Der französisch-jüdische Schriftsteller Marek Halter

"Man kann den Terrorismus nicht bekämpfen ohne die Muslime"

Der polnisch-französische Autor und Künstler Marek Halter, aufgenommen auf dem Pariser Friedhof Pere Lachaise zur Beerdigung des Philosophen Andre Glucksmann am 13. November 2015
Der polnisch-französische Autor und Künstler Marek Halter © picture alliance / dpa / Etienne Laurent
Von Peter Kaiser · 14.07.2017
Der 81-jährige französische Autor Marek Halter wurde als Kind polnisch-jüdischer Eltern im Warschauer Getto geboren. Den "Marsch der Muslime gegen den Terrorismus" hat er mitinitiiert. Denn er wisse, sagt Halter, wohin der Hass gegen andere führt.
Am 9. Juli startete in Berlin der "Marsch der Muslime gegen den Terrorismus". 60 Imame aus aller Welt setzten bei diesem Marsch – beginnend an der Kaiser-Wilhelm-Gedächtniskirche am Berliner Breitscheidplatz über Brüssel bis zur Pariser Friedensmauer – ein klares Zeichen gegen Terrorismus. Inmitten der Imame, die sich zum Marsch versammelt hatten, stand ein kleiner, älterer Herr mit dichtem Kopf- und Barthaar, Marek Halter, 81-jähriger polnisch-französischer Künstler und Autor. Sein Engagement zum Marsch, den er als Jude mitinitiierte, begründete Marek Halter so…
"Ich bin im Ghetto von Warschau geboren, ich weiß, wohin der Hass des Anderen führt."
Später erläutert Marek Halter im Interview seinen Beweggrund zum Engagement noch etwas genauer.
"Ich glaube im Tiefsten, dass man den Terrorismus nicht bekämpfen kann, ohne die Muslime."
Doch wer ist der hier vielfach unbekannte, aber in Frankreich hochgeschätzte Marek Halter?
Am 27. Januar 1936 wurde Marek Halter als Kind polnisch-jüdischer Eltern im Warschauer Ghetto geboren. Die Familie konnte 1941 aus dem brennenden Ghetto mit Hilfe zweier Katholiken nach Usbekistan fliehen, 1950 kamen sie nach Frankreich. Auch wenn Marek Halter Schüler beim weltberühmten Pantomimen Marcel Marceau wird, und Malerei an der Ecole des Beaux-Arts in Paris studiert, das Wort, gesprochen und geschrieben, das Wort an sich ist ihm wichtig. Später wird er sagen….
"Alles steht geschrieben, darum ist auch das Wort so wichtig. Und das ist auch das Zweite, was mich am Judentum fasziniert, diese Verwurzelung im Wort, im Geschriebenen."

"La mémoire d'Abraham" wird ein Bestseller

Zwei Jahre Aufenthalt von 1955 bis 1957 in Buenos Aires, in dieser Zeit findet seine erste Ausstellung statt, weitere folgen nach der Rückkehr in Paris. 1983 erscheint seine autobiografische Schrift "La mémoire d'Abraham", die ein Bestseller wird, und sich über 25 Millionen Mal weltweit verkauft. Alles, sagt Marek Halter, und streicht sich dabei immer wieder durch das dichte volle Haar, beginnt mit der Wahl zum Judentum, zu Abraham.
"Judentum ist eine Wahl, und das ist eigentlich auch das, was das Judentum ausmacht. Und eben mit dieser Freiheit eine Wahl zu treffen, beginnt die gesamte Geschichte des Judentums."
Der 1983 erst 47-jährige Marek Halter ruht sich auf seinen großen Bucherfolg nicht aus. Weitere Romane entstehen, wie etwa die Trilogie über die biblischen Frauengestalten Sarah, Tsiporra und Lilah, die Schwester der Esra. 2006 folgt noch ein Roman über Maria, die Mutter Jesu. Doch der rege Marek Halter ist auch noch anders tätig, seine 1994 entstandene Dokumentation "Tzedek/ Les Justes" über jene Mutigen, die verfolgten Juden im 2. Weltkrieg das Leben retteten, wird 1995 auf der Berlinale ein Erfolg. Das Buch zum Film "Auf der Suche nach den 36 Gerechten" erscheint 1997.
Weitere Werke, Essays, autobiografische Schriften und politische Texte werden veröffentlicht. 1999 sorgt die Erzählung, zu Deutsch "Das Judentum, meinen Patenkindern erzählt" für einen Überraschungserfolg. Kritiker meinen…
Zitat aus "Le Monde": "Marek Halter erzählt das Judentum auf seine ihm eigene Weise, anmutig und temperamentvoll, tragisch und zurückhaltend, ironisch und scharf."

Halter fasziniert die Liebe zur Freiheit am Judentum

"Was mich vor allem am Judentum fasziniert, ist die Liebe zur Freiheit, und die bestimmt eben auch alle Handlungen des bewussten Juden, alle religiösen Handlungen. Zum Beispiel zu Pessach, wo immer wieder daran erinnert wird, du kannst nicht frei sein in einer Welt, wo es immer noch die Sklaverei gibt, und daher gibt es auch immer noch das etwas Subversive am Judentum."
Im Jahr 2008 wird Marek Halter zum Offizier der Ehrenlegion ernannt, in Sankt Petersburg und in Moskau werden auf seine Initiative hin je ein Collège Universitaire Francais gegründet. Im Juli 2017, am Ort des Berliner Attentats vom Dezember 2016 positioniert sich Marek Halter klar auf die Frage, ob wir uns im Kampf der Religionen befinden.
"Man kann im Namen des Koran auch die Attentate dieser Täter verurteilen. Wenn man das tut, dann ist es kein Religionskrieg mehr auf einmal, sondern dann ist es einfach der Nichtrespekt vor dem Lebensrecht eines Jeden, wie es auch im Koran steht."
Und kurz bevor der Jude Marek Halter am "Marsch der Muslime gegen den Terrorismus" teilnahm, sagt er am Rande…
"Hier ist das Böse des 20. Jahrhunderts gestartet, und von hier muss jetzt auch die Genesung starten."
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