Der ganz alltägliche Wahnsinn in New York

Von Jörg Taszman |
In "Please Give" geht es um wohl situierte New Yorker und ein ganz besonderes Problem der hippen Metropole: bezahlbaren Wohnraum. Da spekuliert man dann auch schon einmal mit dem Ableben der lieben Nachbarn.
Andra: "Wer ist da?"
Alex: "Hier ist Alex von nebenan. Wir wollen einkaufen gehen. Können wir Ihnen etwas ... Hi, können wir Ihnen etwas mitbringen, wenn wir schon dabei sind?"
Andra: "Ich hoffe Sie gehen nicht zu Windsor. Das sind Halsabschneider."
Alex und Kate: "Metro. Wir gehen zu Metro. Das ist besser."
Andra: "Sie haben wieder zugenommen."
Alex: "Wie bitte?"
Andra: "Sie haben wieder zugenommen."
Alex: "Dankeschön ... Gütiger Himmel."

Sie meinen es gut mit der Nachbarschaftshilfe, die beiden Mitvierziger Alex und Kate, die ihrer betagten Nachbarin eigentlich nur helfen wollen. Allerdings schwingt da auch ein wenig schlechtes Gewissen mit. So betreiben Kate und Alex ein Antiquitätengeschäft, kaufen dafür den Nachlass von Toten billig auf. Und die beiden haben die Wohnung der über 80-jährigen Nachbarin Andra bereits erworben, obwohl die alte Dame noch lebt. So spekulieren sie in gewisser Weise auch mit ihrem Tod. Diesen seltsamen Brauch hat sich die Regisseurin des Films Nicole Holofcener nicht ausgedacht. In New York ist das durchaus üblich.

"Nun es ist einfach billiger so. Ganz ernsthaft. Man kauft die Wohnung dann von einem sogenannten Sponsor. Das ist jemand, der in einem Apartmenthaus ganz viele Wohnungen besitzt. So kann man von diesem Sponsor dann sehr viel billiger kaufen, als wenn es einer Einzelperson gehört. Meine Freunde in New York konnten so ein echtes Schnäppchen machen. Ich lebe derzeit nicht in New York, aber ich weiß, dass die Wohnungssituation wirklich so angespannt ist. Niemand kann es sich mehr leisten, dort zu wohnen."

Die Filmemacherin nimmt den ganz alltäglichen Wahnsinn in New York aufs Korn und hat es geschafft gleich mehrere Generationen liebevoll aber auch kritisch zu porträtieren. So wird Andra von ihren beiden ungleichen Enkelinnen Rebecca und Mary versorgt. Amanda Peet die man auch aus größeren Hollywoodfilmen wie "2012" kennt, spielt die etwas oberflächliche Mary. Sie wollte schon lange mit der Regisseurin drehen.

"Wissen Sie, es ist sicherlich wunderbar, fast nur mit Frauen zusammenzuarbeiten, aber der Schlüssel zum Erfolg ist einfach, mit einem herausragenden Filmemacherin und einer tollen Autorin zusammenzuarbeiten. Und das ist die Regisseurin einfach. Man stellt mir diese Frage ziemlich oft, aber ich sehe sie nicht als eine weibliche Filmemacherin, sondern eine großartige Regisseurin. Sie hat ein so gutes Ohr für Dialoge und kann das scheinbar Belanglose in menschlichen Beziehungen so gut beobachten und festhalten, überhaupt das menschliche Befinden."

Marys Schwester wird von der Britin Rebecca Hall verkörpert, die man vor allem in Woody Allens "Vicky Christina Barcelona" entdeckte, wo sie an der Seite von Scarlett Johansson und Penelope Cruz brillierte. Wenn sie in den USA dreht, muss sie immer ihren britischen Dialekt ablegen, und so ist man ganz erstaunt, wenn sie im Interview sehr britisch klingt. Zwischen Woody Allen und Nicole Holofcener sieht Rebecca Hall interessante Parallelen.

"Sie lassen mich beide einfach spielen und vertrauen mir. Woody Allen sagt dir nie, wie du eine Szene spielen sollst, ob du darin gut warst oder nicht. Aber viele Regisseure sind so. Es gibt auch einfach viel Vertrauen. 90 Prozent des Regieführens besteht aus dem richtigen Casting. Wenn die Rolle einmal besetzt ist, muss man eben auch genug Vertrauen aufbringen, dass der Schauspieler die Rolle ausfüllt und etwas anbietet. Nicole Holofcener und Woody Allen sind beide Filmemacher mit einem so guten Geschmack und so viel Talent. Da vertraust du ihnen einfach. A) Du lässt dich einfach treiben und b) Du hörst zu und änderst etwas in deinem Spiel und machst auch eine 180-Grad-Kehrtwendung, wenn sie das von dir verlangen."

Filme wie "Please Give" leben der guten Beobachtungsgabe der Regisseurin und Autorin Nicole Holofcener und von den guten Schauspielern. In dem Ensemblefilm wirken als das zentrale Paar auch die wunderbare Catherine Keener und der etwas stämmige Oliver Platt mit. Die Geschichten sind gut erzählt und wirklich unterhaltsam. Ein idealer, kleiner Sommerfilm also. Dennoch ist man erstaunt zu erfahren, wie schwer es Nicole Holofcener fiel, ein Studio zu finden, das ihren Film auch produzierte. Am Ende war nur Sony dazu bereit.

"Sie waren zunächst sehr zögerlich und meinten der Filme wäre zu depressiv. Sie lasen das Drehbuch und konnten den Humor dort nicht sehen. Und ich sagte zu Ihnen: "Hey, meine Filme sind lustig!" Und sie meinten nur, dann zeig uns bitte wo. Und ich musste ihnen dann richtig aufzeigen: Dieser Satz ist komisch, diese Szene ist witzig und hier dieser Satz ist ja gar nicht tragisch. Und ja es gibt hier und da auch traurige und deprimierende Momente". So musste ich dort regelrecht tanzen und singen, um die Geldgeber zu überzeugen. Und kein anderes Studio wollte den Film."

Ganze drei Millionen Dollar hat der Film gekostet und immerhin in den USA genauso viel eingespielt. Dabei hätte man den Machern und den Schauspielern einen größeren Erfolg gewünscht. Denn wer sich schon immer für die Nöte von Großstädtern im Generellen und von New Yorkern im Speziellen interessierte, der ist mit "Please Give" bestens bedient.

Filmhomepage (englisch)