Der Fall Enke
Es sind viele bewegende Bilder, die diese Woche geprägt haben. Jede Menge Fragen und Probleme stehen im Raum. Der Tod Robert Enkes und der anschließende öffentliche Auftritt seiner Frau Teresa legen den Finger in verschiedene Wunden.
Die Fußballer - zum Erfolg verdammt,
das Geschäft und ein Teil der Medien - unbarmherzig.
Aber auch viele von uns könnten sich an die eigene Nase fassen.
Mit ihrem mutigen und ergreifenden Auftritt bricht Teresa Enke ein Tabu:
Spitzensportler oder hoch dotierte Fußballer haben stark zu sein. Akzeptiert wird, wenn sie verletzungsbedingt ausfallen. Aber wehe dem, sie sind krank. Vor allem psychisch krank oder labil. Wehe dem, sie fallen aus dem üblichen Rahmen, wehe dem, sie sind zum Beispiel homosexuell.
Jede noch so kleine vermeintliche Schwäche oder individuelle Besonderheit wird gnadenlos ausgeschlachtet: Von den Kollegen, die miteinander um die Stammplätze kämpfen und argwöhnisch beäugen; von den Clubs, die in Konkurrenz zueinander stehen; von vielen Medien, die nach vermeintlich originellen Geschichten gieren. Und dabei auch auf die Privatsphäre wenig Rücksicht nehmen.
Und vielleicht ertappen wir uns ja auch als Zuschauer dabei, lieber einen strahlenden Helden sehen zu wollen als einen strauchelnden? Der Zweite ist der erste Verlierer – der Fußball zeigt das Wochenende für Wochenende.
Auch wenn der Suizid Enkes vor allem Vertreter der Medien nachdenklich machen sollte - natürlich muss sich auch der bezahlte Fußball, der Spitzensport generell fragen lassen, wie seine Krisenintervention aussieht.
Während jedes mittelgroße Unternehmen Personalräte und vieles andere mehr hat, um auch die Interessen der Mitarbeiter zu vertreten, hinkt der Profifußball normalen Standards meilenweit hinterher. Dabei ließe sich von den Hockeyspielern eine Menge lernen. Seit Jahren bezieht der Deutsche Hockeybund Psychologen in die tägliche Arbeit mit ein. Sicher, es geht auch darum, den Erfolg mental zu begleiten, Blockaden abzubauen. Hier stehen Psychologen den Spielern aber auch für vertrauliche Einzelgespräche zur Verfügung. Und sie beobachten Trainer und Teamchef: Wie verhalten die sich in Stresssituationen? Und was lösen sie mit Gestik, Mimik oder Gebrüll aus?
Erfolg und fairer, menschlicher Umgang miteinander müssen sich also nicht ausschließen.
Wer nachhaltig die Schattenseiten seines Geschäfts ausleuchten und Erfolg haben will, braucht Zeit und richtig investiertes Geld. Mittlerweile stecken die Clubs sehr viel in die Jugendarbeit und Fußball-Internate. Aber auch dort steht das schnelle Weiterkommen im Vordergrund, weniger die Herausbildung einer Persönlichkeit. Heiko Herrlich weist darauf hin, der Trainer des VfL Bochum: Technik und Taktik beherrschen die Ausbildung. Wie die Gruppe gefördert werden kann, die aus rund 30 Fußballern besteht, lernen die Trainer kaum.
Spieler werden nach oben katapultiert. vermarktet, ins Schaufenster gestellt. Zwangsläufig müssen sie überfordert sein. Denn ihre Idole, ins entsprechende Scheinwerferlicht gerückt, sind es letztlich auch.
Der Tod Robert Enkes berührt viele aber auch deshalb, weil wir eigene Probleme gespiegelt bekommen.
Wie gehen wir selbst eigentlich mit Krankheiten um, die sich eben nicht mit einer aufgelösten Tablette oder schnellen Spritze beheben lassen? Melden wir uns krank? Weisen wir Vorgesetzte darauf hin – wir können nicht mehr? Und: Achten wir auf Kollegen oder versuchen wir auch optimal zu funktionieren und Kapital daraus zu schlagen, dass der andere neben der Spur ist?
Für Schwäche ist in dieser Gesellschaft kein Platz, glaubt der Bremer Trainer Thomas Schaaf. Sicher hat er dabei vor allem den Fußball im Blick. Doch seine bittere Diagnose gilt weit darüber hinaus. Ein Beispiel ist die Schule. Also der Ort, an dem Kinder auch den sozialen Umgang miteinander lernen sollen.
In Berlin erhält vor einigen Tagen ein Lehrer einen vertraulichen Brief. Da heißt es: Wir haben uns nicht getraut, in der Stunde "Soziales Lernen" (sie findet einmal in der Woche in der Klasse statt) darüber zu sprechen. Michael wird noch immer gemobbt, in der Pause gejagt, mit obszönen Gesten verfolgt, manchmal auch getreten. Sie sollten das wissen, aber bitte nennen sie nicht unsere Namen. Wir wollen nicht selbst in die Schusslinie geraten, haben Angst.
In dieser Klasse brennt es. Es muss reagiert werden. Doch wie, wenn kein Geld da ist für Sozialarbeiter und Erzieher, für kleinere Klassen? Wenn der Druck auf alle, Schüler, Lehrer und Eltern immer größer wird? Wenn in aller erster Linie Wissen gepaukt werden soll und muss, der Umgang miteinander und die Kultur des Hinsehens aber dabei auf der Strecke bleiben?
Der Tod Enkes liefert eine Menge Stoff. Stellt eine Reihe Fragen an Medien und Fans, Vereinsbosse, Trainer, Spielerkollegen, aber auch an Eltern und Lehrer.
