosch, der mir das Händchen halten wird und so hoffe ich, dass da etwas Trinkbares bei raus kommt."
Fred Uhlendorff geht bis ans andere Ende des Gewölbes. Auf der Bar stehen noch ein paar Gläser vom letzten Fest. Ausgeschenkt werden natürlich fast ausschließlich eigene Weine. Und die unterscheiden sich grundsätzlich von denen aus Deutschland, betont er. Hier am Kap ist es nicht verpönt, Holzchips in den Stahlfässern zu benutzen und verschiedene Traubensorten zu mischen. Das ist Gang und Gäbe. Dagegen denken die südafrikanischen Winzer nicht daran, dem Wein Zucker zuzusetzen.
"Wir haben eben genau das entgegen gesetzte Problem, was man in Deutschland hat. Wir kämpfen um einen niedrigen Zuckergehalt: Unsere Rotweine haben ja alle Alkohol zwischen 13 und 16, 17 Prozent, wegen des hohen Zuckers, wegen unseres schönen Wetters. In Deutschland kitzelt man überall, um hohen Zuckergehalt raus zu kriegen. Deshalb gibt es hier eben auch nicht, dass man Zucker dazu mischen möchte oder würde, sondern wir versuchen genau das Gegenteil zu erreichen. Und mit unserem Chenin Blanc kommen wir ganz gut hin, obwohl 13 Prozent für einen Weißwein in Deutschland auch enorm hoch ist."
Wieder streicht der schwarze Kater um Fred Uhlendorffs Beine. Der nimmt ihn wieder auf den Arm, geht aus dem Gewölbekeller durch die offene Tür ins Freie. Die Sonne blendet, der 65-Jährige muss bei den ersten Schritten etwas blinzeln. Der Keller liegt direkt unter seinem Haus. Über eine Steintreppe, gesäumt von gepflegten Beeten geht es auf die vordere Terrasse. Fred Uhlendorff hat die letzten Jahre viel Mühe und Geld in die Renovierung der Farmhäuser, den Aufbau des Hotels und der Plantagen gesteckt. Erst vor kurzem ist er dazu gekommen, sein eigenes Haus zu bauen - wie die historischen im kapholländischem Stil: weiß getüncht mit Reetdach.
"So, hier ist mein fast fertiges Haus. Einrichtung ist noch nicht so, aber das Haus selber ist so um die Antiquitäten, die ich hatte, herum gebaut worden. Alle Türen und Fenster und Türrahmen, alles ist ein paar 100 Jahre alt. Ein sehr großes Haus, aber da ich Junggeselle war und auch jetzt nur zu zweit bin, hat es relativ wenig Schlafzimmer und sehr, sehr viel Wohnraum, ist um die 500m2 groß und ist eben so, dass ich mein Land genießen kann, dass ich über mein Land schaue und ich möchte nirgends anders sein."
Fred Uhlendorff setzt sich in ein schweres Ledersofa vor dem Kamin. Der Kater klettert schnurrend von seinem Schoss, legt sich neben ihn. Durch die breite Fensterfront zur Terrasse ist die Sonne zu sehen, die langsam hinter den Weinbergen untergeht.
Fred Uhlendorff steht auf der Terrasse vor seinem Haus. Der 65-Jährige kleidet sich lässig elegant: helle Stoffhose, weißes, offenes Hemd, sportliche Schuhe. Drahtige Figur, lebhafte Augen hinter Brillenglas. Wie ein Landwirt sieht er nicht aus. Sein Blick schweift über die Weinberge.
"Von hier aus meine Plantagen zu übersehen und auf die Berge zu schauen ist doch schon was."
Fred Uhlendorff geht ein paar Schritte. Er hat sich mit dem Weingut einen Traum erfüllt. Noch einen, muss man sagen. Denn der 65-Jährige blickt auf eine sehr erfolgreiche Karriere zurück - und zwar nicht als Winzer, fügt er bei der Frage nach seinem landwirtschaftlichen Background schmunzelnd hinzu. Die Farm ist für ihn als Gentlemanfarmer Liebhaberei – kein Beruf, der das Überleben sichern muss.
"Ich hab mal Mathematik studiert. Ich hab mich dann auf Informatik spezialisiert und hab mein Geld verdient mit einer Beratungsfirma, Hauptsitz in New York, und hab Großbanken in African Affairs beraten. Ich hatte eine etwas größere Firma, wir haben in 27 Ländern auf diesem Kontinent gearbeitet."
