Der Dichter als großer Solitär
Antonio Gamoneda gilt als einer der bedeutendsten Dichter Spaniens. Nun erhält der 75-Jährige die höchste literarische Auszeichnung der spanischsprachigen Welt, den mit 90.000 Euro dotierten Cervantes-Preis. In seinem Werk thematisierte Gamoneda vor allem die Armut und die Unterdrückung in den ersten Jahren der Franco-Diktatur.
"Esta luz” – "Dieses Licht” ist der Titel des voluminösen Bandes, der die gesammelten Gedichte des 1931 im nordspanischen Oviedo geborenen Lyrikers Antonio Gamoneda enthält. Der Titel verweist auf das poetische Projekt dieses Autors: Erhellung, im eigentlichen Sinn Selbsterhellung und -erkenntnis, so ließe sich das durchgehende Motiv dieser Dichtung beschreiben. Sprach- und bildmächtig, komprimiert und ausgefeilt, Abstraktes und elementar Körperliches beständig aufeinander beziehend, sind Gamonedas Gedichte höchst eigenwillige und dunkel getönte Gebilde einer komplexen Welt- und Selbstwahrnehmung. Gamonedas Literatur gilt als einzigartig im spanischen Sprachraum, der Dichter als großer Solitär. Einer, der beispielsweise widerspricht, wenn man die Lyrik der Literatur einfach so zurechnen will.
"”Die Literatur entfaltet sich als eine fiktionale Repräsentation der Realität. Die Dichtung hingegen muss nicht realistisch sein, sie braucht eigentlich keine Rücksicht auf die Realität zu nehmen, auch wenn sie dies ohne Zweifel gelegentlich tut. Die Poesie ist selbst eine Realität. Sie entspringt unseren Leiden oder unserem Glück, unseren existentiellen Erwartungen und Erfahrungen. Dichtung ist ein Teil unseres Lebens, wie es beispielsweise auch die Träume sind. Und wer behauptet, unsere Träume seien keine eigene Realität, sagt eine gelinde Dummheit. Träume sind eine Realität, die sich in uns ablagert und in uns handelt. Und das lässt sich auch von der Dichtung sagen. Sie ist eine intellektuelle und existentielle Realität.""
Der Weg dieses Dichters war immer ein einsamer. Früh Halbwaise – sein Vater starb ein Jahr nach seiner Geburt, der nicht reale Vater als eine existentielle Leerstelle durchzieht die Gedichte Gamonedas – wächst er auf in León, wo er heute noch lebt. Während sich die spanischen Dichter seiner Generation gemeinhin in einem bürgerlich-universitären Milieu formen, prägen Gamoneda die einfachsten Verhältnisse, in denen er mit seiner Mutter lebt. Die Schule muss er früh abbrechen und beginnt mit 14 Jahren als Botenjunge in einer Bank zu arbeiten. Bankangestellter wird er – wenn auch auf anderen Positionen – die nächsten 25 Jahre lang bleiben, später folgen Posten in der öffentlichen Verwaltung. Seine literarische und sonstige Bildung erwirbt er als Autodidakt, er beginnt Ende der 40er Jahre, Gedichte zu schreiben, sein erster Gedichtband mit dem Titel "Unbeweglicher Aufstand" erscheint 1960. Die untypische Herkunft und das Leben in der Provinz haben seine Wahrnehmung im Literaturbetrieb nicht eben befördert, sondern ihn geradezu zu einem Unzugehörigen gemacht. Gamoneda hat sich daran nie gestört.
"”Ich bin ein Mann, der Gedichte schreibt, der zurückgezogen in León lebt. Ich habe Freunde, aber ich war nie Mitglied einer Dichtergruppe oder einer ähnlichen Vereinigung. Was die Zuschreibung zu einer Generation angeht, die man hier so gern vornimmt, so könnte ich mich – selbst wenn ich wollte – keiner Generation zurechnen, weil ich der Meinung bin, dass so etwas wie eine Dichtergeneration überhaupt nicht existiert. Es ist eine Form des Marketings. Das hat für mich keinerlei Bedeutung, weder positiv noch negativ. Das Einzige, was ich in diesem Zusammenhang zu behaupten wage, ist, dass ich meine, das Schreiben von Gedichten findet in der Einsamkeit statt.""
1977, ganze 17 Jahre nach dem ersten, erschien sein zweiter Gedichtband, "Beschreibung der Lüge". Auch wenn bis Mitte der 80er Jahre zwei weitere Bände erschienen und obwohl er 1985 den Literaturpreis der Region Kastilien und León erhielt, wurde er kaum bekannt und galt als Lyriker von regionalem Format. Das änderte sich, als eine dennoch aufmerksam gewordene Jury ihm 1988 – erneut hatte Gamoneda zwei neue Bände publiziert – den Nationalpreis für Poesie zuerkannte. Erst von diesem Moment an kann der Dichter als "durchgesetzt" gelten, wurde sein Werk rückwirkend gründlich gelesen. Diese Wahrnehmung hatte gleichsam einen Zeitzündereffekt: die literarische Größe dieses Werkes und ihres Autors, die in der Leoneser Provinz gereift waren, wurde staunend und erfreut registriert. Gamonedas Stellung – weiterhin jenseits aller Gruppierungen oder Generationen – ist, unterfüttert durch die unverminderte Produktivität des Autors – mittlerweile listet sein Werkverzeichnis insgesamt 15 Gedichtbände auf – eine angemessene. Der Cervantes-Preis weist ihn nun als einen der wichtigsten Dichter der spanischsprachigen Literatur aus. Das war bei der Präsentation dieser Entscheidung eine derart unumstrittene Angelegenheit, dass niemand auch nur eine Frage stellte. Man kann es auch so formulieren: Antonio Gamoneda ist ein fraglos würdiger Preisträger.
