Der erste Kosmonaut
Vor 50 Jahren flog der Russe Juri Gagarin als erster Mensch in den Weltraum. Ludmila Pavlova-Marinsky sucht in dieser Biografie nun den Privatmann hinter dem Kosmos-Helden. Wie war Gagarin als Freund, Ehemann, Vater und Zeitgenosse?
50 Jahre bemannte Raumfahrt, 50 Jahre historischer Raumflug Juri Gagarins am 12. April 1961: Das Ereignis ist in den zurückliegenden Tagen eingehend gewürdigt worden, meist verknüpft mit Spekulationen, wohin dieser Weg in den Kosmos, den Gagarin als erster beschritten hatte, wohl in den nächsten fünf Jahrzehnten führen wird.
Über den Kosmonauten selbst ist in der Vergangenheit vielfältige Literatur erschienen, sodass zum Jubiläum ein neues biografisches Werk nicht unbedingt zu erwarten war. Etwas überraschend liegt nun doch ein Buch vor, erschienen im Verlag Neues Leben, das auch einen etwas anderen Blick auf den ersten Raumfahrer wirft. Sein Titel: "Juri Gagarin - Das Leben".
Die Autorin, Ludmila Pavlova-Marinsky, ist in Moskau aufgewachsen, hat dort an der Lomonossow-Universität studiert und lebt nun seit 21 Jahren in Deutschland als Redakteurin und Schriftstellerin. Ihr Ansatz: "Dieses Buch will keine Fakten aneinanderreihende Lebenschronik des ersten Kosmonauten sein, die wurde bereits mehrfach geschrieben. Vielmehr will es dem Leser vor Augen führen, was für ein Mensch Gagarin war, wie er sich als Freund, Ehemann, Vater und Zeitgenosse verhielt. Was trieb ihn um, welche Widerstände hatte er zu überwinden und welchen Eindruck hat er auf jene gemacht, die seinen Weg begleiteten?"
Ludmila Pavlova-Marinsky war zum Zeitpunkt der Wostok-1-Mission sechs Jahre alt. Ihre Legitimation, über den Menschen Gagarin zu schreiben, resultiert aus der Tatsache, dass ihr Vater, Sergej Pavlov, der erste Sekretär des ZK des Komsomol der KPdSU, des Jugendverbandes war und in dieser Eigenschaft den Kosmonauten nach den Begrüßungsfeierlichkeiten in Moskau kennenlernte.
Zwischen beiden Familien entwickelte sich eine enge Freundschaft, die bis heute andauert. "Onkel Juri" wird hier bei farbigen Schilderungen des privaten Umfelds nicht etwa unkritisch glorifiziert. Der Leser erfährt hier so manches interessante Detail über Lebens- und Zeitumstände in der Sowjetunion der 60er-Jahre, über Widrigkeiten, mit denen selbst der gefeierte Volksheld zu kämpfen hatte. Doch auch die harten Fakten kommen nicht zur kurz: "Juri Gagarin - Das Leben" ist durchaus auch als kompetentes Sachbuch zu werten, mit zahlreichen dokumentarischen Auszügen, die man bisher nur in russischen Publikationen etwas mühevoll finden konnte.
Deutlich arbeitet die Autorin auch den "Oppositionellen" Gagarin heraus, der versuchte, auf politischer Ebene gegen die nach dem Sturz Chruschtschows 1964 und dem Tod Sergej Koroljows Anfang 1966 immer deutlicher werdenden Fehlentwicklungen in der sowjetischen Raumfahrt anzugehen. Seine Frustration über das Flugverbot, das den leidenschaftlichen Piloten bis 1968 am Boden festhielt, wird hier immer wieder sichtbar.
Als er schließlich die Genehmigung bekommt, wieder zu fliegen, kam es bekanntlich am 27. März 1968 zur Katastrophe, die Gagarin das Leben kostete. Pavlova-Marinsky widmet dem Geschehen und den Erklärungsversuchen für den Absturz breiten Raum. Sehr sachlich und auch für den Insider höchst lesenswert, der nun mehr denn je Zweifel an der kürzlich vorgelegten "offiziellen" Version des Absturzes – die Kollision der Gagarin-MIG mit einer Wetterballon-Sonde - haben muss.