Seine Heimat Deutschland verlässt Fred Uhlendorff direkt nach dem Studium. "Mir ist es damals einfach zu eng geworden", erklärt er. An dem Gefühl hat sich bis heute nichts geändert. Mit Anfang 40 zieht er sich als erfolgreicher Unternehmensberater aus dem Tagesgeschäft zurück, segelt mit seiner Yacht mehrmals um die Welt. 1992 führt ihn die Reise nach Kapstadt, ungewollt nach einem Mastbruch im Südatlantik. "Ich war überrascht von der Schönheit der südafrikanischen Kapregion", erzählt der Ex-Manager und heutige Winzer.
"Ich hab dann die Kapregion vorgemerkt als einer der Plätze, wo man mal leben könnte, wenn etwas anderes tun möchte und das kam bei mir früher, als ich es erwartet hatte. Meine Yacht wurde gestohlen und da musste ich mich sehr schnell neu orientieren und hab eben dann die Plätze aufgesucht, die mir besonders gut gefallen haben und einer davon war Kapstadt. Ich wollte nie in der Stadt wohnen, ich wollte immer ländlich sein. Ich habe mein ganzes Leben ländlich verbracht. Selbst die Zeit in New York, wo ich vielleicht 20 Prozent meiner Zeit in New York war, den Rest hier in afrikanischen Ländern, aber mein Haus war außerhalb in Long Island."
Nach einem unsteten, abenteuerlichen Leben lässt sich der Weltenbummler in Südafrika nieder. Ruhestand in Deutschland kommt für ihn nicht in Frage. Mit seiner Heimat verbindet ihn nicht mehr viel. Seine Farm bei Paarl ist nur eine halbe Autostunde von Kapstadt entfernt. Dort wohnen viele seiner Freunde, erzählt der 65-Jährige. Auf Konzerte, Theater, Oper und Restaurants will und muss er nicht verzichten. Doch warum entscheidet er sich damals für eine Weinfarm und nicht einfach für eine Villa auf dem Land? Fred Uhlendorf lächelt bei dieser Frage spitzbübisch.
"Ich hatte zehn Jahre nur Dinge getan, die mir Spaß gemacht haben, das heißt, gesegelt und so weiter. Ich wollte wieder irgendetwas tun. Deshalb habe ich nach einem Weingut gesucht, was wie dieses verfallen war, pleite gegangen war, wo also vieles oder fast alles neu gemacht werden musste. Der Vorbesitzer hat alles Mögliche probiert, alles Weinarten, die entweder überaltert oder unmodern waren und ich suchte eben nach etwas, was ich neu anfangen konnte und was ich modernen Anbauweisen führen konnte. Das ist der Schmusekater."
Der schwarze Kater streicht Fred Uhlendorff um die Beine. Der nimmt ihn auf den Arm und schlendert von der Terrasse in den Garten.
Auf der anderen Seite des Rasens stehen die alten Farmgebäude. Gebaut 1714. Liebevoll renoviert vor 11 Jahren. Die weiß getünchten Wände und geschwungenen Giebel blenden im Sonnenlicht. Eines der Reetdächer wird gerade neu gedeckt. Palmiet Valley heißt die Farm, gegründet von Hugenotten Ende des 17.Jahrhunderts. Aufgebaut aus dem Nichts, erzählt der heutige Besitzer. Übrigens ist er der erste, der keinen französischen Namen trägt.
"Die haben damals, sechs Spaten, zwei Ochsen, einen Wagen, verschiedenes Handwerkszeug bekommen und dann: macht mal. Das war halt dann zunächst mal Knochenarbeit, das Ganze urbar zu machen. Es gab hier Elefanten, Löwen, Bergleoparden, dort im Berg River gab es Hippos. Es war also wie in einem Tierpark damals."
Nilpferde, Elefanten und Löwen gibt es in der Region nicht mehr. Nur Antilopen, Paviane und Vögel sind geblieben, erzählt Fred Uhlendorff, blickt etwas wehmütig auf den malerischen Gebirgszug am Horizont, wendet sich dann wieder der Geschichte seiner Farm zu.
"Diese Leute haben es dann sehr, sehr schnell zu Wohlstand gebracht, weil sie sehr gute Landwirte waren, sich im Weinanbau auskannten, kein Rückfahrtticket hatten, weil sie keine Heimat mehr hatten. Und der dritte große Vorteil: sie kamen Familienweise. Damals hatte man ja 10, 12 oder 14 Kinder, die hatten damals also ihr eigenes Workforce. Die Landwirtschaft bekam einen unheimlichen Boom. Wein war sehr gefragt auf den Schiffen und da sehr hohe Preise erzielt."