"”Die Literatur entfaltet sich als eine fiktionale Repräsentation der Realität. Die Dichtung hingegen muss nicht realistisch sein, sie braucht eigentlich keine Rücksicht auf die Realität zu nehmen, auch wenn sie dies ohne Zweifel gelegentlich tut. Die Poesie ist selbst eine Realität. Sie entspringt unseren Leiden oder unserem Glück, unseren existentiellen Erwartungen und Erfahrungen. Dichtung ist ein Teil unseres Lebens, wie es beispielsweise auch die Träume sind. Und wer behauptet, unsere Träume seien keine eigene Realität, sagt eine gelinde Dummheit. Träume sind eine Realität, die sich in uns ablagert und in uns handelt. Und das lässt sich auch von der Dichtung sagen. Sie ist eine intellektuelle und existentielle Realität.""
Der Weg dieses Dichters war immer ein einsamer. Früh Halbwaise – sein Vater starb ein Jahr nach seiner Geburt, der nicht reale Vater als eine existentielle Leerstelle durchzieht die Gedichte Gamonedas – wächst er auf in León, wo er heute noch lebt. Während sich die spanischen Dichter seiner Generation gemeinhin in einem bürgerlich-universitären Milieu formen, prägen Gamoneda die einfachsten Verhältnisse, in denen er mit seiner Mutter lebt. Die Schule muss er früh abbrechen und beginnt mit 14 Jahren als Botenjunge in einer Bank zu arbeiten. Bankangestellter wird er – wenn auch auf anderen Positionen – die nächsten 25 Jahre lang bleiben, später folgen Posten in der öffentlichen Verwaltung. Seine literarische und sonstige Bildung erwirbt er als Autodidakt, er beginnt Ende der 40er Jahre, Gedichte zu schreiben, sein erster Gedichtband mit dem Titel "Unbeweglicher Aufstand" erscheint 1960. Die untypische Herkunft und das Leben in der Provinz haben seine Wahrnehmung im Literaturbetrieb nicht eben befördert, sondern ihn geradezu zu einem Unzugehörigen gemacht. Gamoneda hat sich daran nie gestört.
"”Ich bin ein Mann, der Gedichte schreibt, der zurückgezogen in León lebt. Ich habe Freunde, aber ich war nie Mitglied einer Dichtergruppe oder einer ähnlichen Vereinigung. Was die Zuschreibung zu einer Generation angeht, die man hier so gern vornimmt, so könnte ich mich – selbst wenn ich wollte – keiner Generation zurechnen, weil ich der Meinung bin, dass so etwas wie eine Dichtergeneration überhaupt nicht existiert. Es ist eine Form des Marketings. Das hat für mich keinerlei Bedeutung, weder positiv noch negativ. Das Einzige, was ich in diesem Zusammenhang zu behaupten wage, ist, dass ich meine, das Schreiben von Gedichten findet in der Einsamkeit statt.""
1977, ganze 17 Jahre nach dem ersten, erschien sein zweiter Gedichtband, "Beschreibung der Lüge". Auch wenn bis Mitte der 80er Jahre zwei weitere Bände erschienen und obwohl er 1985 den Literaturpreis der Region Kastilien und León erhielt, wurde er kaum bekannt und galt als Lyriker von regionalem Format. Das änderte sich, als eine dennoch aufmerksam gewordene Jury ihm 1988 – erneut hatte Gamoneda zwei neue Bände publiziert – den Nationalpreis für Poesie zuerkannte. Erst von diesem Moment an kann der Dichter als "durchgesetzt" gelten, wurde sein Werk rückwirkend gründlich gelesen. Diese Wahrnehmung hatte gleichsam einen Zeitzündereffekt: die literarische Größe dieses Werkes und ihres Autors, die in der Leoneser Provinz gereift waren, wurde staunend und erfreut registriert. Gamonedas Stellung – weiterhin jenseits aller Gruppierungen oder Generationen – ist, unterfüttert durch die unverminderte Produktivität des Autors – mittlerweile listet sein Werkverzeichnis insgesamt 15 Gedichtbände auf – eine angemessene. Der Cervantes-Preis weist ihn nun als einen der wichtigsten Dichter der spanischsprachigen Literatur aus. Das war bei der Präsentation dieser Entscheidung eine derart unumstrittene Angelegenheit, dass niemand auch nur eine Frage stellte. Man kann es auch so formulieren: Antonio Gamoneda ist ein fraglos würdiger Preisträger.