"Juri Gagarin - Das Leben" von Ludmila Pavlova-Marinsky ist ein bemerkenswertes, gut zu lesendes Buch. Zweifellos eine Bereicherung der deutschsprachigen Literatur über den ersten Kosmonauten. Sehr zu empfehlen.
Besprochen von Harro Zimmer
Ludmila Pavlova-Marinsky: Juri Gagarin - Das Leben
Verlag Neues Leben
240 Seiten, 17,95 Euro
Über den Kosmonauten selbst ist in der Vergangenheit vielfältige Literatur erschienen, sodass zum Jubiläum ein neues biografisches Werk nicht unbedingt zu erwarten war. Etwas überraschend liegt nun doch ein Buch vor, erschienen im Verlag Neues Leben, das auch einen etwas anderen Blick auf den ersten Raumfahrer wirft. Sein Titel: "Juri Gagarin - Das Leben".
Die Autorin, Ludmila Pavlova-Marinsky, ist in Moskau aufgewachsen, hat dort an der Lomonossow-Universität studiert und lebt nun seit 21 Jahren in Deutschland als Redakteurin und Schriftstellerin. Ihr Ansatz: "Dieses Buch will keine Fakten aneinanderreihende Lebenschronik des ersten Kosmonauten sein, die wurde bereits mehrfach geschrieben. Vielmehr will es dem Leser vor Augen führen, was für ein Mensch Gagarin war, wie er sich als Freund, Ehemann, Vater und Zeitgenosse verhielt. Was trieb ihn um, welche Widerstände hatte er zu überwinden und welchen Eindruck hat er auf jene gemacht, die seinen Weg begleiteten?"
Ludmila Pavlova-Marinsky war zum Zeitpunkt der Wostok-1-Mission sechs Jahre alt. Ihre Legitimation, über den Menschen Gagarin zu schreiben, resultiert aus der Tatsache, dass ihr Vater, Sergej Pavlov, der erste Sekretär des ZK des Komsomol der KPdSU, des Jugendverbandes war und in dieser Eigenschaft den Kosmonauten nach den Begrüßungsfeierlichkeiten in Moskau kennenlernte.
Zwischen beiden Familien entwickelte sich eine enge Freundschaft, die bis heute andauert. "Onkel Juri" wird hier bei farbigen Schilderungen des privaten Umfelds nicht etwa unkritisch glorifiziert. Der Leser erfährt hier so manches interessante Detail über Lebens- und Zeitumstände in der Sowjetunion der 60er-Jahre, über Widrigkeiten, mit denen selbst der gefeierte Volksheld zu kämpfen hatte. Doch auch die harten Fakten kommen nicht zur kurz: "Juri Gagarin - Das Leben" ist durchaus auch als kompetentes Sachbuch zu werten, mit zahlreichen dokumentarischen Auszügen, die man bisher nur in russischen Publikationen etwas mühevoll finden konnte.
Deutlich arbeitet die Autorin auch den "Oppositionellen" Gagarin heraus, der versuchte, auf politischer Ebene gegen die nach dem Sturz Chruschtschows 1964 und dem Tod Sergej Koroljows Anfang 1966 immer deutlicher werdenden Fehlentwicklungen in der sowjetischen Raumfahrt anzugehen. Seine Frustration über das Flugverbot, das den leidenschaftlichen Piloten bis 1968 am Boden festhielt, wird hier immer wieder sichtbar.
Als er schließlich die Genehmigung bekommt, wieder zu fliegen, kam es bekanntlich am 27. März 1968 zur Katastrophe, die Gagarin das Leben kostete. Pavlova-Marinsky widmet dem Geschehen und den Erklärungsversuchen für den Absturz breiten Raum. Sehr sachlich und auch für den Insider höchst lesenswert, der nun mehr denn je Zweifel an der kürzlich vorgelegten "offiziellen" Version des Absturzes – die Kollision der Gagarin-MIG mit einer Wetterballon-Sonde - haben muss.
"Juri Gagarin - Das Leben" von Ludmila Pavlova-Marinsky ist ein bemerkenswertes, gut zu lesendes Buch. Zweifellos eine Bereicherung der deutschsprachigen Literatur über den ersten Kosmonauten. Sehr zu empfehlen.
Besprochen von Harro Zimmer
Ludmila Pavlova-Marinsky: Juri Gagarin - Das Leben
Verlag Neues Leben
240 Seiten, 17,95 Euro