Der Fall Steinbach: Erpressung statt Versöhnung
Erika Steinbach, man kann es nicht oft genug betonen, ist keine Vertriebene. Zwar wurde sie in Rahmel, polnisch Rumia, geboren. Doch erstens gehörte der ehemals westpreußische Ort seit 1920 nicht mehr zu Deutschland und zweitens ihre Familie nicht zu der verbliebenen deutschsprachigen Minderheit dieses kaschubischen Dorfes.
Ihr Vater war Luftwaffenfeldwebel auf dem ortsansässigen Flugplatz, der, ganz nebenbei, auch mehrere Zwangsarbeitslager unterhielt.
Als die Rote Armee gen Westen vorrückte, musste sich die Wehrmacht nebst Angehörigen zurückziehen, und so kam Steinbach im Alter von 18 Monaten nach Westdeutschland, in die eigentliche Heimat ihrer Eltern.
Zunächst nach Schleswig-Holstein und dann nach Hanau, wo ihr Vater herkommt, um es genau zu lokalisieren. Sie ist also etwa so sehr eine Vertriebene, wie, sagen wir, eine Hanauerin eine Frankfurterin ist, nur weil sie in der dortigen Universitätsklinik das Licht der Welt erblickte.
1998 wurde sie zur Vorsitzenden des Bundes der Vertriebenen gewählt. Als die polnische Zeitung Rzeczpospolita kurz darauf das Geheimnis ihrer wahren Herkunft lüftete, entgegnete sie schmallippig, man müsse ja wohl kein Wal sein, um sich für Wale einzusetzen. Das ist zweifellos richtig, doch sie hatte bis dahin auch nichts dagegen unternommen, als prädestinierter Musterwal wahrgenommen zu werden. Erika Steinbach beherrscht die Diplomatie etwa so perfekt wie die Wale das Fliegen.
Für das sensible Feld der deutsch-polnischen Beziehungen ist das eine denkbar ungünstige Voraussetzung. Hatte sie nicht auch 1990 gegen den deutsch-polnischen Grenzvertrag gestimmt? War sie nicht 1997 im Bundestag gegen die deutsch-tschechische Aussöhnungserklärung? Zwar wollte sie einmal Musikerin werden, bevor sie sich für die Politik entschied. Aber Takt ist ihre Stärke nie gewesen.
Viele Polen, meinte sie einmal, empfänden alles, was ihnen keinen lupenreinen Opferstatus bescheinigt, als inakzeptabel. Kann sein. Manche Polen, beispielsweise der mutige Leon Kieres, ehemals Präsident des Warschauer Zentrums für nationales Gedenken, sehen das genauso. Doch aus dem Mund der Tochter eines ehemaligen Besatzungsfeldwebels kommen solche Worte bei unserem östlichen Nachbarn verständlicherweise nicht gut an.
Vor Jahren, als sie in einer reichlich misslungenen Collage als SS-Walküre das Titelblatt des Nachrichtenmagazins Wprost zierte, musste ich in Warschau die Erfahrung machen, dass selbst eine sehr liberal denkende polnische Freundin in fast panische Zustände geriet, wenn die Rede auf Erika Steinbach kam. So bedeutsam ist sie nun auch wieder nicht, versuchte ich damals zu beruhigen.
Und war es nicht Erika Steinbach, die dafür gesorgt hatte, dass ein notorischer Auschwitzleugner als Funktionsträger des Vertriebenenverbandes zurücktreten musste? Hatte sie nicht für politische Öffnung gesorgt, als sie kritische Geister wie Peter Glotz, Joachim Gauck und Ralph Giordano für das geplante Zentrum gegen Vertreibungen in Berlin gewinnen konnte? Hatte sie nicht zu anderen menschenrechtlichen Fragen deutlich Stellung bezogen? Auch zu Guantanamo?
Ein Störfaktor der deutsch-polnischen Beziehungen ist sie dennoch immer geblieben. Als Außenminister Westerwelle mit sicherem Gespür für politische Prioritäten nach seiner Wahl als erstes Warschau besuchte und sich dabei gegen ihre Nominierung für den Beirat der Stiftung "Flucht, Vertreibung, Versöhnung" aussprach, warf sie ihm vor, er wolle Vertrauen zu anderen Ländern durch Opfergaben zu Lasten der eigenen Bürger erkaufen. Das klang wie ein Kanonenschuss.
Der Bund der Vertriebenen aber hält an Steinbach fest, selbst um den Preis einer ernsthaften Koalitionskrise. "Wir glauben, dass die Bundesregierung jetzt ihre Hausaufgaben machen muss", so die forsche Vorsitzende ultimativ. Im Klartext: Erpressung statt Einsicht und Versöhnung.
Nein danke.
