Der Frauentag in der DDR

Sekt und Sekretärsreden

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Erich Honecker prostet Frauen bei einer Feier anlässlich des Internationalen Frauentages zu.
8. März 1988 in der DDR: Staatschef Erich Honecker prostet Frauen mit Sekt zu. © imago / Stana
Von Lotta Wieden · 07.03.2019
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Der Frauentag hat in diesem Jahr Premiere als Feiertag – in Berlin. Im Ostteil der Stadt und in der DDR wurde der 8. März jahrzehntelang offiziell begangen, aber nicht als arbeitsfreier Tag: Wie genau sah diese Tradition aus?
Der 8. März in der DDR: Er war ein ganz normaler Arbeitstag. Kein Feiertag, nur sogenannter Gedenktag. Frauen und Männer hatten selbstverständlich zur Arbeit zu erscheinen. Und erst dort – meist schon am frühen Nachmittag - fanden dann jene Feierlichkeiten statt, über deren Zweck und Gelingen auch heute noch unterschiedlichste Ansichten existieren.
So erinnert sich die Historikerin und Journalistin Annette Leo an ihre erste Frauentags-Feier noch heute mit Schaudern:
"Da war ich gerade 18 Jahre alt, und war Volontärin bei der 'Berliner Zeitung'. Und da war denn also ein riesen Buffet aufgebaut und lauter kleine Tische, an denen saßen also sämtliche Frauen des Verlages und irgendeine schreckliche Combo spielte da so schnulzige Lieder. Und die einzigen Männer, die da waren, das waren die Männer dieser Combo und der Verlagsdirektor, der Parteisekretär und der Gewerkschaftsvorsitzende. Dann kam auch noch die Kaderleiterin! So eine Frau um die 50, die kam auf mich zugestürzt, als die Musik anfing - und forderte mich zum Tanzen auf. Es waren ja keine Männer da! Und da hab ich die Flucht ergriffen: Bin raus und hatte dann draußen schwer atmend gedacht, ich bin gerade noch mal entkommen!"

Unterscheidung zwischen offiziellem und heiterem Teil

"Eigentlich alle offiziellen Veranstaltungen in der DDR waren peinlich, und zwar wurden die auch durchgeführt im Bewusstsein, dass sie peinlich waren - und trotzdem wurden sie durchgeführt", sagt Karsten Laudin, Ethikprofessor an der Evangelischen Hochschule Berlin, Schwerpunkt: DDR-Alltagskultur.
"Und wenn das dann vorbei war, das war dann der Zeitpunkt, wo die Wodkaflaschen aufgemacht wurden - Wodka-Cola oder was es dann immer gab. Dann war das irgendwie auch vergessen."
Erinnerungen von Zeitgenossinnen:
"10 Mark stand zur Verfügung zur Feier des Frauentags in 'niveauvoller Form', und denn wurde also, je nach dem, ein halber Broiler gekauft oder Kaffee und Kuchen serviert: die Männer haben dann immer eingegossen."
"Die mussten uns dann bedienen."
"Das war immer ganz nett."
"Wir hatten dann immer eher Feierabend."
"Und dann kam das Eigentliche: das eine oder andere Gläschen Sekt."
"Das waren richtig schöne, fetzige Feiern."
Der DDR-Frauentag: Er zerfiel stets in einen heiteren, gemütlichen Teil am Nachmittag und Abend. Und den offiziellen Teil davor – mit Ansprachen, Ehrungen und Auszeichnungen. Interessant aber, was dabei nicht zur Sprache kam: Zwar waren die Frauen im Osten finanziell unabhängiger, konnten von Anfang an arbeiten und ein eigenes Konto eröffnen ohne ihren Ehemann um Erlaubnis zu fragen.

Ambivalenz der Gleichberechtigung in der DDR

Andererseits schafften es in 40 Jahren DDR gerade mal zwei Frauen auf Ministerposten, hatten Männer in der Regel die besser bezahlten Jobs. Und auch im Osten kümmerten sich vor allem Frauen um Kinder und Haushalt - trotz 40-Stunden-Woche. Solche Defizite anzusprechen aber war Tabu: Die Crux des DDR-Frauentags war, dass es an diesem Tag gerade nicht - wie Clara Zetkin - es einst gefordert hatte - um den Kampf für die Rechte der Frauen ging, sondern lediglich darum Errungenschaften zu feiern.
Erich Honecker (Mitte) klatscht  anlässlich einer Feier zum Internationalen Frauentag in Berlin Beifall für das Orchester.
Erich Honecker bei der Feier in Berlin im Jahr 1984: Offizielle Veranstaltungen in der DDR waren peinlich, sagt Karsten Laudin.© imago / Stana
"Wenn man den Frauentag so versteht, dass er ein Kampf für die Verwirklichung der Frauenrechte ist", sagt Karsten Laudin, "dann ist das genau das, was in der DDR nicht hätte stattfinden können, weil sich die DDR ja von Anfang an verstanden hat als ein Land in dem das schon erfüllt ist.
Was dazu führte, dass die offiziellen Feierlichkeiten am 8. März zu landesweiten Dankeschön-Reden verkümmerten, bei denen die Frauen in erster Linie für ihre Arbeitsleistung gewürdigt wurden - eine Anerkennung, die der Staat bis ins Private hinein organisierte. In Schulen, Kindergärten und durch die Medien:
"Wir machen im Hort Taschentuchbehälter und drucken Deckchen."
"Eine Glückwunschkarte hab ich gemacht. - Und was schreibst du drauf? – Liebe Mutti ich wünsch dir alles Gute und dass du nicht mehr dich so oft aufregst."
"Ich weck meine Mutti mit einem Kuss, und dann mach ich das Frühstück und da freut sie sich dann."

Umarmung durch Staat, Kollegen, Ehemänner und Kinder

Schon Vorschulkinder überreichten ihren Muttis am 8. März Geschenke. Ehemänner bemühten sich um Blumen, männliche Brigademitglieder standen an diesem einen Tag mal selbst an der Kaffeemaschine, machten das Frühstück. Bezeichnend, dass in dieser fast schon erstickenden Umarmung durch Staat, Kollegen, Ehemänner und die eigenen Kinder, der Frau - als der Geehrten und Beschenkten - eine maximal passive Rolle zukam.
"Das fängt morgens mit Blumen an, mit Frühstück zubereiten, einheizten für die Frau."
"Kaffee ans Bett bringen."
"Ich werde auch einmal den Teppich saugen und die Schuhe ausziehen vor der Türe."
"Schöne Flasche Sekt!"
Warum sich die meisten Frauen in Ostdeutschland dennoch bis heute gern an den DDR-Frauentag erinnern? Weil sie sich trotz allem gesehen fühlten: in den vielen, kleinen Aufmerksamkeiten und Gesten der Familienmitglieder, Freunde und Kollegen. Und vielleicht auch, weil die bloße Existenz eines offiziell begangenen Frauentages immerhin auch so was wie ein Versprechen war.
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