Der Briefeschreiber

Von Christian Linder · 26.01.2006
Mit seinen Romanen, Gedichten und Theaterstücken hatte der am 26. Januar 1781 geborene Achim von Arnim zu Lebzeiten wenig Erfolg. Bekannt ist der Schriftsteller nicht allein durch sein romantisches Werk, sondern auch durch seine Ehe mit Bettine von Arnim. Sie schrieben sich Briefe, deren literarischer Rang heute hochberühmt ist.
Die Landschaft, mitten in Brandenburg, leicht wellig und von langen Chausseen durchzogen, heißt "Niederer Fläming", und auf den ersten Blick weiß man, dass seit Jahrhunderten sich hier wenig verändert hat. Ein heutiger Besucher, der Lyriker Jürgen Becker, sah "die Landschaft der Kindheit" sich öffnen:

"das Geräusch der Pferdehufe am frühen Morgen ... unterwegs in der Geschichte der Kiefernwälder ... endlose Ebenen, in denen die Dörfer anfangen und gleich wieder aufhören ... einst ein Junge im Dorf, der morgens brachte die Post ins Schloss."
Das Schloss stand im Dorf Wiepersdorf und der Hausherr, dem der Junge die Post brachte, war der Schriftsteller Achim von Arnim. Geboren am 26. Januar 1781 in Berlin als Sohn eines preußischen Gesandten Friedrichs des Großen, hatte er zunächst Rechtswissenschaft in Halle, später Mathematik in Göttingen studiert. Aber erst die Göttinger Bekanntschaft mit dem Dichter Clemens Brentano brachte Arnim auf seine Lebensbahn. Brentano versuchte, dem jungen Freund den Weg zu zeigen.

Die Welt als Konstrukt und das eigene Leben als Bühne, um Stimmungen, Haltungen, Sehweisen auszuprobieren, gemäß der berühmten Definition von Novalis, nach der alle Zufälle des Lebens Materialien sind, aus denen der Mensch machen kann, was er will, alles Anfang eines unendlichen Romans ist – aus diesem romantischen Geist ist auch Achim von Arnims Werk gemacht. Nachdem er für diese Idee in seinem ersten, in Göttingen entstandenen und 1802 veröffentlichten Roman "Hollins Liebesleben" einen eigenen literarischen Ausdruck gefunden hatte, wanderte er durch halb Europa, traf sich immer wieder mit Brentano, in Frankfurt oder Heidelberg, sammelte mit ihm alte deutsche Lieder und veröffentlichte sie zwischen 1805 und 1808 in der bald berühmt gewordenen dreibändigen Anthologie "Des Knaben Wunderhorn", ein Volksbuch, dessen Texte seither oft vertont wurden, von Gustav Mahler etwa, und ebenso oft gesungen wurden, so von Dietrich Fischer-Dieskau.

Romantisch in Achim von Arnims Leben war vieles. Zum Beispiel 1811 die heimliche Heirat mit Clemens Brentanos Schwester Bettine, die wie ihr Bruder einen ausgesuchten literarischen Geschmack besaß und später selber eine bedeutende Autorin wurde. Man lebte zunächst in Berlin, bis Achim und Bettine 1814 aufs Land zogen, ins ererbte Schloss in Wiepersdorf. Achim von Arnim gefiel das Leben als Gutsherr, während Bettine bald wieder zusammen mit den Kindern großenteils in Berlin lebte. Der Ehe schadete die Distanz nicht, und die Literatur profitierte von einem einzigartigen Briefwechsel.

Auch im abgelegenen brandenburgischen Dorf Wiepersdorf blieb Achim von Arnim ein aufmerksamer Beobachter der Zeitläufe in Berlin, als Mitarbeiter unter anderem der "Vossischen Zeitung" und der "Berliner Abendblätter" Heinrich von Kleists. Arnim schrieb Vieles und Verschiedenartiges: Gedichte, Romane wie "Die Majoratsherren" oder "Die Kronenwächter", auch Theaterstücke. Er spielte darin mit typisch romantischen Motiven und Gegensätzen wie Nähe und Ferne, Lust und Unlust, Freude und Schmerz. Dichtungen seien nicht Wahrheit, wie wir sie von der Geschichte und dem Verkehr mit Zeitgenossen fordern, verkündete er, sondern sie führten "die irdisch entfremdete Welt zu ewiger Gemeinschaft zurück".

Großen Erfolg bei seinen Zeitgenossen hatte Arnim zu Lebzeiten nur mit der Anthologie "Des Knaben Wunderhorn", in der sich kein einziger eigener Text Arnims fand. Aber die romantische Legende des Versprochenen lebt bis heute, sie lebt auch dank der Ehe mit Bettine, die später mit ihrem literarischen Werk den Ruhm ihres Mannes überstrahlte. Achim von Arnim starb früh, am 21. Januar 1831, wenige Tage vor seinem 50. Geburtstag, an einem Gehirnschlag. Er liegt in Wiepersdorf begraben.