Der Frühling bringt die Festivals
Die Zeit der Paradepferde ist angebrochen: Zum Frühlingsstart zeigen die deutschen Bühnen ihre prächtigsten Rösser, die Ackergäule für die Alltagsarbeit bleiben im Stall. Die Bestentreffen beginnen, die Festivals, die Highlights versprechen, aufregende Aufführungen, die man lieben, hassen und heftig diskutieren kann. Drei der wichtigsten deutschen Theaterfestivals lassen am ersten Maiwochenende die Vorhänge hoch gehen.
Das Berliner Theatertreffen zeigt die zehn wichtigsten Aufführungen des letzten Jahres aus dem deutschsprachigen Raum. Zumindest nach Meinung einer siebenköpfigen Kritikerjury, die sich im Laufe des Festivals auch der Diskussion mit dem Publikum stellt. Da gibt es Theater mit klar politischem Kontext, Stephan Kimmigs Hamburger Inszenierung von Schillers "Maria Stuart" zum Beispiel, das Königinnendrama als Politthriller aus der von Paranoia erfüllten Schaltzentrale der Staatsmacht. Oder "Pornographie" von Simon Stephens, eine Erkundung der Lebensumstände am Tag eines Terrorattentates in London. Viele der wichtigsten Regisseure und Schauspieler sind in Berlin vertreten: Jürgen Gosch, Christoph Marthaler, Stefan Pucher, Ulrich Matthes, Joachim Meyerhoff, Jana Schulz, Jens Harzer, Hildegard Schmahl – die Liste kann noch lange werden und bleibt doch nur eine subjektive Auswahl. Neu für das Theatertreffen ist eine acht Tage nonstop laufende Performance, "Die Erscheinungen der Martha Rubin", produziert vom Schauspiel Köln. Die dänische Regisseurin Signa Sörensen entwirft ein ungewohntes Konzept von Theater. Die Zuschauer bewegen sich in einer Containerstadt, sprechen mit den Bewohnern, tanzen und trinken mit ihnen. Jeder schafft sich sein eigenes Theatererlebnis, die Geschichte setzt sich aus vielen Mosaiksteinen zusammen. Drei "Talenteplattformen" präsentieren neue Dramatiker und öffnen Foren für junge Theatermacher.
"Amerika" steht im Zentrum der Ruhrfestspiele in Recklinghausen. Leiter Frank Hoffmann hat es geschafft, das Festival wieder auf ökonomisch sichere Beine zu stellen und bietet nach einer Phase der Kompromisse ein künstlerisch interessantes Programm. Zum Start hat er zwei Hollywoodstars nach Recklinghausen gelockt, Kevin Spacey und Jeff Goldblum spielen mit dem Ensemble des Old Vic Theatre aus London das neue Stück von David Mamet, "Speed the plow", eine Satire auf die amerikanische Filmindustrie. An Stars herrscht auch sonst kein Mangel: Peter Lohmeyer spielt in Kurt Weills Musical "Hapyy End" in der Regie von Jerome Savary, Gastspiele kommen u. a. von der Berliner Schaubühne und vom Hamburger Thalia-Theater. Einige mit Spannung erwartete Inszenierungen haben ihre Premiere bei den Ruhrfestspielen, zum Beispiel die Romanadaption "Anna Karenina" mit Fritzi Haberlandt, inszeniert von Jan Bosse. Das hat zwar nicht wirklich was mit Amerika zu tun, aber allzu genau sollte man solche Themenvorgaben nicht nehmen. Recklinghausen zeigt auch eine Reihe von Uraufführungen und veranstaltet wieder ein Fringe-Festival im Rahmen der Ruhrfestspiele, ein "Festival im Festival" für Experimente und Entdeckungen.
Der Mülheimer Dramatikerpreis gehört zu den renommiertesten Auszeichnungen für deutschsprachige Autoren. Er wird am Ende der "Stücke" vergeben, des Theaterfestivals, in dem ausschließlich die Qualität der Texte zählt. Natürlich gibt es trotzdem hochkarätige Aufführungen, zum Start "Heaven (zu Tristan)" von Fritz Kater, dem Synonym von Regisseur Armin Petras, oder am Schluss "Das große Feuer" von Dea Loher. Es sind einige neue, junge Autoren erstmals dabei, die in die Phalanx der großen Namen einbrechen konnten: der Österreicher Ewald Palmethofer zum Beispiel oder Laura de Weck, die mit "Lieblingsmenschen" Dialoge im SMS-Stil auf die Bühne bringt. Ähnlich wie in Berlin legt auch das Mülheimer Festival großen Wert auf Debatten und Gespräche. Nach fast jeder Aufführung gibt es hier eine Diskussion mit Publikum, Schauspielern, Regisseuren und Autoren. Der Preis wird am Ende in einer öffentlichen Jurysitzung vergeben. Die Zuschauer dürfen sich zwar nicht einmischen, die Stimmung im Saal brodelt aber trotzdem häufig. Oder gerade deswegen.