Rolf Hosfeld, Publizist, Autor, Lektor und Filmemacher, geboren am 22. Juni 1948 in Berleburg (Nordrhein-Westfalen), studierte Germanistik, Philosophie und Politikwissenschaften. Hosfeld lebt als freier Autor und Filmemacher auf dem Land bei Potsdam.
Als die Rote Armee gen Westen vorrückte, musste sich die Wehrmacht nebst Angehörigen zurückziehen, und so kam Steinbach im Alter von 18 Monaten nach Westdeutschland, in die eigentliche Heimat ihrer Eltern.
Zunächst nach Schleswig-Holstein und dann nach Hanau, wo ihr Vater herkommt, um es genau zu lokalisieren. Sie ist also etwa so sehr eine Vertriebene, wie, sagen wir, eine Hanauerin eine Frankfurterin ist, nur weil sie in der dortigen Universitätsklinik das Licht der Welt erblickte.
1998 wurde sie zur Vorsitzenden des Bundes der Vertriebenen gewählt. Als die polnische Zeitung Rzeczpospolita kurz darauf das Geheimnis ihrer wahren Herkunft lüftete, entgegnete sie schmallippig, man müsse ja wohl kein Wal sein, um sich für Wale einzusetzen. Das ist zweifellos richtig, doch sie hatte bis dahin auch nichts dagegen unternommen, als prädestinierter Musterwal wahrgenommen zu werden. Erika Steinbach beherrscht die Diplomatie etwa so perfekt wie die Wale das Fliegen.
Für das sensible Feld der deutsch-polnischen Beziehungen ist das eine denkbar ungünstige Voraussetzung. Hatte sie nicht auch 1990 gegen den deutsch-polnischen Grenzvertrag gestimmt? War sie nicht 1997 im Bundestag gegen die deutsch-tschechische Aussöhnungserklärung? Zwar wollte sie einmal Musikerin werden, bevor sie sich für die Politik entschied. Aber Takt ist ihre Stärke nie gewesen.
Viele Polen, meinte sie einmal, empfänden alles, was ihnen keinen lupenreinen Opferstatus bescheinigt, als inakzeptabel. Kann sein. Manche Polen, beispielsweise der mutige Leon Kieres, ehemals Präsident des Warschauer Zentrums für nationales Gedenken, sehen das genauso. Doch aus dem Mund der Tochter eines ehemaligen Besatzungsfeldwebels kommen solche Worte bei unserem östlichen Nachbarn verständlicherweise nicht gut an.
Vor Jahren, als sie in einer reichlich misslungenen Collage als SS-Walküre das Titelblatt des Nachrichtenmagazins Wprost zierte, musste ich in Warschau die Erfahrung machen, dass selbst eine sehr liberal denkende polnische Freundin in fast panische Zustände geriet, wenn die Rede auf Erika Steinbach kam. So bedeutsam ist sie nun auch wieder nicht, versuchte ich damals zu beruhigen.
Und war es nicht Erika Steinbach, die dafür gesorgt hatte, dass ein notorischer Auschwitzleugner als Funktionsträger des Vertriebenenverbandes zurücktreten musste? Hatte sie nicht für politische Öffnung gesorgt, als sie kritische Geister wie Peter Glotz, Joachim Gauck und Ralph Giordano für das geplante Zentrum gegen Vertreibungen in Berlin gewinnen konnte? Hatte sie nicht zu anderen menschenrechtlichen Fragen deutlich Stellung bezogen? Auch zu Guantanamo?
Ein Störfaktor der deutsch-polnischen Beziehungen ist sie dennoch immer geblieben. Als Außenminister Westerwelle mit sicherem Gespür für politische Prioritäten nach seiner Wahl als erstes Warschau besuchte und sich dabei gegen ihre Nominierung für den Beirat der Stiftung "Flucht, Vertreibung, Versöhnung" aussprach, warf sie ihm vor, er wolle Vertrauen zu anderen Ländern durch Opfergaben zu Lasten der eigenen Bürger erkaufen. Das klang wie ein Kanonenschuss.
Der Bund der Vertriebenen aber hält an Steinbach fest, selbst um den Preis einer ernsthaften Koalitionskrise. "Wir glauben, dass die Bundesregierung jetzt ihre Hausaufgaben machen muss", so die forsche Vorsitzende ultimativ. Im Klartext: Erpressung statt Einsicht und Versöhnung.
Nein danke.
Rolf Hosfeld, Publizist, Autor, Lektor und Filmemacher, geboren am 22. Juni 1948 in Berleburg (Nordrhein-Westfalen), studierte Germanistik, Philosophie und Politikwissenschaften. Hosfeld lebt als freier Autor und Filmemacher auf dem Land bei Potsdam.