Der Brexit und die Folgen

Bricht der Nordirland-Konflikt wieder auf?

Ein zerstörtes Auto steht im Dunkeln am Explosionsort auf der Bishop Street.
Nach der Explosion in der Innenstadt der nordirischen Stadt Londonderry geht die Polizei Hinweisen auf eine Autobombe nach. © dpa / PA Wire / Steven Mcauley
Duncan Morrow im Gespräch mit Ute Welty · 22.01.2019
Wieder ein Autobombenanschlag in Nordirland: Das weckt Erinnerungen an den blutigen Konflikt zwischen Katholiken und Protestanten, der eigentlich als befriedet galt. Die Nervosität im Land steigt, meint der Politologe Duncan Morrow.
Als Duncan Morrow ein Kind war, war Gewalt in Nordirland ein alltägliches Phänomen: "Ohne zu übertreiben, gab es in Belfast jeden Tag Vorfälle", sagt der heute 50-jährige Politikwissenschaftler, der an der Ulster University lehrt. Seine Kinder hingegen haben dank des Friedensabkommens von 1998 Derartiges nicht erleben müssen: "Die haben in den letzten 20 Jahren eigentlich ein ganz normales Leben gelebt", sagt Morrow.

Eine Rückkehr der Gewalt?

Doch wegen des Brexits könnte dieser Frieden bald bröckeln, denn die irisch-nordirische Grenze droht, als EU-Außengrenze wieder zur geschlossenen Grenze zu werden. War der Autobombenanschlag im nordirischen Londonderry am vergangenen Wochenende ein erster Vorgeschmack auf eine Rückkehr der Gewalt? Nicht unbedingt, meint Morrow. "Es gab immer Gruppen, die sich unserem Friedensprozess widersetzten. Sie waren dagegen. Und diese Bombenanschläge sind nicht normal, aber sie sind ab und zu mal passiert."
Eine Asphaltstraße in ländlicher Umgebung. In der Mitte wechseln die Markierungen auf der Straße die Farbe.
Auf einer Landstraße deutet nur die Farbe der Straßenmarkierung darauf hin, auf welcher Seite der inner-irischen Grenze man sich befindet: Links Nordirland, rechts Republik Irland.© Deutschlandradio / Paul Vorreiter
Gleichwohl hält der Politikwissenschaftler die Situation für nicht ungefährlich. Denn wie im restlichen Großbritannien ist auch die nordirische Gesellschaft tief gespalten, was den Brexit angeht. "Eine Hälfte der Bevölkerung fühlt sich als irisch und die andere Hälfte fühlt sich als britisch", sagt Morrow. "Es ist in einer gespaltenen Gesellschaft immer möglich, dass, wenn die eine Seite beginnt, die andere Seite reagiert und man sich in einem Konflikt wiederfindet."

Plädoyer für den "Backstop"

Dass durch Irland wieder eine geschlossene Grenze verlaufen könnte, ist für den Politikwissenschaftler kaum vorstellbar - angesichts von 30.000 Pendlern, die jeden Tag von Nordirland in den Süden fahren und umgekehrt. Auch jeder fünfte Mitarbeiter seiner Universität wohne in Südirland.
"Eine harte Außengrenze wäre innenpolitisch für uns sehr schwierig. Und die Leute reagieren eigentlich sehr nervös darauf", so Morrow. "Wir reden über nichts anderes, würde ich sagen. Diese Nervosität steigt in den letzten Wochen."
Angesichts dessen plädiert der Politologe dafür, am sogenannten "Backstop"-Plan unbedingt festzuhalten, also die Grenze so lange offenzuhalten, bis eine endgültige Lösung gefunden ist: "Wir brauchen dringend ein Abkommen mit der EU."
(uko)
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