Der digitale Museumsführer

Von Christina Selzer · 11.06.2008
Xpedeo, so heißt ein multimedialer Museumsführer im Taschenformat: Ein Kleincomputer, der Texte, Fotos, Video, Animationen und akustische Beiträge direkt am Exponat liefert. Seit 2007 ist Xpedeo technisch ausgereift und wird von sechs Museen in Deutschland ausprobiert.
Ahnenfiguren, Tibetische Holzmasken, afrikanische Musikinstrumente – die Schätze, die im Bremer Überseemuseum lagern, können sich Besucher jetzt von einem Taschencomputer erklären lassen.

"Der Besucher soll tun, was er möchte. Er kann sich deshalb an Infrarotbarken Texte abrufen und an den Terminals eine Einführung geben lassen. Oder er kann sich führen lassen. Wenn er wenig Zeit hat, kann er sagen: Ich will die tollsten Objekte von Asien sehen."

Jörg Mackensen vom Überseemuseum hält den Mini-Computer in seiner Hand. Er macht sich an dem Bildschirm zu schaffen, der gerade mal so groß ist wie eine Postkarte. Mit dem Finger klickt er das Symbol für die Führung an:

Eine Führung oder gar das Museumsteam kann der Computer nicht ersetzen, davon ist der Soziologe überzeugt. Xpedeo, das Programm, ist aber ein Angebot für jeden, der mehr Information möchte, wenn er durch die Hallen des Museums schlendert.

Wer zum Beispiel in der Naturkundeabteilung vor den Vitrinen steht und hören möchte, wie der Frosch klingt, den er sich gerade anschaut, kann dieses akustische Signal vom Minicomputer und zusätzliche Textinformationen abrufen. In den Vitrinen lagern Tausende Insekten, Schlangen, Säugetiere. Zu schade wäre es, wenn die Besucher darüber nicht mehr erführen.

"Die Ausstellungsidee ist hier: Wir inszenieren nichts mehr, wir zeigen die systematischen Zusammenhänge innerhalb der Sammlung. Jetzt zum Beispiel sind wir bei den Schlangen gelandet. Das sind etwa 180 Schlangen. Es ist klar, dass bei der Enge es nicht mehr möglich ist, alles mit Schrifttafeln noch abzudecken."

Das Prinzip ist einfach. Steht der Besucher vor der Vitrine, gibt er auf seinem Taschencomputer einfach die Nummer ein, die auf dem Exponat steht.

"Lycodonomorphus Rufulus. Auf Deutsch: die braune Sumpfnatter. Dann geben wir hier Informationen dazu, in welchem Lebensraum, was frisst sie, und weil das die meisten Leute doch interessiert: Ist das Viech gefährlich?"

Wer Schwierigkeiten hat, die kleine Schrift auf dem Bildschirm zu lesen, clickt das Kopfhörersymbol an, dann liest eine - zugegeben merkwürdig klingende - Computerstimme den Text vor.

Entwickelt hat Xpedeo die Internetagentur ‚Informationsgesellschaft’ aus Bremen. Jörg Engster und sein Kollege Andreas Teufel fanden, dass ein reiner Audioguide zu wenig Möglichkeiten bietet. Der neue multimediale Museumsführer will spielerisch an die Ausstellungsstücke heranführen. Besucher können damit Dinge auf eigene Faust entdecken. Und nicht nur junge, sondern auch ältere Museumsbesucher, wie Jörg Engster betont:

"Man hat als Entwickler die Vorstellung, dass sich solch ein Produkt an die technik-affine Jugend wendet, die wild darauf ist, das auszuprobieren. Wir beobachten das Gegenteil. Dass Ältere das ausleihen, für die Jugend ist das vielleicht schon fast überholt. Also nicht erwartungskonform. Wir beobachten, wenn wir zu unseren Kunden ins Museum gehen und Mäuschen spielen, dass die ältere Generation angetan ist."

Einer der Vorteile von Xpedeo: Die Mitarbeiter im Museum können die Informationen selbst aufspielen. Das Projekt kann sich dadurch ständig weiterentwickeln. Immer mehr Informationen kommen so im Lauf der Jahre dazu. Bislang sind 80 Prozent der naturkundlichen Ausstellungstücke des Überseemuseums schon erfasst. Ein weiterer Vorteil, findet Jörg Engster: Die Museumspädagogik ist nicht mehr nur auf Texttafeln angewiesen und kann sich ebenfalls weiterentwickeln. Der Erfinder von Xpedeo hat da auch schon Ideen für die Zukunft.

"Ein Thema, das uns sehr antreibt, ist die Vermittlung der Inhalte an Kinder und Jugendliche. Wir entwickeln jetzt neue Formate, kleine Schnitzeljagden durchs Museum. Wir haben eine Anbindung an GPS realisiert. Das heißt, wenn es ein Freilichtmuseum ist, kann man Position abfragen, und wunderbare Szenarien entwickeln, dass das Gerät das Kind fragt, welches Haus im Museumsdorf das schönste ist, und das Kind rennt hin und kann sagen, das ist auch mein Lieblingshaus. Und jetzt guck mal, welche Details es dort gibt. Wobei wir darauf achten müssen, dass es kein Disneyland wird, sondern die Seriosität gewahrt bleibt."

Jetzt sind die Entwickler aus Bremen gerade dabei, das System so zu verbessern, dass Nutzer, die sich mit Computern ein bisschen schwer tun, besser damit zurechtkommen. Die Schrift der Texte soll größer werden. Und der Taschencomputer auch Rollstuhlfahrern einen Weg durchs Museum weisen, der ohne Hindernisse ist.