Der Drogenkrieg und die Kinder

Von Martin Polansky · 04.05.2011
Mexikanische Drogenkartelle setzen immer mehr auf Kinder und Jugendliche. Sie locken ihre Opfer mit Macht, Prestige und schnellem Geld. Und die lassen sich schnell verführen.
Sirenen, Polizeijeeps mit Maschinengewehren, Tote auf den Straßen – das ist Alltag in Ciudad Juarez – der Drogenkrieg hat die Stadt an der Grenze zu den USA fest im Griff.

Kinder und Jugendliche trauen sich da kaum noch raus. Ein Jugendzentrum in einem Viertel am Rande der Stadt. Ein halbwegs geschützter Raum. Carlos, 16, und Jonathan, 18, erzählen. Aufwachsen im Drogenkrieg:

"Vor ein paar Tagen haben sie einen Kumpel von mir hier im Viertel ermordet. Er hat als Mechaniker gearbeitet. Sein Chef sollte Geld an die Kartelle zahlen. Aber er konnte es nicht. Da haben sie meinen Freund und seinen Chef erschossen."

"Wer für die Kartelle arbeitet, erkennt man dann, wenn sie ermordet werden. Es ist sonst nicht sichtbar. Aber das Ganze ist ziemlich nah."

Die Drogenkartelle setzen auf den Nachwuchs. Und dabei haben sie oft leichtes Spiel. Denn in Städten wie Juarez sind die Perspektiven für Jugendliche düster. Und die Kartelle können vor allem mit einem locken:

"Geld und Arbeit. Die Drogenkartelle bieten dir vor allem einen Job und dann hat man auch was. Man arbeitet für sie. Auch wenn man nicht weiß, wie lange das geht und ob man anschließend tot ist."

Teresa Almada ist die Leiterin des Jugendzentrums. Früher hätten die Kartelle Nachwuchs vor allem angeheuert, um Drogen zu verkaufen oder in die USA zu schmuggeln. Heute gehe es um eine ganze Reihe von Jobs. Etwa Erpressung oder Entführungen. Die ganze Palette des Verbrechens. Und: Es sei immer schwerer, die Jugendlichen von den Kartellen abzuhalten, sagt Teresa Almada. Denn mehr und mehr Jugendliche nehmen selber Drogen. Sie bräuchten Geld. Aber es gehe nicht nur darum:

"Die Jugendlichen hier haben nicht viele Möglichkeiten. Und der Drogenhandel gibt ihnen das Gefühl von Macht. Sie bekommen Waffen, es geht um Adrenalin und auch um Anerkennung. Viele junge Leute haben das Gefühl, eigentlich ein Nichts zu sein. Und das nutzen die Kartelle aus."

Mehr als eintausend Kinder und Jugendliche sind nach Angaben von Menschenrechtsorganisationen in den letzten drei Jahren im mexikanischen Drogenkrieg umgekommen – offizielle Zahlen gibt es keine.

Carlos und Jonathan wissen nicht, wie es für sie weitergehen soll in Ciudad Juarez, der Stadt des Drogenkrieges. Schule vielleicht Universität – und dann mal sehen:

"Nach meiner Ausbildung werde ich versuchen hier eine Arbeit zu finden. Aber wenn es keine gibt – dann weiß ich auch nicht. Und bei der ganzen Gewalt. Da kann man eigentlich nur weggehen – denn hier gibt es ja nichts."