Der Geigenzauberer als Mensch
Um den Violinvirtuosen und Komponisten Niccolò Paganini rankten sich schon zu Lebzeiten zahlreiche Legenden. Der Autor Klaus Funke greift sich einen Moment aus dem Leben des "Teufelsgeigers" heraus, das Dresdener Konzert von 1829. Vor diesem Hintergrund entwirft er ein Zeit- und Sittengemälde, das den Menschen Paganini hinter der Ikone zu entdecken sucht.
"Ein Diamantenfeuerwerk aus Tönen. Ein sich drehendes Karussell, atemberaubend, sinnenverwirrend, schnell, unglaublich. Nie gehört, unerhört."
Mit expressiver Wortgewalt versucht Klaus Funke in seinem Paganini-Roman Der Teufel in Dresden den Mythos des 1782 in Genua geborenen Violinvirtuosen und Komponisten Niccolò Paganini erneut aufleben zu lassen. Kalt geworden ist dieser Mythos nie, ihn begleitet neben der solitären Spieltechnik des Italieners, seiner exzentrischen, von Spezialisten viel gescholtenen Bogenführung stets auch das Stigma, ein "Teufelsgeiger" gewesen zu sein. Funke legt dieses Charakteristikum seinem spannenden Roman wie ein Pseudonym des großen Künstlers zugrunde. Denn ein "Teufelsgeiger" zu sein, meinte nicht nur, im fulminanten Saitenspiel das Publikum bis zum Ohnmachtsanfall zu verzaubern, sondern mit dem Satan liiert zu sein.
Da Paganinis passionierte Lebensart der begierigen Gerüchteküche beständig Ingredienzen lieferte - die Spielsucht der frühen Jahre, vielfache Liebschaften, schwere Krankheiten, Gerichtsprozesse -, findet sich in vielen Paganini-Biographien ein Anachronismus zwischen maßloser Bewunderung und abgrundtiefer Verachtung. Sein charismatisches Erscheinungsbild, das rassistischen Vorurteilen reichlich Nahrung gab und in den Zeitdokumenten stets bemüht wird, spiegelt sich noch in Eugène Delacroix' Porträt von 1832 wieder.
Doch Klaus Funke schlägt einen anderen Weg ein. Er fischt aus der biographischen Legendenmasse nur ein winziges Segment heraus und hält das spektakuläre Karussell einen Augenblick lang an, indem er sich auf das Dresdner Konzert im Jahr 1829 konzentriert. Der Barockstadt an der Elbe stockt der Atem, der sächsische König samt Adel schmücken sich für den Auftritt des Genies, das Meister wie Schumann, Brahms und Liszt inspirierte, und das Bürgertum stürmt die Hofoper.
Der Autor begibt sich jedoch auf die Rückseite der Ereignisse, wählt ein Spektrum von Perspektiven aus, die von den gängigen Erzählmustern abweichen. Im Fokus eingefangen sind die Bediensteten des "Hotel de Pologne", wo der Künstler mit seinem dreijährigen Sohn Achille wohnt. Denn der Kellner Knöfel oder die Bettenmamsell Johanna Kleditzsch sind dem Gast näher als jeder Berichterstatter, der später behaupten wird, Paganini persönlich begegnet zu sein. Diese Entscheidung schafft Raum, um eine Vielzahl thematischer Linien zu entwickeln, dafür muss der Leser aber auch geduldig warten, bis die Hotelzimmertür aufgeht und der Held die Bühne betritt.
Funkes Roman erscheint als ein Dresdner Zeit- und Sittengemälde, das auf einer Leinwand entworfen wird, die eigentlich Paganini gehört. Es gelingt ihm, der schwarz befrackten, fragilen Gestalt Leben einzuhauchen und sie nicht nur als eine Ikone zu präsentieren, deren Marktwert mit den Pressebewegungen steigt oder fällt, sondern als sensibler Mensch, der seine körperlichen Leiden wie Begierden im Zaum zu halten versucht.
Klaus Funke: Der Teufel in Dresden. Ein Paganini-Roman
Faber & Faber 2006
139 Seiten. 15 Euro.
Mit expressiver Wortgewalt versucht Klaus Funke in seinem Paganini-Roman Der Teufel in Dresden den Mythos des 1782 in Genua geborenen Violinvirtuosen und Komponisten Niccolò Paganini erneut aufleben zu lassen. Kalt geworden ist dieser Mythos nie, ihn begleitet neben der solitären Spieltechnik des Italieners, seiner exzentrischen, von Spezialisten viel gescholtenen Bogenführung stets auch das Stigma, ein "Teufelsgeiger" gewesen zu sein. Funke legt dieses Charakteristikum seinem spannenden Roman wie ein Pseudonym des großen Künstlers zugrunde. Denn ein "Teufelsgeiger" zu sein, meinte nicht nur, im fulminanten Saitenspiel das Publikum bis zum Ohnmachtsanfall zu verzaubern, sondern mit dem Satan liiert zu sein.
Da Paganinis passionierte Lebensart der begierigen Gerüchteküche beständig Ingredienzen lieferte - die Spielsucht der frühen Jahre, vielfache Liebschaften, schwere Krankheiten, Gerichtsprozesse -, findet sich in vielen Paganini-Biographien ein Anachronismus zwischen maßloser Bewunderung und abgrundtiefer Verachtung. Sein charismatisches Erscheinungsbild, das rassistischen Vorurteilen reichlich Nahrung gab und in den Zeitdokumenten stets bemüht wird, spiegelt sich noch in Eugène Delacroix' Porträt von 1832 wieder.
Doch Klaus Funke schlägt einen anderen Weg ein. Er fischt aus der biographischen Legendenmasse nur ein winziges Segment heraus und hält das spektakuläre Karussell einen Augenblick lang an, indem er sich auf das Dresdner Konzert im Jahr 1829 konzentriert. Der Barockstadt an der Elbe stockt der Atem, der sächsische König samt Adel schmücken sich für den Auftritt des Genies, das Meister wie Schumann, Brahms und Liszt inspirierte, und das Bürgertum stürmt die Hofoper.
Der Autor begibt sich jedoch auf die Rückseite der Ereignisse, wählt ein Spektrum von Perspektiven aus, die von den gängigen Erzählmustern abweichen. Im Fokus eingefangen sind die Bediensteten des "Hotel de Pologne", wo der Künstler mit seinem dreijährigen Sohn Achille wohnt. Denn der Kellner Knöfel oder die Bettenmamsell Johanna Kleditzsch sind dem Gast näher als jeder Berichterstatter, der später behaupten wird, Paganini persönlich begegnet zu sein. Diese Entscheidung schafft Raum, um eine Vielzahl thematischer Linien zu entwickeln, dafür muss der Leser aber auch geduldig warten, bis die Hotelzimmertür aufgeht und der Held die Bühne betritt.
Funkes Roman erscheint als ein Dresdner Zeit- und Sittengemälde, das auf einer Leinwand entworfen wird, die eigentlich Paganini gehört. Es gelingt ihm, der schwarz befrackten, fragilen Gestalt Leben einzuhauchen und sie nicht nur als eine Ikone zu präsentieren, deren Marktwert mit den Pressebewegungen steigt oder fällt, sondern als sensibler Mensch, der seine körperlichen Leiden wie Begierden im Zaum zu halten versucht.
Klaus Funke: Der Teufel in Dresden. Ein Paganini-Roman
Faber & Faber 2006
139 Seiten. 15 Euro.