Eine echte Erfolgsgeschichte, findet selbst der erfolgsverwöhnte frühere Unternehmensberater und heutige Gentlemanfarmer, streichelt noch einmal kurz den Kater auf seinem Arm, setzt ihn dann auf den Weg.
"Wir gehen mal hier runter zu einem unserer Weinfelder."
Der Weg: gesäumt von Lavendel und Rosmarinhecken. Der Duft: berauschend. Uralte Eichen und violett blühende südafrikanische Jacaranda-Bäume spenden mir ihren flachen Kronen Schatten. Dazwischen saftig grüne Rasenflächen, Rosen in allen Farbnuancen, surrende Bienenstöcke, Kräuter- und Gemüsegarten.
"Das war alles mehr oder weniger Buschfläche. Es gab keine Wege, es gab keine Mauern, es war eben alles offen. Ich habe 3500 Rosen gepflanzt, die ganzen Lavendelhecken und Rosmarin und so weiter."
Zufrieden blickt Fred Uhlendorff auf seine Gartenanlage. Geht einen Schritt von der Sonne in den Schatten.
"Einer der Hauptgründe, dass ich hier bin ist das Klima. Meiner Meinung nach leben wir in einer der schönsten Klimazonen der Welt. Wir haben vier Jahreszeiten, aber drei sehr kurze, Winter, Herbst und Frühling sind jeweils so sechs Wochen und dann einen ganz langen Sommer. Und wir haben nie, so wie in Deutschland, in Europa, wo alles grau ist. Jede Sorte Bäume hat ihre eigenen Jahreszeiten. Wenn die Eichen keine Blätter haben, blüht vieles andere. Vor ein paar Wochen haben diese Rosmarinhecken geblüht, das war traumhaft. Rosmarin blüht blau, viele kleine Blütchen und sieht wunderschön aus."
Schön sind auch die Rosen, die vor jeder Reihe Weinstöcke am Wegesrand blühen. Fred Uhlendorff bleibt vor einer stehen. Es gibt ein Gerücht, dass Winzer durch Rosen Krankheiten am Wein früher erkennen können. Er rollt kurz mit den braunen Augen hinter der Brille.
"Mein Farmmanager sagt dazu: wenn ich die Rosen bräuchte, um Krankheiten am Wein zu erkennen, dann sollte ich eigentlich lieber als Maler oder irgendwas gehen, dann sollte ich kein Landwirt sein. Also bei uns sind die gepflanzt, weil es eben besonders schön aussieht. Krankheiten am Wein - ich oder mein Farmmanager gehen jeden Tag durch die Plantagen, durch die Felder und wenn irgendwas ist, fällt einem das normalerweise früh auf."
Fred Uhlendorff geht ein paar Schritte in seinen Weinberg hinein. Sein Kater ist schon da - räkelt sich zwischen den Rebstöcken im Stroh. Doch der Gutsherr schaut diesmal nur auf seine Weinstöcke.
"Das hier ist Merlot, vor etwa sechs Jahren gepflanzt, also im zweiten Jahr in der Produktion. Sie sehen, im Moment sieht das alles noch recht wild aus, wie die Ranken wachsen. Die Weinstöcke sind gerade fertig mit den Blüten, da bilden sich jetzt so langsam die kleinsten, so Stecknadelkopf-große Weintrauben. Das was jetzt hier so wild wuchert, muss auf die Drähte gesteckt werden und wird hinterher maschinell beschnitten. So wie es jetzt ist, kann man es noch nicht maschinell beschneiden, sonst würde man die Trauben mit abschneiden."
Geerntet werden die reifen Trauben dann wieder per Hand. Im Januar, mitten im südafrikanischen Sommer, wenn es hier in der Weinregion am Kap zwischen 36 und 40 Grad heiß wird. Deshalb beginnt die Arbeit noch vor Sonnenaufgang und endet vor den Mittagsstunden, erklärt Fred Uhlendorff. Vor ein paar Jahren hat er damit eigene Angestellte und Saisonarbeiter beschäftigt. Heute ist das anders, betont er. Da scheint wieder der Geschäftsmann durch.
