Der deutschen liebste Reiseziele

Von Bernhard Herbordt · 11.03.2005
Heute beginnt in Berlin die internationale Tourismusbörse - die ITB. Hier stellen Reiseveranstalter aus aller Welt die neuesten Trends der Branche vor. Dabei ist der Tourismus im großen Stil ein noch junges Geschäft. Das erste Reisebüro gründete Thomas Cook Mitte des 19. Jahrhunderts. Bis nach dem zweiten Weltkrieg sollte es dauern, bis seine Vision eines für breite Bevölkerungsgruppen organisierten Reisens Wirklichkeit werden konnte.
Im Wirtschaftswunder der aufstrebenden Nachkriegsrepublik entsteht eine neue Industrie: der Tourismus. Reisen wird demokratisiert - Fernweh ein Marktwert.

Schneider: "Das wovon die Schlager immer redeten. Das war es auch. Das war die Sonne, das Meer, möglichst auch noch Palmen. Da gab es, na wie hieß das noch, Capri, wenn am Abend bei Capri die Sonne im Meer versinkt. Das war so ein großer Schlager in der damaligen Zeit."

Otto Schneider ist in seinem Metier. Er ist Autor des Buches "Die Ferien-Macher: Das Jahrhundert des Tourismus". In der Mitte dieses 20. Jahrhunderts setzen die Väter der Spaßguerilla auf Sommerfrische und Sonnenuntergang. Sie folgen den Eingebungen der Unterhaltungsindustrie.

Schneider: "Ja, es fing zunächst natürlich erstmal mit dem Reisen innerhalb Deutschlands an. Das war nach der Währungsreform, und in den ersten 5 oder 10 Jahren verreisten die Leute meistens mit der Eisenbahn. Und als dann die Motorisierungswelle kam, als der Volkswagen angeschafft wurde, da war die Bahn relativ schnell abgemeldet, alles ging mit dem Auto in die Ferien, und da ging es natürlich nach Italien, das Land der Sehnsucht der Deutschen."

Auf Fahrrädern und Motorrollern, in Bussen, 40 Mann fassenden Hotelanhängern, oder dem ersten eigenen PKW, starten die Deutschen gen Süden. In den Köpfen schmeicheln die Hochglanzprospekte der Reiseveranstalter, Schlager liefern den Soundtrack, zahllose Photographien und Postkarten winken den Heimkehrenden als Trophäen. Es ist ein sehnsüchtiger Wettkampf um Sonnenscheindauer und südländisches laissez-faire. Wo die Abende lang sind, stehen die Türen offen, ist das Leben noch ein Versprechen.

Schneider: "Ja, und diese Sehnsucht nach der Sonne, nach der Wettergarantie, dem warmen Meer und dem weißen Strand, hat die Deutschen dann auch noch weiter getrieben; diese selbe Sehnsucht hat die Leute dann auch auf den Balkan, und natürlich auch auf die iberische Halbinsel gebracht. 1956 war der erste Charterflug nach Mallorca."

Und das sollte erst der Anfang sein. Immer weiter verlagert sich die Front der Glücksritter-auf-Zeit nach Süden.

Schneider: "Thailand, Dominikanische Republik. Es reisen Leute dorthin, auch weil es relativ preiswerte Badeziele sind, zusätzlich reizt natürlich die fremde Welt."

Erschwinglich müssen die liebsten Reiseziele der Deutschen sein, warm, und möglichst weit weg. Damit sich erlebte Exotik zu hause in neidvolle Anerkennung der Freunde tauschen lässt.
Erst fällt Mallorca dem Eroberungsdrang der Souvenirnomaden, dann Nordafrika und Asien. In Ägypten zum Beispiel bauen deutsche Investoren schon in den 70ern Ferienanlagen mit eigenen Flughäfen. Die einzelnen Länder werden austauschbar. Nur die Sehnsüchte bleiben. Seit den ersten großen Reisewellen nach Italien und Spanien, ist es das immergleiche Verlangen nach ewiger Sonne, einsamen Stränden und der romantischen Eroberung des Unbekannten. Nur die Wege werden länger. So wie im Hollywood-Film "The Beach" von 2001.

The Beach: "Der einzige Nachteil ist, dass wir alle die gleiche Idee haben. Wir reisen tausende von Meilen, nur um fernzusehen, und irgendwo einzuchecken, wo wir es genauso komfortabel haben wir zu hause. Und du fragst Dich: Was hat das alles für einen Sinn."

Den Baedecker oder Lonely Planet fest in der Hand, fahndet der Tourist auf ausgetretenen Pfaden nach dem letzten Abenteuer. Er will dem Alltag entfliehen, und sehnt sich doch nach dem Immer-Schon-Dagewesenen:

Man spricht deutsch: "Sehen Sie Irmgard, hier auf dem Meer lebt es sich mit der Natur im Einklang. Mir geht nichts ab. Nur von Zeit zu Zeit überkommt mich die Sehnsucht nach einem richtigen, herzhaft duftendem Stück deutschen Schwarzbrot. - Ach was, geht’s ihnen auch so? "

Zu wenig Schwarzbrot, oder zu viele Touristen: Immer fehlt etwas, oder gibt es von etwas anderem zu viel auf den ausgedehnten Reisen der Deutschen. Was liegt da näher als den Pazifik nach Brandenburg zu holen, ins künstliche Paradies mit Fernheizung und Regendach, ins "Tropical Island"? Jüngst zieht es die Touristen nämlich in Tropenhallen. Unter einer taghellen Lampensonne, vor einer strahlend blauen Himmels-Kulisse tanzen echte brasilianische Tanzgruppen in aufgeschüttetem Sand. Damit man endlich unter tropischen Palmen deutsches Schwarzbrot kauen kann. 24 Stunden lang.

The Beach: "Und ich? Ich glaube immer noch an das Paradies."

Paradies? Na dann: Auf geht’s! Zu immer neuen, liebsten Reisezielen.