Der gebeutelte Kontinent

Von Bernd Musch-Borowska |
Im australischen Bundesstaat Queensland stehen noch immer weite Teile des Landes unter Wasser. Die schweren Überschwemmungen haben Schäden in Milliardenhöhe verursacht. Mit weitreichenden Auswirkungen, nicht nur im Inland.
Weite Teile des australischen Bundesstaat Queensland stehen noch immer unter Wasser. Im Raum Rockhampton, dem größten Kohlehafen der Region, kann man sich nur mit einem Boot fortbewegen, wo sonst Landstraßen die Ortschaften verbinden.

Eine Fläche, so groß wie Deutschland und Frankreich zusammen ist von dem Jahrhundert-Hochwasser betroffen. Und im südlich gelegenen Bundesstaat Victoria bewegt sich eine Wasserfläche, die 90 Kilometer lang und 40 Kilometer breit ist über das Land. Dutzende Ortschaften wurden bereits überflutet, einigen steht die Katastrophe noch bevor.

Australien ist der größte Kohleexporteur der Welt. Die meiste Kohle wird in Queensland gefördert, zumeist im Tagebau. Die großen Kohlebergwerke mussten die Produktion einstellen oder reduzieren. Die riesigen Gruben sind mit Wasser vollgelaufen. Erst wenn das verdunstet ist, kann die Produktion wieder beginnen, sagte Alistar Scragg, ein Bergmann, der doppelt betroffen ist. Sein Haus wurde völlig überflutet und sein Arbeitsplatz steht auch unter Wasser.

"Wir können erst weiter arbeiten, wenn das Wasser aus der Grube raus ist. Aber es kann nicht ablaufen und abpumpen ist gesetzlich verboten. Weil es möglicherweise mit Kohlegas und anderen Sedimenten verschmutzt ist. Normalerweise verdunstet das Wasser nach einer Weile, aber bei dem anhaltenden Regen kann das noch lange dauern."

Die größte Naturkatastrophe, die Australien je erlebt hat, ist noch längst nicht vorüber, doch wird inzwischen bereits damit begonnen, die Schäden des Jahrhundert-Hochwassers abzuschätzen, die kurzfristigen ebenso, wie die langfristigen. Allein in Queensland werden die Kosten auf zehn Milliarden Dollar geschätzt, umgerechnet etwa sieben Milliarden Euro.

Außer den entstandenen Sachschäden an Wohn- und Geschäftshäusern, Straßen und Eisenbahnlinien, die vom Hochwasser überflutet wurden, schlagen Einnahmeausfälle in der australischen Kohleindustrie, der Landwirtschaft und im Tourismus zu Buche.

Fast drei Viertel aller Kohlebergwerke in Queensland mussten die Produktion einstellen, nachdem die Tagebaugruben voll Wasser gelaufen waren. Gleich Anfang des Jahres warnten die australischen Kohleproduzenten ihre Kunden in Japan, Südkorea und China, dass ihre versprochenen Lieferungen nicht fristgerecht ankommen werden. Michael Roche, der Sprecher des Verbandes der Rohstoffindustrie in Queensland sagte im Fernsehen, Hunderte von Schienenkilometern seien weitgehend zerstört. Dies habe möglicherweise auch Konsequenzen für die Arbeitsplätze im Kohlebergbau.

"Jetzt wo wir einen besseren Überblick haben, wie lange es dauern wird, bis die Schieneninfrastruktur wieder hergestellt ist, können wir eine Schadenssumme abschätzen. Sie liegt bei 2,3 Milliarden Dollar. Wenn einige der Bergwerke nicht bald wieder arbeiten können, dann hat das sicher Konsequenzen. Bis jetzt werden alle Beschäftigten noch benötigt, für die Aufräumarbeiten und auch für die Produktion."

Fachleute erwarten, dass der Lieferengpass nach der Flutkatastrophe den Weltmarktpreis für Koks in den nächsten drei Monaten um 20 Prozent nach oben treiben wird. Ein Kokspreis von mehr als 300 Dollar pro Tonne sei nicht unwahrscheinlich, sagte der Rohstoffanalyst Andrew Harrington im australischen Rundfunk.

