Der Fall Levine

Nur ein Bewusstseinswandel kann helfen

The Metropolitan Orchestra unter der Leitung von James Levine, aufgenommen 2002 beim Lucerne Festival
The Metropolitan Orchestra unter der Leitung von James Levine, aufgenommen 2002 beim Lucerne Festival © picture-alliance/ dpa / Keystone Urs Flueeler
Jörn Florian Fuchs im Gespräch mit Gabi Wuttke · 13.03.2018
Die New Yorker Metropolitan Opera hat James Levine entlassen. Eine Untersuchung hatte die Vorwürfe gegen den Dirigenten wegen sexuellen Missbrauchs erhärtet. Musikkritiker Jörn Florian Fuchs schätzt die Entwicklungen ein.
Nach Vorwürfen sexuellen Missbrauchs gegen James Levine hat die New Yorker Metropolitan Oper ihren Star-Dirigenten entlassen und zieht damit die Konsequenz aus einer mehrmonatigen Untersuchung. Da es aber bisher noch keine juristische Aufarbeitung gegeben hat, hinterfragt Musikkritiker Jörn Florian Fuchs die Beweggründe der New Yorker Metropolitan Oper (Met):
"Levine ist zwar wirklich die Legende der Met, der zentrale Künstler. Auf der anderen Seite ist die Met sehr abhängig von Sponsoren, und wenn da der eine oder andere Geldgeber - das hörte ich jetzt im Hintergrund - gesagt hat, also das Geld fließt weiterhin, aber nur wenn Herr Levine nicht mehr dirigierend tätig ist dort und überhaupt nicht mehr auftaucht, dann ist das sehr, sehr fragwürdig."

Moralisch fragwürdige Entscheidung der Met

Die moralische Position der Metropolitan Opera müsse auch angezweifelt werden, weil einiges darauf hinweise, dass die Met in der Vergangenheit weggeguckt habe. Denn Gerüchte, dass Levine sich gerne mit sehr jungen Männern umgebe, hätte es schon vor Jahrzehnten gegeben. Dass etwas Wahres an den Gerüchten gewesen sein muss, zeige der Kultstatus, den Levine schon damals hatte:
"Man weiß ja, dass diese jungen Männer auch fast so ein bisschen etwas gesehen haben in Levine wie damals in George, also der berühmte George-Kreis. Das war ja auch so ein Genie-Kult. Jemand, der diese jungen Männer um sich versammelt hat."

Warum hat niemand auf die Gerüchte reagiert?

Warum hat aber keine Institution reagiert? Warum haben auch die Eltern der Betroffenen nichts getan? Sind die völlig aus der Verantwortung zu nehmen? Da sieht Jörn Florian Fuchs Misstände. Die MeToo-Debatte hat zwar den Stein ins Rollen gebracht. Jedoch droht nun laut Fuchs die Entstehung eines "neuen Puritanismus":
"Wenn man jetzt mit Künstlerinnen und Künstlern, mit Musikerinnen und Musikern etwa spricht, dass da jetzt zum Teil ganz politisch korrekt auch die Anrede immer stattfinden muss, das ist natürlich problematisch."

Ein "neuer Puritanismus" durch MeToo

Früher habe es das Modell des Zöglings gegeben, das "zum Glück in der Form in keiner Weise mehr legitimiert ist heutzutage". Jedoch - die Auswertung solcher Konzepte würden zum Verständnis dessen, was passiert ist, beitragen, meint Jörn Florian Fuchs. Wurden Machtverhältnisse bewusst ausgenutzt, auch im Falle von Levine? Oder ist es ein "Geben und Nehmen" zwischen Genie und Bewunderer?

Kontrollinstanzen und Ansprechpartner

Auch wenn Kontrollinstanzen und Ansprechpartner in den verschiedenen Kulturbetrieben nun eingerichtet werden sollen, kann am Ende nur ein Bewusstseinswandel ein Veränderung schaffen, so Fuchs.
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