Der deutsche Pascha

Der deutsche Arzt Eduard Karl Oskar Theodor Schnitzler macht als Emin Effendi Karriere im Osmanischen Reich, wird Pascha im Südsudan und schließlich von Sklavenhändlern ermordet. Genügend Stoff für eine abenteuerliche Biografie.
Was für ein Leben – und was für ein Ende: Der deutsche Arzt Eduard Karl Oskar Theodor Schnitzler macht als Emin Effendi Karriere im Osmanischen Reich, wird Pascha im Südsudan und schließlich von Sklavenhändlern gefangen genommen und ermordet. Genügend Stoff für eine abenteuerliche Biografie, wie sie die englische Journalistin Patricia Clough nun vorlegt.

Die Jugendjahre sind schnell erzählt: Emin Pascha, 1840 als Sohn eines jüdischen Kaufmannes in Schlesien geboren, später getauft, studiert Medizin. Er will Schiffsarzt werden, verlässt die Heimat und landet zunächst im heutigen Montenegro. Weitere Stationen: Albanien, Türkei, Italien. 1875 zieht es den vielsprachigen Doktor, der inzwischen zum Islam konvertiert ist, in den britisch-ägyptischen Sudan.
Dort arbeitet er zunächst als Arzt. Bis dahin unterscheidet sich Emins Lebenslauf nicht sehr von dem zahlreicher Reisender aus dem 19. Jahrhundert, die durch fremde Kontinente streiften, Tiere präparierten, Karten zeichneten und gelehrte Abhandlungen schrieben. Doch dann beginnt das wirkliche Abenteuer. Emin wird im Juli 1878 Gouverneur der Provinz Äquatoria, die in etwa dem heutigen Südsudan entspricht. Er erbaut Krankenstationen und führt den Anbau von Kaffe, Zuckerrohr, Reis und Mais ein.

1880 beginnt der sogenannte Mahdi-Aufstand, ein islamisch-fundamentalistischer Befreiungskampf gegen die britisch-ägyptische Herrschaft im Sudan. 1885 erobern die Aufständischen Khartum. Der Süden, Äquatoria und somit auch Emin Pascha, ist damit vom britisch-ägyptischen Herrschaftsgebiet in Ägypten abgeschnitten.

Spätestens hier wird aus der packenden Biografie eines Reisenden ein spannendes politisches Sachbuch: Denn Afrika ist längst Ziel des europäischen Imperialismus. Der belgische König Leopold II. will seine Privatkolonie Kongo nach Osten ausweiten, Deutschland lässt Carl Peters in Ostafrika Land erobern. England fürchtet um den Sudan, träumt von einem Machtkorridor von Kairo bis zum Kap.

Am Schnittpunkt aller Begehrlichkeiten liegt Äquatoria. Emin gerät zwischen die Fronten. Mehrere Expeditionen ziehen los, ihn zu retten und so ihr Einflussgebiet zu sichern. Henry Morton Stanley im Auftrag Leopolds und der Engländer, Carl Peters von Sansibar aus. Stanley erreicht Emin Pascha zuerst.

Emin Pascha kehrt aber nicht mit den Engländern nach Kairo zurück, sondern bleibt in Ostafrika. Er soll die südlich des Viktoriasees liegenden Länder für Deutschland sichern. Am 23. Oktober 1892 gerät er in Gefangenschaft von Sklavenhändlern, die ihn ermorden.

Patricia Clough ist ein spannendes Buch voller Zeitkolorit gelungen, die packende Biografie eines erstaunlichen Lebens und eine detaillierte Schilderung europäischer Kolonialpolitik. Sie kann Landschaften beschreiben und Personen, sie liefert gute Kurzbiografien und Charakteristiken der handelnden Personen, so von Stanley oder Carl Peters. Zudem hat Clough ein Gespür für Details, mit denen sie dem Leser beiläufig viel über die wirtschaftlichen Interessen der europäischen Mächte verrät: Als Emin Pascha 1875 nach Khartum kommt, trifft er dort einen Vertreter von Siemens, der das sudanesisches Telegrafensystem aufbaut.

Besprochen von Günther Wessel

Patricia Clough: Emin Pascha, Herr von Äquatoria. Ein exzentrischer deutscher Arzt und der Wettlauf um Afrika
Aus dem Englischen von Peter Torberg
Deutsche Verlags-Anstalt, München 2010
336 Seiten, 22,90 Euro