Auch Stahlproduzenten in aller Welt, unter anderem die Thyssen-Krupp-AG in Deutschland haben bereits vor einem Preisanstieg gewarnt. Zwar seien für dieses Quartal die Preise fixiert und die Mengen fest vereinbart, sagte ein Sprecher von ThyssenKrupp, im Frühjahr würden sich die wegen der Überschwemmungen gestiegenen Spotmarktnotierungen auf die Quartalspreise für Kokskohle auswirken, was in der Folge den Stahlpreis in die Höhe treiben werde.

Nicht nur die Kohleindustrie verzeichnet Einnahmeausfälle in Milliardenhöhe. Auch die Landwirtschaft ist massiv betroffen. Viele Bauern in Queensland, die normalerweise das ganze Land mit Getreide, Obst und Gemüse versorgen, haben durch das Hochwasser ihre gesamte Ernte verloren. Es wird bereits erwogen, Lebensmittel zu importieren, die normalerweise exportiert werden, um die drastisch gestiegenen Preise unter Kontrolle zu halten. Kate Carnell, die Sprecherin des Verbandes der australischen Nahrungsmittelindustrie.

"Einige Produkte werden knapp in nächster Zeit, nicht nur in Queensland, sondern in ganz Australien. Die Banken rechnen deshalb mit einem Preisanstieg von bis zu zehn Prozent. Und es wird auch einige Produkte mit Hochwasserschäden in den Regalen geben. Aber ich hoffe, die Kunden werden sie trotzdem kaufen, denn die Bauern brauchen das Geld."

Viele Produkte seien schon jetzt deutlich teurer geworden, beklagte der Gemüsegroßhändler Bill Chalk im australischen Fernsehen.

"Der Preis für Tomaten wird ganz extrem nach oben gehen. Bis zu 4,50 Dollar pro Kilo. Auch Salat gibt es kaum noch auf dem Markt, dessen Preis steigt auch an. Viele Leute werden sich nach Alternativen umsehen müssen. Kraut in Dosen beispielsweise. Irgendetwas muss man ja kaufen."

In einigen Teilen des Hochwassergebietes ist das Wasser bereits wieder abgelaufen und die Bewohner kehren wieder in ihre Häuser zurück. Es hätte schlimmer kommen können, sagte Michael Bremner aus Brisbane, der Hauptstadt des Bundesstaates Queensland, in seiner leer stehenden Wohnung, in der das Wasser noch knöcheltief stand.

"Wir haben ganz schön Glück gehabt. Wir haben den Fernseher in Sicherheit gebracht, den Kühlschrank, die Matratzen und andere wertvolle Dinge. Der Fluss ist ja langsam aber stetig angestiegen und so hatten wir genug Zeit alles wegzufahren. Die Betten, Kleidung und vieles andere."

Mehr als 12.000 Wohnhäuser in den niedrig gelegenen Stadtteilen entlang des Brisbane Rivers wurden vollständig überflutet. Die Nachbarn hätten ihn ausgelacht, als er mit dem Anhänger die Elektrogeräte wegbrachte, sagte Bremner. Jetzt sei ihnen das Lachen vergangen.


"Ich war acht Jahre alt, als wir 1974 das letzte große Hochwasser hatten. Ich erinnere mich noch genau daran. Und als es in den vergangenen Wochen so stark geregnet hat und in Toowoomba der Fluss über die Ufer trat, sagte ich zu meiner Frau und unseren vier Kindern, wir müssen hier raus. Die Nachbarn haben im Garten gesessen und ein Bierchen getrunken und haben Witze gemacht, als ich den Kühlschrank raus getragen habe."

Tausende Menschen aus Brisbane und den mehr als 50 anderen vom Hochwasser betroffenen Ortschaften in Queensland wurden in Notunterkünften in Sporthallen und anderen öffentlichen Gebäuden untergebracht. Einige konnten wochenlang nicht in ihre Häuser zurückkehren. Denn in dem stinkenden braunen Wasser, das eine Fläche bedeckte, so groß wie Deutschland und Frankreich zusammen, gab es Krankheitskeime, giftige Schlangen und Krokodile. Die meisten Betroffenen waren vom plötzlichen Anstieg der Flüsse völlig überrascht worden. So wie Alistar Scragg, der vor der Notunterkunft in Rockhampton saß und erzählte, wie sein Haus überflutet wurde.

