Der Denker des Marxismus

Von Robert Schurz · 14.03.2008
Ein Prophet war er nie, und es bleibt fraglich, ob er all das, was in seinem Namen geschah, auch gutgeheißen hätte. Karl Marx war aller Dogmatismus und Personenkult zuwider. Er sah sich als Forscher, als Theoretiker, der das Wesen des Kapitalismus und der Weltgeschichte aus ökonomischer Sicht erklären wollte.
Ein Gespenst geht um in Europa. So hieß es dereinst. Heute scheint dieses Gespenst verschwunden, aber Gespenster können bekanntlich nicht sterben. 72 Jahre hat es gedauert, das Experiment mit der Vernunft, mit der Gerechtigkeit und der Solidarität. Man sagt, es sei gescheitert, aber auch wenn es gescheitert wäre: Hat dann derjenige, der sich zusammen mit anderen dieses Projekt ausgedacht hatte, geirrt? Gemeint ist:

"Karl Marx, der große Denker ..." (Lied von Wolf Biermann)

Zumindest ist der Sozialismus und dessen Vollendung im Kommunismus mit seinem Namen verknüpft. Marxismus steht für das große Projekt, das die Menschen in die Lage versetzen sollte, ihr Schicksal vernünftig und gerecht zu gestalten.

"Die Proletarier haben nichts zu verlieren als ihre Ketten, sie haben eine Welt zu gewinnen."

Karl Marx hat weniger den Kommunismus eingefordert als vielmehr in seinem Hautwerk, dem "Kapital", gezeigt, wie eine gerechte Gesellschaft möglich ist und wie diese aus dem Entwicklungsprozess des Kapitalismus folgen kann. Motor dieser Entwicklung ist der Widerspruch, der darin besteht, dass der gesellschaftliche Reichtum im Kapitalismus kollektiv erwirtschaftet wird, den Gewinn aber schöpfen einzelne Individuen ab: die Unternehmer.

"Der Ausgangspunkt der Entwicklung, die sowohl Lohnarbeiter als auch Kapitalisten erzeugt, war die Knechtschaft des Arbeiters. Der Fortgang bestand in einem Formwechsel dieser Knechtung, in der Verwandlung der feudalen in die kapitalistische Ausbeutung. Diese Geschichte ist in die Annalen der Menschheit eingeschrieben mit Blut und Feuer."

Die Menschen haben letztlich die Wahl, die Wirtschaft wild wuchern zu lassen - wobei es immer Opfer und Unterdrückung geben wird - und dabei auf die Hoffnung des Liberalismus zu setzen, dass sich alles irgendwie selber reguliert, oder die Wirtschaft rational zu steuern und den Gewinn gerecht zu verteilen. Das bedeutet: Planwirtschaft. Und:

"An die Stelle der alten bürgerlichen Gesellschaft mit ihren Klassen und Klassengegensätzen tritt eine Assoziation, worin die freie Entwicklung eines jeden die Bedingung für die freie Entwicklung aller ist."

Steckbrief: Karl Marx, geboren am 5. Mai 1818 in Trier, jüdisch, Vater
Rechtsanwalt, Gymnasium, Studium der Jurisprudenz in Bonn, später der Philosophie in Berlin, Hegelianer, Redakteur, Heirat mit Jenny von Westphalen, politisch umtriebig, radikal, Ausweisung aus Paris, staatenlos, geht nach Brüssel. Ständig und fast sein ganzes Leben hindurch in Geldnöten.

Freundschaft mit Friedrich Engels, Mitverfasser des "Kommunistischen Manifests", Beteiligung an der Revolution von 1848, Ausweisung aus Deutschland, lebenslanges Exil in London, sieben eheliche, ein uneheliches Kind mit seiner Haushälterin. Hauptwerk "Das Kapital", polemischer Grundton, Gründung der Kommunistischen Internationalen, danach eher Theoretiker denn politischer Aktivist, Verlust der Frau und vier seiner Kinder, er selber stirbt am 14. März 1883.

"Vorwärts im Kampf für die Rechte der Arbeiterklasse und des Volkes. Vorwärts im Kampf für den Sieg des Sozialismus. He, Genosse, was ist mit Dir?"

Karl Marx hat im Detail wohl geirrt, im Prinzip aber Recht behalten. Die soziale Marktwirtschaft als Gegenmodell zum Sozialismus war ein Zwischenspiel, ein schöner Traum. Am Ende bleiben ein paar Monopolisten, die den Ton in der Welt angeben, und die Politik wird zur Marionette. Was fehlt, ist die Antwort der Menschen auf diese Bedrohung. Und die kann nur ähnlich lauten, wie sie einst Karl Marx gedacht hat: in Form einer Vergesellschaftung des Reichtums.
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