"Wir hatten bis vor einem Jahr um die 30 Mitarbeiter, jetzt haben wir nur noch vier. Die drastische Reduzierung ist, dass wir das nun outsourcen, dass wir fast alle Arbeiten von einer Firma machen lassen, was für uns erheblich günstiger ist. Wir bezahlen also pro Weinstock oder pro Einheit anstatt Festangestellte Leute zu haben, die ein festes Einkommen haben. Für jeden der Beteiligten ist das besser. Die Arbeiter verdienen erheblich mehr, aber dadurch, dass die mehr arbeiten, weil sie eben auch pro Einheit bezahlt werden."
Fred Uhlendorff bückt sich, prüft mit dem Daumen eine schwarze Plastikdüse an einem Schlauch neben den Weinstöcken: die künstliche Bewässerung. Ohne geht hier nichts, betont er. Denn zwischen Dezember und Mai regnet es in der Region so gut wie gar nicht.
"Der Wert einer Farm richtet sich sehr danach, wie viel Wasser man zur Verfügung hat und wir haben einen recht großen Stausee und haben noch nie irgendwelche Probleme gehabt. Alles was auf der Farm grün ist: die Obstplantagen, die Olivenplantagen, die Weinplantagen, alles ist unter künstlicher Bewässerung. Deshalb ist der Anbau hier keine billige Sache, das ist wahrscheinlich das Teuerste hier beim Ganzen: Die Wasseranlagen."
Auf etwa der Hälfte der 46 Hektar großen Farm stehen Oliven- und Obstbäume. Die andere Hälfte ist mit Weinstöcken bepflanzt. Merlot und Shiraz sind die Rotweine, erklärt Fred Uhlendorff fachmännisch, Chardonnay und Chenin Blanc die Weißweine.
"Chenin Blanc war mal der meist angebaute Wein in Südafrika, ist eine der sechs verschiedenen Traubensorten, die hier in Südafrika entstanden sind. Der prominenteste Rotwein ist der Pinotage. Südafrika war bis vor 15, 20 Jahren ein Weißwein-Land. Es wurde ja bis vor 10 Jahren so gut wie nicht exportiert, weil Südafrika ja auf der schwarzen Liste stand. Erst als ich hierher kam, fing es an mit Rotwein-Anbau und es war enorm schwierig Pflanzen zu bekommen. Ich habe also eine Wartezeit von 4 Jahren gehabt um Rotwein-Stöcke, also Pflanzen zu bekommen."
Grund dafür sind die scharfen Kontrollen der Regierung. Weinstöcke dürfen nicht nach Südafrika importiert werden, weil mit ihnen Krankheiten eingeschleppt werden können. Sie dürfen also nur von einigen autorisierten Farmen aus der Region gekauft werden, erklärt Fred Uhlendorff, während er vorsichtig ein gelbes Blatt vom Rebstock zupft.
"Ich bin der erste Besitzer, der auf dieser Farm Rotwein gepflanzt hat. Ich habe Merlot und Shiraz gepflanzt. Leider konnte ich keinen Pinotage pflanzen, weil mir gesagt wurde, von Experten, nachdem wir Bodenproben genommen haben, dass unser Pinotage nicht diese schöne dunkelrote Farbe haben würde. Deshalb habe ich mich für Shiraz und Merlot entschieden. Die besten Shiraz aus Südafrika kommen hier aus Paarl. Hier in Paarl ist es etwas wärmer als in anderen Weinanbaugebieten und Shiraz kommt ja aus Persien und mag es etwas wärmer als die anderen Rotweine. Unsere größte Produktion und unser Renner ist nach wie vor unser Chenin Blanc. Inzwischen wird der nicht mehr lieblich, sondern als leichter trockener Weißwein gekeltert, ideal zum Lunch, ideal zum Fisch, also ein leichter trockener Wein."
Versonnen schaut Fred Uhlendorff auf den Weinstock, ordnet behutsam ein paar wilde Ranken. Im nächsten Moment ist er wieder ganz Geschäftsmann: Die Preise für den Chenin Blanc sind in den letzten Jahren enorm gestiegen, betont er. Hintergrund ist der Rotwein-Boom der 90er Jahre. Viele Winzer stellen damals ihre Produktion um, pflanzen statt Weißwein- Rotweinstöcke. Nicht nur in Südafrika, sondern weltweit. Eine Überproduktion und niedrige Preise sind die Folge – bis heute.