"Das ist plötzlich ganz schnell gestiegen. Als ich abends ins Bett ging, war der Fußboden nass und dann bin ich morgens aufgewacht und das Wasser schwappte schon auf meine Matratze. Aber das Schlimmste war, dass direkt neben meinem Bett eine Schlange im Wasser schwamm und mir in die Augen schaute. Ich lag wie erstarrt im Bett und habe keinen Mucks gemacht, bis sie davon schlängelte. Danach habe ich nur noch den Strom abgeschaltet und mich auf den Weg hierher gemacht."

Die Bilder von der Jahrhundertflut in Australien gingen um die Welt. Die Tourismusindustrie in Queensland ist fast völlig zum Stillstand gekommen, beklagte Daniel Gschwind, der Sprecher der Branche. Dabei seien gar nicht alle Regionen der beliebten Urlaubsregion in Australien betroffen.

"Wir haben durch das Hochwasser einen schweren Schlag hinnehmen müssen. Viele Tourismusunternehmen sind direkt vom Hochwasser betroffen, andere leiden unter dem Zusammenbruch der Infrastruktur, wie Straßen und Schienenverbindungen. Aber das Schlimmste ist die Wahrnehmung bei den Touristen in aller Welt, dass ganz Queensland überflutet ist und dass man nicht mehr hierher kommen sollte. Aber es gibt auch Gebiete in Queensland, in denen es überhaupt kein Hochwasser gibt."

Direkt vor der Küste des Bundesstaates Queensland liegt das Great Barrier Reef. Es ist mit einer Länge von über 2.300 Kilometern das größte zusammenhängende Korallenriff der Welt. Es bedeckt eine Fläche von fast 350.000 Quadratkilometern und kann sogar aus dem All mit bloßem Auge erkannt werden. Das Great Barrier Reef ist nicht nur die bedeutendste Touristenattraktion Australiens, sondern gilt als eines von sieben Weltwundern der Natur und gehört zum UNESCO-Weltnaturerbe.

Die riesigen Überschwemmungen gefährden möglicherweise auch die Korallen des Riffs. Das Schmutzwasser, das über die Flüsse ins Meer fließt, spült nach Einschätzung von Umweltschützern und Wissenschaftlern große Mengen Schadstoffe und Sedimente in die Küstengewässer. Dies habe negative Auswirkungen auf das empfindliche Ökosystem des Great Barrier Reefs, sagte der Meeresbiologe Jon Brody von der James Cook Universität im australischen Rundfunk.

"Mit dem Hochwasser fließt viel Süßwasser ins Meer. Außerdem enthält es viele Giftstoffe, durch die Erosion, Düngemittel und Pestizide von den landwirtschaftlich genutzten Flächen. Und dieser Giftcocktail wird die Korallen und andere Lebewesen vor der Küste von Queensland beeinträchtigen."

Schon das letzte große Hochwasser in Queensland vor rund 20 Jahren habe dramatische Auswirkungen auf das Great Barrier Reef gehabt, sagte Brody.

"Die letzte große Flut im Fitzroy-Fluss 1991, die vergleichbar war mit dieser jetzt, hat dazu geführt, dass alle Flachwasserkorallen im Bereich der Keppel-Inseln abgestorben sind. Zusammen mit anderen Lebewesen, die sich nicht wegbewegen konnten, wie Austern und Krustentiere. Bei Fischen ist es etwas anders. Die können wegschwimmen, deshalb wird es wohl kein großes Fischsterben geben, aber ausgeschlossen ist das auch nicht."

Wie Australien mit den Folgen der Naturkatastrophe fertig wird, ist noch ungewiss. Die Kosten könnten den Haushalt der Regierung sprengen und dann möglicherweise auch das politische Überleben der Labour-Regierung gefährden. Der Schatzminister Wayne Swann bemüht sich darum, die Zuversicht nicht zu verlieren.

"Die Grundlagen der australischen Wirtschaft sind sehr stark. Wir sind eines der wirtschaftlich stärksten Industrieländer der Welt. Wir haben die globale Finanz- und Wirtschaftskrise am besten von allen entwickelten Ländern überstanden. Das wird zweifellos ein schwerer Schlag für unsere Wirtschaft, wir stehen gut da. Ich glaube, dass sogar eine Katastrophe dieser Größenordnung die australische Wirtschaft nicht gefährden wird."

Die australische Regierung hat bereits angekündigt, dass für die Finanzierung des Wiederaufbaus eine Sondersteuer erwogen werde. Geplant sei eine einmalige Abgabe, sagte Premierministerin Julia Gillard und löste damit eine heftige innenpolitische Debatte aus.