Der Frühling bringt noch einige interessante Festivals: "Neue Stücke aus Europa" in Wiesbaden, Theater der Welt in Halle oder die Bonner Biennale zum Beispiel. Da vergisst man fast, dass die Stadttheater – und die Off-Bühnen - auch noch Premieren produzieren. Was ein Fehler ist, denn wenn das Ende der Spielzeit naht, sind auch diese Bühnen fast immer gut besucht. Die Festivals scheinen ihnen keine Zuschauer weg zu nehmen, sondern die Theaterlust eher noch zu steigern. Da liegt die Frage nahe, warum alle bedeutenden Festivals zwischen Mai und September stattfinden müssen. Die Chance auf gutes Wetter ist zwar größer und damit der touristische Faktor stärker. Aber vielleicht sind ja auch Konzepte denkbar, die auch in den kühleren Monaten dem Theater neue "Impulse" verleihen. Das gleichnamige Bestentreffen der Off-Theater ist bisher das einzige Festival von Belang, das sich dem Frühlingszwang entzieht.
Links:
www.berliner-festspiele.de
www.ruhrfestspiele.de
www.stuecke.de
"Amerika" steht im Zentrum der Ruhrfestspiele in Recklinghausen. Leiter Frank Hoffmann hat es geschafft, das Festival wieder auf ökonomisch sichere Beine zu stellen und bietet nach einer Phase der Kompromisse ein künstlerisch interessantes Programm. Zum Start hat er zwei Hollywoodstars nach Recklinghausen gelockt, Kevin Spacey und Jeff Goldblum spielen mit dem Ensemble des Old Vic Theatre aus London das neue Stück von David Mamet, "Speed the plow", eine Satire auf die amerikanische Filmindustrie. An Stars herrscht auch sonst kein Mangel: Peter Lohmeyer spielt in Kurt Weills Musical "Hapyy End" in der Regie von Jerome Savary, Gastspiele kommen u. a. von der Berliner Schaubühne und vom Hamburger Thalia-Theater. Einige mit Spannung erwartete Inszenierungen haben ihre Premiere bei den Ruhrfestspielen, zum Beispiel die Romanadaption "Anna Karenina" mit Fritzi Haberlandt, inszeniert von Jan Bosse. Das hat zwar nicht wirklich was mit Amerika zu tun, aber allzu genau sollte man solche Themenvorgaben nicht nehmen. Recklinghausen zeigt auch eine Reihe von Uraufführungen und veranstaltet wieder ein Fringe-Festival im Rahmen der Ruhrfestspiele, ein "Festival im Festival" für Experimente und Entdeckungen.
Der Mülheimer Dramatikerpreis gehört zu den renommiertesten Auszeichnungen für deutschsprachige Autoren. Er wird am Ende der "Stücke" vergeben, des Theaterfestivals, in dem ausschließlich die Qualität der Texte zählt. Natürlich gibt es trotzdem hochkarätige Aufführungen, zum Start "Heaven (zu Tristan)" von Fritz Kater, dem Synonym von Regisseur Armin Petras, oder am Schluss "Das große Feuer" von Dea Loher. Es sind einige neue, junge Autoren erstmals dabei, die in die Phalanx der großen Namen einbrechen konnten: der Österreicher Ewald Palmethofer zum Beispiel oder Laura de Weck, die mit "Lieblingsmenschen" Dialoge im SMS-Stil auf die Bühne bringt. Ähnlich wie in Berlin legt auch das Mülheimer Festival großen Wert auf Debatten und Gespräche. Nach fast jeder Aufführung gibt es hier eine Diskussion mit Publikum, Schauspielern, Regisseuren und Autoren. Der Preis wird am Ende in einer öffentlichen Jurysitzung vergeben. Die Zuschauer dürfen sich zwar nicht einmischen, die Stimmung im Saal brodelt aber trotzdem häufig. Oder gerade deswegen.
Der Frühling bringt noch einige interessante Festivals: "Neue Stücke aus Europa" in Wiesbaden, Theater der Welt in Halle oder die Bonner Biennale zum Beispiel. Da vergisst man fast, dass die Stadttheater – und die Off-Bühnen - auch noch Premieren produzieren. Was ein Fehler ist, denn wenn das Ende der Spielzeit naht, sind auch diese Bühnen fast immer gut besucht. Die Festivals scheinen ihnen keine Zuschauer weg zu nehmen, sondern die Theaterlust eher noch zu steigern. Da liegt die Frage nahe, warum alle bedeutenden Festivals zwischen Mai und September stattfinden müssen. Die Chance auf gutes Wetter ist zwar größer und damit der touristische Faktor stärker. Aber vielleicht sind ja auch Konzepte denkbar, die auch in den kühleren Monaten dem Theater neue "Impulse" verleihen. Das gleichnamige Bestentreffen der Off-Theater ist bisher das einzige Festival von Belang, das sich dem Frühlingszwang entzieht.
Links:
www.berliner-festspiele.de
www.ruhrfestspiele.de
www.stuecke.de