"Wir arbeiten also im Rotweinbereich mit großen Verlusten und das kann man auch nicht kurzfristig ändern. Weinanbau ist zunächst mal eine enorme Investition: Ein Weinstock lebt 30 Jahre und in den ersten 4 Jahren fließt enorm viel Kapital ohne irgendwelchen Return. So dass sich die meisten nicht leisten können, kurzfristig auf etwas anderes umzustellen. Es gibt hier in Südafrika keinerlei Subventionen, es gibt nicht einmal Bankkredite für die Landwirtschaft, weil es eben "high risk” ist für die Banken, deshalb muss man das schon aus eigener Tasche schaffen."
Man braucht also ein großes Portemonnaie oder eine andere Einnahmequelle, um sich den Weinbau überhaupt leisten zu können, fügt der 65-Jährige hinzu. Er hat beides. Das Kapital und luxuriöse Hotelzimmer in den liebevoll restaurierten historischen Gebäuden der Farm. Besonders gefragt sind sie für Hochzeiten und bei betuchten Touristen, die sich abends auf der Weinfarm von einem Sternekoch verwöhnen lassen und in exklusiven handverlesenen Antiquitäten wohnen. So, wie es ihr Gastgeber als Lebemann und Perfektionist auch gerne hat.
"Das war genau das, was mir am meisten Spaß gemacht hat. So ein Zimmer nach dem anderen wurden die Möbel und die Dekorationsgegenstände zusammen gesucht und wird eigentlich nie so richtig fertig. Ist nach wie vor eins meiner Hobbys, durch die vielen Antiquitätenläden zu stöbern, wenn ich Zeit habe. Ich gehe auch jetzt noch zu Auktionen, wo Antiquitäten verkauft werden. Selbst unsere Badezimmer sind alle mit alten eisernen freistehenden Badewannen und alten Armaturen belegt. Wir möchten eben, dass unser Gast sich nicht wie in einem Hotel fühlt, sondern wie zu Gast auf einem Weingut. Die meisten unserer Gäste sind Golfspieler. Wir haben 25 Golfplätze in 45 Minuten Umkreis und die meisten unserer Gäste kommen her um gut zu essen, gut zu trinken, Ruhe zu haben, wenn sie nach Hause kommen vom Golf spielen. Und, wie jetzt sie sehen, tagsüber ist kaum jemand hier, alle sind irgendwo unterwegs."
Nur durch die Hotelzimmer lässt sich das Hobby Weinbau finanzieren, fügt der Gentlemanfarmer hinzu, wendet den Weinstöcken den Rücken zu und geht zurück zum Garten.
Hinter einer Wegbiegung: eine Naturstein-Mauer, ein dunkles Holztor mit massiven Eisenbeschlägen, wie der Eingang zu einer Burg. Fred Uhlendorff fischt schmunzelnd den Schlüsselbund aus der Hosentasche seiner hellen Stoffhose.
"Eine 300 Jahre alte Tür, die ich aus Indien importiert habe. Unser Weinkeller. Das ist kein alter Keller, der sieht nur alt aus. Den habe ich auch selbst gebaut mit meinen Leuten und das war enorm schwierig, da hier in Südafrika noch niemand so etwas gesehen hatte. Sind also richtige alte Gewölbe aus alten handgebrannten Backsteinen und da hab ich fast drei Jahre dran gebaut an diesem Keller."
"Es gibt hier in Südafrika eigentlich kaum unterirdische Weinkeller. Ich kenne nur zwei. Es nennt sich zwar auch Weinkeller, aber es sind normalerweise Hallen, die in der Erde gebaut worden sind und wo Wein produziert wird. Deshalb wurden damals auch keine Spitzenweine produziert. Heutzutage ist das vollkommen egal, denn ein moderner Stahltank hat eine Kühlanlage. Viele von den ganz großen Gütern, wo die enorm großen Tanks sind, die stehen im Freien. Da knallt die Sonne drauf, braucht dann natürlich eine enorme Energie, aber da macht die Kühlanlage alles."
Unser Produktionswein wird auch in einem solchen Hightech-Keller hergestellt und nicht hier, sagt Fred Uhlendorff während er in das Gewölbe tritt. Schlagartig wird es angenehm kühl. Lange Holztische und Stühle stehen in dem großen Raum. Hier werden Feste gefeiert, erzählt der 65-Jährige. Zum Beispiel meine eigene Hochzeit vor einem Jahr. Ein kurzes Lächeln huscht bei der Erinnerung über sein Gesicht, der Blick verharrt kurz auf den Tischen, dann dreht er sich um, zur Wand und einer Reihe von Eichenfässern.
