Der Einzelgänger von Saint-Florent
Der Schriftsteller Julien Gracq wurde bekannt, als er den wichtigen französischen Literaturpreis Prix Goncourt ablehnte. Sein 50 Jahre jüngerer Bewunderer Philippe Le Guillou hat die Begegnungen mit dem Außenseiter in einem Erinnerungsband festgehalten.
Der französische Schriftsteller Julien Gracq, mit bürgerlichem Namen Louis Poirier, wurde heute vor hundert Jahren am 27. Juli 1910 im Örtchen Saint-Florent-le-Vieil an der unteren Loire geboren, er starb dortselbst im ehrwürdigen Alter von 97 Jahren am 22. Dezember 2007.
Gracq war ein Außenseiter, es war nicht erstaunlich, dass er einem größeren Publikum nicht etwa durch die Annahme des Prix Goncourt bekannt wurde, sondern durch die Ablehnung desselben. Was nur folgerichtig war, da er den kommerziellen Literaturbetrieb und die "offiziellen Werte" immer kritisiert hatte. Das war 1951, es ging um den von Ernst Jüngers "Marmorklippen" beeinflussten Roman "Das Ufer der Syrten", es war eine negative Utopie, der Verfall eines Staates, der Angriff gegen die "anstößige Lebensbejahung".
Den Außenseiter Gracq beschreibt der 50 Jahre jüngere Bretone Philippe Le Guillou sehr exakt. Le Guillou ist selbst ein Außenseiter, ein romantischer Schriftsteller, dessen Wohnung einem kultischen Ort gleicht, Höhepunkt ist der Tabernakel für den umschwärmten Gracq. Er hat keine Literaturkritik verfasst, sondern er sucht einen Dichter, nicht von ungefähr beginnt es ähnlich wie Prousts "Suche nach der verlorenen Zeit": "Lange Zeit sah ich ihn in meiner Vorstellung in weiter Ferne, in seine Legende gehüllt." Der Text lebt von der Begegnung, vom Sprechen und Zuhören, und lässt sich durch Reflexionen und Gedanken weitertragen, geprägt durch die große Bewunderung für den Menschen Gracq, den man erstaunt anblickt, wenn er eine Alltagsfloskel wie "À votre santé/Zum Wohl" von sich gibt.
Gracq wurde anfangs den Surrealisten zugerechnet, denen er auch immer verbunden blieb, aber er hat sich weder vom Mainstream noch von der Avantgarde vereinnahmen lassen, selbst das surrealistische Debüt "Auf Schloss Argol" stand literarisch abseits, weil der Autor selbst abseits stand. Er war der "Magier", wie Le Guillou schreibt, seine Bücher haben eine "alchimistische Dimension".
Seit 1970 lebte Gracq wieder in seinem Geburtsort, sein Einzelgängererleben verbringt er mit den "Aktivitäten eines Asketen: Wandern und Wachträumen". Wandern tut am Ende auch der Autor dieses schönen Büchleins, allein geht er zur Èvre (dem Flüsschen aus "Die engen Wasser") und reflektiert schwärmerisch, aber nicht versponnen über die Leidenschaft der Literatur: die unabdingbare Voraussetzung, um überhaupt schreiben zu können.
Besprochen von Peter Urban-Halle
Philippe Le Guillou: Das Mittagessen am Ufer der Loire. Zu Besuch bei Julien Gracq
Aus dem Französischen von Dieter Hornig
Literaturverlag Droschl, Graz 2010
109 Seiten, 15 Euro
Gracq war ein Außenseiter, es war nicht erstaunlich, dass er einem größeren Publikum nicht etwa durch die Annahme des Prix Goncourt bekannt wurde, sondern durch die Ablehnung desselben. Was nur folgerichtig war, da er den kommerziellen Literaturbetrieb und die "offiziellen Werte" immer kritisiert hatte. Das war 1951, es ging um den von Ernst Jüngers "Marmorklippen" beeinflussten Roman "Das Ufer der Syrten", es war eine negative Utopie, der Verfall eines Staates, der Angriff gegen die "anstößige Lebensbejahung".
Den Außenseiter Gracq beschreibt der 50 Jahre jüngere Bretone Philippe Le Guillou sehr exakt. Le Guillou ist selbst ein Außenseiter, ein romantischer Schriftsteller, dessen Wohnung einem kultischen Ort gleicht, Höhepunkt ist der Tabernakel für den umschwärmten Gracq. Er hat keine Literaturkritik verfasst, sondern er sucht einen Dichter, nicht von ungefähr beginnt es ähnlich wie Prousts "Suche nach der verlorenen Zeit": "Lange Zeit sah ich ihn in meiner Vorstellung in weiter Ferne, in seine Legende gehüllt." Der Text lebt von der Begegnung, vom Sprechen und Zuhören, und lässt sich durch Reflexionen und Gedanken weitertragen, geprägt durch die große Bewunderung für den Menschen Gracq, den man erstaunt anblickt, wenn er eine Alltagsfloskel wie "À votre santé/Zum Wohl" von sich gibt.
Gracq wurde anfangs den Surrealisten zugerechnet, denen er auch immer verbunden blieb, aber er hat sich weder vom Mainstream noch von der Avantgarde vereinnahmen lassen, selbst das surrealistische Debüt "Auf Schloss Argol" stand literarisch abseits, weil der Autor selbst abseits stand. Er war der "Magier", wie Le Guillou schreibt, seine Bücher haben eine "alchimistische Dimension".
Seit 1970 lebte Gracq wieder in seinem Geburtsort, sein Einzelgängererleben verbringt er mit den "Aktivitäten eines Asketen: Wandern und Wachträumen". Wandern tut am Ende auch der Autor dieses schönen Büchleins, allein geht er zur Èvre (dem Flüsschen aus "Die engen Wasser") und reflektiert schwärmerisch, aber nicht versponnen über die Leidenschaft der Literatur: die unabdingbare Voraussetzung, um überhaupt schreiben zu können.
Besprochen von Peter Urban-Halle
Philippe Le Guillou: Das Mittagessen am Ufer der Loire. Zu Besuch bei Julien Gracq
Aus dem Französischen von Dieter Hornig
Literaturverlag Droschl, Graz 2010
109 Seiten, 15 Euro