Mal schauen, ob wenigstens einige die richtigen Konsequenzen ziehen. Offen gestanden: Ich bin skeptisch.
das Geschäft und ein Teil der Medien - unbarmherzig.
Aber auch viele von uns könnten sich an die eigene Nase fassen.
Mit ihrem mutigen und ergreifenden Auftritt bricht Teresa Enke ein Tabu:
Spitzensportler oder hoch dotierte Fußballer haben stark zu sein. Akzeptiert wird, wenn sie verletzungsbedingt ausfallen. Aber wehe dem, sie sind krank. Vor allem psychisch krank oder labil. Wehe dem, sie fallen aus dem üblichen Rahmen, wehe dem, sie sind zum Beispiel homosexuell.
Jede noch so kleine vermeintliche Schwäche oder individuelle Besonderheit wird gnadenlos ausgeschlachtet: Von den Kollegen, die miteinander um die Stammplätze kämpfen und argwöhnisch beäugen; von den Clubs, die in Konkurrenz zueinander stehen; von vielen Medien, die nach vermeintlich originellen Geschichten gieren. Und dabei auch auf die Privatsphäre wenig Rücksicht nehmen.
Und vielleicht ertappen wir uns ja auch als Zuschauer dabei, lieber einen strahlenden Helden sehen zu wollen als einen strauchelnden? Der Zweite ist der erste Verlierer – der Fußball zeigt das Wochenende für Wochenende.
Auch wenn der Suizid Enkes vor allem Vertreter der Medien nachdenklich machen sollte - natürlich muss sich auch der bezahlte Fußball, der Spitzensport generell fragen lassen, wie seine Krisenintervention aussieht.
Während jedes mittelgroße Unternehmen Personalräte und vieles andere mehr hat, um auch die Interessen der Mitarbeiter zu vertreten, hinkt der Profifußball normalen Standards meilenweit hinterher. Dabei ließe sich von den Hockeyspielern eine Menge lernen. Seit Jahren bezieht der Deutsche Hockeybund Psychologen in die tägliche Arbeit mit ein. Sicher, es geht auch darum, den Erfolg mental zu begleiten, Blockaden abzubauen. Hier stehen Psychologen den Spielern aber auch für vertrauliche Einzelgespräche zur Verfügung. Und sie beobachten Trainer und Teamchef: Wie verhalten die sich in Stresssituationen? Und was lösen sie mit Gestik, Mimik oder Gebrüll aus?
Erfolg und fairer, menschlicher Umgang miteinander müssen sich also nicht ausschließen.
Wer nachhaltig die Schattenseiten seines Geschäfts ausleuchten und Erfolg haben will, braucht Zeit und richtig investiertes Geld. Mittlerweile stecken die Clubs sehr viel in die Jugendarbeit und Fußball-Internate. Aber auch dort steht das schnelle Weiterkommen im Vordergrund, weniger die Herausbildung einer Persönlichkeit. Heiko Herrlich weist darauf hin, der Trainer des VfL Bochum: Technik und Taktik beherrschen die Ausbildung. Wie die Gruppe gefördert werden kann, die aus rund 30 Fußballern besteht, lernen die Trainer kaum.
Spieler werden nach oben katapultiert. vermarktet, ins Schaufenster gestellt. Zwangsläufig müssen sie überfordert sein. Denn ihre Idole, ins entsprechende Scheinwerferlicht gerückt, sind es letztlich auch.
Der Tod Robert Enkes berührt viele aber auch deshalb, weil wir eigene Probleme gespiegelt bekommen.
Wie gehen wir selbst eigentlich mit Krankheiten um, die sich eben nicht mit einer aufgelösten Tablette oder schnellen Spritze beheben lassen? Melden wir uns krank? Weisen wir Vorgesetzte darauf hin – wir können nicht mehr? Und: Achten wir auf Kollegen oder versuchen wir auch optimal zu funktionieren und Kapital daraus zu schlagen, dass der andere neben der Spur ist?
Für Schwäche ist in dieser Gesellschaft kein Platz, glaubt der Bremer Trainer Thomas Schaaf. Sicher hat er dabei vor allem den Fußball im Blick. Doch seine bittere Diagnose gilt weit darüber hinaus. Ein Beispiel ist die Schule. Also der Ort, an dem Kinder auch den sozialen Umgang miteinander lernen sollen.
In Berlin erhält vor einigen Tagen ein Lehrer einen vertraulichen Brief. Da heißt es: Wir haben uns nicht getraut, in der Stunde "Soziales Lernen" (sie findet einmal in der Woche in der Klasse statt) darüber zu sprechen. Michael wird noch immer gemobbt, in der Pause gejagt, mit obszönen Gesten verfolgt, manchmal auch getreten. Sie sollten das wissen, aber bitte nennen sie nicht unsere Namen. Wir wollen nicht selbst in die Schusslinie geraten, haben Angst.
In dieser Klasse brennt es. Es muss reagiert werden. Doch wie, wenn kein Geld da ist für Sozialarbeiter und Erzieher, für kleinere Klassen? Wenn der Druck auf alle, Schüler, Lehrer und Eltern immer größer wird? Wenn in aller erster Linie Wissen gepaukt werden soll und muss, der Umgang miteinander und die Kultur des Hinsehens aber dabei auf der Strecke bleiben?
Der Tod Enkes liefert eine Menge Stoff. Stellt eine Reihe Fragen an Medien und Fans, Vereinsbosse, Trainer, Spielerkollegen, aber auch an Eltern und Lehrer.
Mal schauen, ob wenigstens einige die richtigen Konsequenzen ziehen. Offen gestanden: Ich bin skeptisch.