"Das sind französische Eichenfässer. Hier in Südafrika gibt es zwar viele Eichen, aber die sind nicht geeignet für Fässer. Die wurden damals vor 300 Jahren angepflanzt, weil man Eichen brauchte um Schiffe zu reparieren, um Wagen zu bauen und so weiter. Aus denen wurden nie Eichenfässer gemacht."
Fred Uhlendorff streicht mit einer Hand über das Holz. Er hat mit diesen Fässern in Zukunft noch viel vor. Bis jetzt hat er Weinanbau und Keltern den angestellten Experten überlassen – auch das macht einen Gentlemanfarmer aus. Doch in diesem Jahr will er zum ersten Mal selbst Wein herstellen - rund sechstausend Flaschen Merlot und Shiraz, auf traditionelle Weise. Bei diesem Gedanken lächelt er wieder wie ein kleiner Junge. Die grauen Haare sind kurz vergessen.
"Hier in diesem Keller werde ich alles mit herkömmlichen Geräten machen. Ich bin also dabei alte Geräte zusammen zu kaufen und ich werde hier den Wein genauso machen wie man das vor 200 Jahren gemacht hat. Also ohne Maschinen, ohne moderne Pressen, alles mit manuellen Geräten. Ich kann mir natürlich die besten Trauben der Farm aussuchen, werde also das beste Material haben und muss natürlich viel lernen. Aber ich hab ein paar Experten, wie einen Professor der Universität in Stellenbosch, der mir das Händchen halten wird und so hoffe ich, dass da etwas Trinkbares bei raus kommt."
Fred Uhlendorff geht bis ans andere Ende des Gewölbes. Auf der Bar stehen noch ein paar Gläser vom letzten Fest. Ausgeschenkt werden natürlich fast ausschließlich eigene Weine. Und die unterscheiden sich grundsätzlich von denen aus Deutschland, betont er. Hier am Kap ist es nicht verpönt, Holzchips in den Stahlfässern zu benutzen und verschiedene Traubensorten zu mischen. Das ist Gang und Gäbe. Dagegen denken die südafrikanischen Winzer nicht daran, dem Wein Zucker zuzusetzen.
"Wir haben eben genau das entgegen gesetzte Problem, was man in Deutschland hat. Wir kämpfen um einen niedrigen Zuckergehalt: Unsere Rotweine haben ja alle Alkohol zwischen 13 und 16, 17 Prozent, wegen des hohen Zuckers, wegen unseres schönen Wetters. In Deutschland kitzelt man überall, um hohen Zuckergehalt raus zu kriegen. Deshalb gibt es hier eben auch nicht, dass man Zucker dazu mischen möchte oder würde, sondern wir versuchen genau das Gegenteil zu erreichen. Und mit unserem Chenin Blanc kommen wir ganz gut hin, obwohl 13 Prozent für einen Weißwein in Deutschland auch enorm hoch ist."
Wieder streicht der schwarze Kater um Fred Uhlendorffs Beine. Der nimmt ihn wieder auf den Arm, geht aus dem Gewölbekeller durch die offene Tür ins Freie. Die Sonne blendet, der 65-Jährige muss bei den ersten Schritten etwas blinzeln. Der Keller liegt direkt unter seinem Haus. Über eine Steintreppe, gesäumt von gepflegten Beeten geht es auf die vordere Terrasse. Fred Uhlendorff hat die letzten Jahre viel Mühe und Geld in die Renovierung der Farmhäuser, den Aufbau des Hotels und der Plantagen gesteckt. Erst vor kurzem ist er dazu gekommen, sein eigenes Haus zu bauen - wie die historischen im kapholländischem Stil: weiß getüncht mit Reetdach.
"So, hier ist mein fast fertiges Haus. Einrichtung ist noch nicht so, aber das Haus selber ist so um die Antiquitäten, die ich hatte, herum gebaut worden. Alle Türen und Fenster und Türrahmen, alles ist ein paar 100 Jahre alt. Ein sehr großes Haus, aber da ich Junggeselle war und auch jetzt nur zu zweit bin, hat es relativ wenig Schlafzimmer und sehr, sehr viel Wohnraum, ist um die 500m2 groß und ist eben so, dass ich mein Land genießen kann, dass ich über mein Land schaue und ich möchte nirgends anders sein."
Fred Uhlendorff setzt sich in ein schweres Ledersofa vor dem Kamin. Der Kater klettert schnurrend von seinem Schoss, legt sich neben ihn. Durch die breite Fensterfront zur Terrasse ist die Sonne zu sehen, die langsam hinter den Weinbergen untergeht.