Der Feldherr als Knallcharge

Von Uwe Friedrich · 04.04.2008
In der wiederentdeckten Barockoper "Arminio" streiten der Cheruskerfürst Hermann und der römische Heerführer Varus um Thusnelda. Die Aufführung bietet eine gut geölte Theatermaschinerie. Dirigentin Elisa Gogou animiert die Meininger Hofkapelle auf modernen Instrumenten zu beschwingtem Spiel.
Mit der historischen Hermannsschlacht im Teutoburger Wald im Jahre 9 hat diese Barockoper selbstverständlich nicht viel zu tun. Damals hat der Cheruskerfürst Hermann den ziemlich arglosen römischen Heerführer Varus in einen Hinterhalt gelockt und dessen Legionen erbarmungslos niedermetzeln lassen. Hier ist Arminio, also Hermann, bereits gefangen, bleibt aber moralisch aufrecht. Seine Frau Tusnelda hält zu ihm und will nicht zu Varus überlaufen, der sich in sie verliebt hat. Da kommt Varus auf die merkwürdige Idee, Tusnelda werde sich in ihn verlieben, wenn er Hermann in der Schlacht besiege. Die beiden gehen also vor die Tür und machen das zwischen Männern aus, während Tusnelda eine Bravourarie singt.

Die junge Sopranistin Daniela Dott singt die Thusnelda technisch beglückend souverän, mit stilsicheren Variationen in den Wiederholungen, mit Charme und größter Lässigkeit. Jeder im Publikum versteht sofort, dass Varus sich unsterblich in sie verlieben muss.

Francesco Rinaldis Oper "Arminio" wurde in der Herzog-Anton-Ulrich-Notensammlung der Meininger Museen wieder entdeckt. Ab 1718, da war Anton Ulrich noch nicht Herzog, ist er viel in Europa umhergereist und hat sich ganz den adligen Vergnügungen hingegeben. Viel Theater, viel Musik, viel Oper. Anton Ulrich von Sachsen-Meiningen verschuldete sich massiv für seine Musikleidenschaft. Zwar gab es schon seit etwa 1690 eine Hofkapelle in Meiningen, aber von einem so glanzvollen Musikleben wie in Wien konnte selbstverständlich keine Rede sein.

In der Reithalle neben dem Schloss Elisabethenburg zeigt sonst das Theatermuseum seine Schätze. Das sind vor allem die realistischen Originalkulissen und -kostüme aus der großen Zeit des Meininger Hoftheaters um 1900. Doch nun hat der Bühnenbildner Bernd Dieter Müller eine schräge Spielfläche in die Halle hineingebaut, begrenzt von illusionistisch gemalten Wolken und einem barocken Palastraum. Anschaulich entfaltet der Regisseur Klaus Rak hier das barocke Typendrama mit den standardisierten Ariensituationen. Liebe, Hass, Eifersucht, Verwirrung der Gefühle und schließlich die Auflösung des Konflikts durch den Sieg des moralisch überlegenen, rechtmäßigen Herrschers Arminio, all das schnurrt in einer gut geölten Theatermaschinerie ab, nicht zuletzt weil die Dirigentin Elisa Gogou die Meininger Hofkapelle auf modernen Instrumenten zu beschwingtem Spiel animiert.

Allerdings macht der Regisseur den römischen Feldherrn Varus von Anfang an zur Knallcharge und der Bass Jörn E. Werner knattert sich wenig stilsicher durch diese Partie. Auch der Countertenor Denis Lakey als Intrigant Segeste kann nicht unbedingt mit einer schönen Stimme für sich einnehmen. Aber sobald die drei Frauen zu singen beginnen, neben der grandiosen Daniela Dott noch Iva Ionova und Maria Rosendorfsky, sind diese Einschränkungen vergessen.

Mit Francesco Rinaldis "Arminio" ist dem Meininger Theater ein sehr interessanter Beitrag zur Rezeptionsgeschichte der Hermannsschlacht gelungen, die sich im kommenden Jahr zum 2000. Mal jährt. Das gelang, weil das Theater ebenso wie die Museen und ihre Musiksammlung zur Meininger Kulturstiftung gehört. Da sind die Entscheidungswege und kurz und die Zusammenarbeit scheint gut zu funktionieren.